BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11953 21. Wahlperiode 16.02.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Jörg Hamann (CDU) vom 09.02.18 und Antwort des Senats Betr.: Infrastruktur und Wohnen Eine aktuelle Analyse von McKinsey & Company zeigt auf, dass das Bauvolumen in Deutschland seit 2010 von 237 Milliarden Euro um fast 30 Prozent, auf 305 Milliarden Euro im Jahr 2016 gestiegen ist. Insbesondere der private Wohnungsbau macht einen wesentlichen Anteil aus. Das entsprechende Volumen ist in den Jahren 2010 bis 2016 um 40 Prozent gestiegen. Die Investitionen der öffentlichen Hand fallen, im Vergleich zu den privaten und gewerblichen Ausgaben, insgesamt deutlich geringer aus. Im Jahr 2016 betrugen diese gerade einmal 12 Prozent vom Gesamtanteil. Zudem stagnieren die öffentlichen Ausgaben praktisch seit dem Jahr 2010. Auf Bundesebene wurde dieses Defizit erkannt und infolgedessen wurden zusätzliche Investitionen von mindestens 11 Milliarden Euro jährlich ab 2019 beschlossen. Um das Wohnungsdefizit sowie den zusätzlichen Bedarf in den Ballungsräumen abzudecken, werden die Investitionen im privaten Wohnungsbau weiter steigen. Im Jahr 2016 wurden 278.700 neue Wohnungen in Deutschland gebaut. Demgegenüber steht ein tatsächlicher Bedarf von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr. Die Bauindustrie gelangt folglich an ihre Kapazitätsgrenzen . Um den Anstieg des Bauvolumens zu realisieren, fehlen absehbar rund 130.000 Fachkräfte im Baugewerbe. Als verschärfende Faktoren werden neben dem Fachkräftemangel ein komplexes Baurecht sowie eine schleppende Digitalisierung identifiziert. Die stagnierende Produktivität äußert sich in der Folge in einer begrenzten Kapazität, die im Baugewerbe die Preise weiter steigen lassen wird. Dieser Trend betrifft sowohl den Wohnungsmarkt als auch den gewerblichen und öffentlichen Bau. Investitionsvorhaben verzögern sich aufgrund von Personalmangel. Planungskapazitäten und Fachkräfte im Handwerk sind daher knapp. Dies lässt sich am Abruf öffentlicher Mittel sowie an der Anzahl von Planfeststellungsverfahren ablesen . Als Beispiel hierfür sind Kommunalinvestitionen anzuführen: Obwohl der Bund für die Jahre 2015 bis 2020 3,5 Milliarden Euro für die Förderung kommunaler Investitionen bereitgestellt hat, wurden bis Ende 2017 nur 288 Millionen Euro abgerufen – also weniger als 10 Prozent der Gesamtmittel (vergleiche: McKinsey & Company: Infrastruktur & Wohnen: Deutsche Ausbauziele in Gefahr. Öffentlicher Sektor. Februar 2018). Diese Entwicklungen und Herausforderung erfordern zeitnah effektive Lösungsansätze. Diese umfassen insbesondere serielles Bauen und Lean Construction, Ausrichtung von Planung und Bau, die Möglichkeiten der Digitalisierung , Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, die Vereinfachung von Prozessen sowie den Aufbau von Fähigkeiten und Kapazitäten in den Behörden. Drucksache 21/11953 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Hamburg hat maßgeblich einheitliche (Daten-)Austauschstandards entwickelt für eine elektronische Kommunikation der Bauaufsichtsbehörden und für die Aufgaben der Bauleit- und Regionalplanung sowie der Raumordnung. Die Anwendung der Standards XBau und XPlanung ist deutschlandweit seit Oktober letzten Jahres verbindlich festgelegt. Hamburg hat sich bei der Entwicklung der Standards stellvertretend für alle Länder mit erheblichen finanziellen und personellen Ressourcen engagiert. Die notwendige Leitstelle für den Betrieb wurde kurzfristig in Hamburg eingerichtet und wird von Hamburg für die nächsten zwei Jahre mit 1 Million Euro finanziert, bis die gemeinsame Finanzierung von Bund und Ländern in einer Verwaltungsvereinbarung geregelt ist. Daneben werden zum