BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11975 21. Wahlperiode 20.02.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Philipp Heißner (CDU) vom 12.02.18 und Antwort des Senats Betr.: Teuer erkaufte Einigung für Hörgensweg erfüllt nicht alle im Bürgervertrag gemachten Zusagen Nach Protesten von Anwohnern machten SPD und GRÜNE im Rahmen des Konsens mit den Initiatoren der Volksinitiative „Hamburg für gute Integration“ (Drs. 21/5231) im „Bürgervertrag für Eimsbüttel“ (Bürgervertag) am 12. Juli 2016 Zusagen zur Belegung und zu Integrationsmaßnahmen für das neue Quartier am Eidelstedter Hörgensweg. So sollte unter anderem die Zahl der örU von 350 Wohnungen zunächst auf 175 reduziert werden. Die anderen 175 Wohnungen sollten für Senioren und Azubis geschaffen werden. Am 12. Juli 2016 wurde aber zugleich von f & w fördern und wohnen AöR (f & w) der Vertrag mit dem Investor FeWa Grundstücksgesellschaft GmbH & Co. KG unterzeichnet (Drs. 21/6666), in dem sich die Stadt verpflichtete, 350 Wohnungen als örU über f & w über einen Zeitraum von 15 Jahren mit mehreren finanziellen Zuschüssen zu mieten. Am 13. Juli 2016 erfolgte dann auch noch die Förderzusage durch die der Stadt gehörenden Hamburgische Investitions- und Förderbank (Drs. 21/8872). Der Senat hat mit der FeWa also einen Vertrag unterzeichnet, von dem bereits bei Vertragsunterzeichnung bekannt war, dass er mit den Zusagen des Bürgervertrages nicht vereinbar ist. Wie aus einer Eckpunktevereinbarung zwischen BSW, f & w und FeWa (im Folgenden: Eckpunktevereinbarung) hervorgeht, ist der Freien und Hansestadt Hamburg durch dieses verantwortungslose Handeln ein Schaden in Millionenhöhe entstanden, da nun Ausgleichzahlungen an den Investor geleistet werden müssen, um die Zusagen des Bürgervertrages einhalten zu können. Zugleich wurde deutlich, dass die Einhaltung einiger wesentlicher Zusagen des Bürgervertrages trotz erheblicher finanzieller Zusagen nicht sichergestellt werden konnte. Ich frage daher den Senat: Vor dem Hintergrund der akuten Bedarfe in der Folgeunterbringung für Flüchtlinge bestand aufseiten des Senats ein hohes Interesse daran, die Verhandlungen zum Mietvertrag mit einem guten Ergebnis abzuschließen, damit mit den Baumaßnahmen begonnen werden konnte. Die auftretenden zeitlichen Parallelen mit den Verhandlungen von in der Bürgerschaft vertretenden Fraktionen sowie dem anschließenden Abschluss der Bürgerverträge sind den Beteiligten bewusst gewesen. Ein Moratorium bei den Verhandlungen zum Mietvertrag bis zur Konkretisierung der Umsetzung der Bürgerverträge war vor dem Hintergrund der Notsituation bei der Unterbringung von Flüchtlingen im öffentlichen Interesse nicht zu verantworten. Im Ergebnis gelang es vielmehr, in sehr kurzer Zeit Festbauten zur guten Unterbringung von Flüchtlingen zu errichten. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: Drucksache 21/11975 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. In Drs. 21/10168 ist von 350 Wohneinheiten im ersten Bauabschnitt die Rede, in der Pressemitteilung der BSW zur Eckpunktevereinbarung ist von 364 „Wohnungen“ die Rede. Wie erklärt sich dieser Unterschied? Wie viele Wohneinheiten sieht die Baugenehmigung vor? Wie viele weitere Einheiten sieht die Baugenehmigung vor und worum handelt es sich dabei im Einzelnen? Die Baugenehmigung umfasst den Neubau einer Unterkunft für Flüchtlinge oder Asylbegehrende mit bis zu 1.400 Plätzen (350 Einheiten) und den dazugehörigen Folgeeinrichtungen (14 Verwaltungs-einheiten und zwei Kitas). 2. Im Bürgervertrag wurde zugesagt, die Zahl der Wohneinheiten für die örU bereits ab Bezugsfertigkeit zu reduzieren und mindestens 175 Wohnungen „in erster Linie als geförderte Wohnungen für Senioren, Auszubildende und Studentierende (sic!)