Beispiel bei der Umsetzung von Projekten im Landesbau als auch im Bundesbau digitale Arbeitsmethoden Einzug nehmen. Insbesondere wird Building Information Modeling (BIM) als Arbeitsmethode und als Kommunikationsgrundlage künftig überall eine wesentliche Rolle spielen. Im Landesbau ist daher beabsichtigt, sich entsprechend aufzustellen und BIM als strategisches Instrument verbindlich in die Verwaltungsvorschrift (VV) Bau für das Mieter-Vermieter-Modell mit den Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AiA) zu implementieren. Mit der aktuellen Änderung der Hamburgischen Bauordnung (HBauO) (HmbGVBl. Nummer 4 vom 6. Februar 2018, Seite 19) werden Maßnahmen auf den Weg gebracht, um weitere Vereinfachungen bei den materiellen Anforderungen und bei den Verfahrensvorschriften umzusetzen. Dazu gehören unter anderem Erleichterungen hinsichtlich der Erschließung von Grundstücken, des Brandschutzes, der nachträglichem Schaffung von Wohnraum durch Dachgeschossausbauten und Aufstockungen und der Einschränkung des Prüfprogramms im Baugenehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung nach § 62 HBauO. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Hamburg Port Authority AöR (HPA) wie folgt: 1. Ist dem Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde die oben genannte Analyse bekannt und wenn ja, wie wird diese bewertet? a) Welche ableitenden Handlungsempfehlungen werden identifiziert und in die zukünftige Ausrichtung miteinbezogen? Die McKinsey-Analyse „Infrastruktur und Wohnen – Deutsche Ausbauziele in Gefahr“ (Öffentlicher Sektor Februar 2018) ist der zuständigen Fachbehörde bekannt. In der zukünftigen Ausrichtung soll insbesondere die Digitalisierung von Bau- und Planungsprozessen Berücksichtigung finden, wobei Hamburg hier bereits eine herausragende Rolle spielt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Welche Ansätze gibt es in Bezug auf die breite Anwendung von seriellem Bauen und Lean Construction in der privaten sowie der städtischen Bauwirtschaft in Hamburg? Die Thematik wird von der zuständigen Fachbehörde aktiv betrieben. Im Rahmen des Bündnisses für das Wohnen in Hamburg und im Zusammenhang mit der Baukostenthematik wird das Thema „serielles Bauen“ umfassend diskutiert. Die SAGA erarbeitet derzeit Typenhäuser für serielle Wohnbauten. Bei öffentlichen Bauvorhaben hat Lean Construction bereits in breiter Ebene Einzug genommen. Eine ganzheitliche Betrachtung von Planung, Bauausführung, Bewirtschaftung und Nachnutzung unter dem Lebenszyklusansatz ist bei öffentlichen Bauvorhaben obligatorisch. 3. Wie hoch sind die Mittel, die Hamburg für die Förderung kommunaler Investitionen in den Jahren 2015, 2016 und 2017 vom Bund abgerufen hat, und für welche Projekte wurden diese verwendet? Wie hoch sind die Mittel, die für 2018 abgerufen werden sollen und wofür? Bitte einzeln aufschlüsseln. Mit dem Kommunalinvestitionsförderungsgesetz (KInvFG) hat der Bund den Ländern insgesamt 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Davon entfallen auf Hamburg Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11953 3 58,422 Millionen Euro, die in den Jahren 2016 bis 2020 für den Ausbau des Radwegenetzes (30 Millionen Euro) und für energetische Sanierungen/Lärmschutz (28,422 Millionen Euro) eingesetzt werden. In den Jahren 2016 und 2017 sind 22,469 Millionen Euro vom Bund abgefordert worden . Die Höhe des in 2018 abzufordernden Betrages richtet sich nach den jeweiligen Baufortschritten und steht insofern noch nicht fest. 4. Was unternimmt der Senat, um die Digitalisierung im Baugewerbe voranzutreiben und auszubauen, insbesondere hinsichtlich des Ansatzes , die Planungs- und Vergabepraxis anzupassen, sodass eine gemeinsame Vergabe der einzelnen Planungsphasen möglich wird? Die seit April 2014 geltende Vergaberichtlinie der EU (Richtlinie 2014/24/EU) verpflichtet die Mitgliedsstaaten, bis zum Oktober 2018 für alle EU-Verfahren eine elektronische Kommunikation zwischen den staatlichen Vergabestellen und den Bietern (E- Vergabe) einzuführen. E-Vergabe umfasst die vollelektronische, medienbruchfreie Durchführung von Vergabeverfahren, beginnend mit der Bekanntgabe der Ausschreibung im Internet über die elektronische Bereitstellung der Vergabeunterlagen und der Möglichkeit der elektronischen Angebotsabgabe bis hin zur elektronischen Auftragserteilung . Für die E-Vergabe von Bauleistungen (VOB) sowie für freiberufliche Leistungen im Baubereich wird die vom Softwarehersteller Healy Hudson entwickelten Software „eVa“ Verwendung finden, deren Einsatz auch für nationale Vergabeverfahren angestrebt wird. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Antwort zu 1. 5. Gibt es Erkenntnisse über die durchschnittliche Genehmigungsdauer von Bauvorhaben in Hamburg? Wenn ja, wie stellt sich diese dar? Wenn nein, warum nicht? Die durchschnittlichen Verfahrensdauern für die Vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 61 HBauO und der Baugenehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung nach § 62 HBauO stellen sich in Hamburg im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Bezirksämter sowie der BSW (HafenCity, Speicherstadt und Vorbehaltsgebiete) wie folgt dar: Anzahl Verfahren § 61 HBauO Durchschnittliche Verfahrensdauer (ab Vollständigkeit der Bauvorlagen bis Bescheid) in Monaten Durchschnittliche Gesamtverfahrensdauer (ab Antragseingang bis Bescheid) in Monaten 2015 4.105 1,42 2,88 2016 3.950 1,79 3,28 2017 3.975 1,76 3,37 Anzahl Verfahren § 62 HBauO Durchschnittliche Verfahrensdauer (ab Vollständigkeit der Bauvorlagen bis Bescheid) in Monaten Durchschnittliche Gesamtverfahrensdauer (ab Antragseingang bis Bescheid) in Monaten 2015 2.394 2,44 4,72 2016 2.803 2,71 5,34 2017 2.592 2,66 5,53 Quelle: Bezirksämter, Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen Maßgeblich ist die durchschnittliche Verfahrensdauer ab Vollständigkeit der Bauvorlagen bis zur Erteilung des Bescheides. Mit den vorliegenden Zahlen wird bestätigt, Drucksache 21/11953 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 dass die gesetzlichen Bearbeitungsfristen nach § 61 HBauO (in der Regel zwei Monate ) beziehungsweise nach § 62 HBauO (drei Monate) von den Bauaufsichtsbehörden eingehalten werden. Eine Auswertung der Verfahrensdauern durch die HPA ist in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich, da hierzu 545 Verfahren einzeln gesichtet werden müssten. 6. Wie oft wurde in Hamburg mittels des vereinfachten Baugenehmigungsverfahren in den Jahren 2015, 2016 und 2017 gebaut? (Wenn möglich bitte nach einzelnen Jahren aufschlüsseln). Falls hierzu keine Daten vorliegen , warum werden keine Erhebungen in Bezug auf die Anwendung des vereinfachten Baugenehmigungsverfahren angestellt? Anzahl der erteilten Genehmigungen im Vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 61 HBauO im Zuständigkeitsbereich der Bezirksämter und der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen 2015 3.674 2016 3.505 2017 3.468 Eine gesonderte Erhebung von genehmigten Vorhaben nach § 61 HBauO, die „gebaut “ wurden, wird nicht durchgeführt, da sich aus diesbezüglichen Daten kein bauaufsichtliches Handeln ableiten lassen würde. 7. Welche weiterführenden Überlegungen und/oder Planungen werden seitens des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde angestellt, um Verfahren, Prozesse und Bauvorschriften im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu beschleunigen und/oder zu vereinfachen? Siehe Vorbemerkung.