“ auszuführen. Am 12. Mai 2017 unterzeichnete die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen eine Kooperation mit dem Studierendenwerk Hamburg. In dieser war für die Standorte Hörgensweg und Mittlerer Landweg (auch hier ist FeWa Investor) von jeweils 50 Wohnungen für Studenten oder Auszubildende die Rede. In der Eckpunktevereinbarung heißt es nur, FeWa solle aufbauend auf der Vereinbarung mit dem Studierendenwerk eine konkrete Vereinbarung „anstreben“. a) Wie viele der Wohnungen im Quartier aus jeweils welchem Bauabschnitt sind für Senioren geplant? b) Wie viele Wohnungen im Quartier aus jeweils welchem Bauabschnitt sind für Studenten und Auszubildende geplant? c) Wie stellen der Senat oder die zuständige Behörde sicher, dass die Zusage, im ersten Bauabschnitt mindestens 175 Wohnungen mit Senioren oder Studenten zu belegen, eingehalten wird? Die 291 Wohnungen des 1. Bauabschnitts, die nicht als Flüchtlingsunterkünfte genutzt werden, werden als öffentlich geförderte Wohnungen im ersten Förderweg mit entsprechender Mietpreis- und Belegungsbindung errichtet und stehen dem allgemeinen Wohnungsmarkt zur Verfügung. Durch die Errichtung der Wohnungen in unterschiedlichen Wohnungsgrößen wird sichergestellt, dass verschiedene Zielgruppen und verschiedene Altersgruppen angesprochen werden. Im Wege der Kooperation zwischen Investor und interessierten Bedarfsträgern sollen dem Investor Haushalte vorgeschlagen werden, mit denen er einen Mietvertrag abschließen kann und die zu einer Durchmischung am Standort beitragen können. Darauf zielt auch der zwischen der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen und dem Studierendenwerk unterzeichnete Letter of Intent. d) Gibt es bereits für den Mittleren Landweg eine Einigung mit dem Investor? Wenn ja seit wann und was sieht dieser bezüglich Wohnungen für Studenten und Auszubildende vor? Wenn nein, warum nicht und wann ist damit zu rechnen? Siehe Drs. 21/11529. 3. Außerdem soll das Quartier „ausreichend“ Gemeinschaftsräumlichkeiten beziehungsweise Mehrzweckräume zur Begegnung der Bewohner verfügen . Welche Anzahl ist nach Ansicht des Senats oder der zuständigen Behörde „ausreichend“? Im Quartier werden Räume für Nachbarschaftsnutzungen im Rahmen des Neubaus der Kita im 2. Bauabschnitt entstehen. Dort sind ein Veranstaltungssaal sowie Mehrzweckräume geplant. In der öffentlich rechtlichen Unterkunft sind ebenfalls Gemeinschaftsflächen vorgesehen. Mit diesen Einrichtungen wird eine gute soziale Infrastruktur gewährleistet. Sie dienen der Integration der Bewohnerinnen und Bewohnern und können das Angebot auch für die angrenzenden Quartiere verbessern. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11975 3 4. Über Einzelheiten der Integrationsmaßnahmen sollen sich FeWa, f & w und das Bezirksamt Eimsbüttel verabreden. Da der Erstbezug im Mai geplant ist: Welche Integrationsmaßnahmen wurden bereits beschlossen ? Wann erfolgten jeweils zwischen wem welche Gespräche hierzu? Für Eidelstedt wurde ein Integrationskonzept erarbeitet, welches am 27. Juni 2017 in der öffentlichen Sitzung des bezirklichen Ausschusses für Soziales, Arbeit, Integration , Gleichstellung und Gesundheit vorgestellt worden ist. Es wurde anschließend der Öffentlichkeit vorgestellt und zurzeit mit den Beteiligten fortlaufend weiterentwickelt. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. 5. Es heißt in der Pressemitteilung, dass die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen Kosten für Lärmschutz für die 291 Sozialwohnungen im ersten Bauabschnitt in Höhe von 1,4 Millionen übernehmen würde, „die bei einer Nutzung als Flüchtlingsunterkunft nicht angefallen wären“. a) Wieso wären diese Lärmschutzmaßnahmen bei Nutzung als Flüchtlingsunterkunft nicht angefallen? Für eine Flüchtlingsunterkunft bestehen andere immissionsschutzrechtliche Bestimmungen als dieses für Wohnen der Fall ist. b) Auf welcher Rechtsgrundlage übernimmt die Behörde die Kosten? Rechtsgrundlage für die Zahlung ist Ziffer 1. Abschnitt 4 der Eckpunktevereinbarung in Verbindung mit § 46 Landeshaushaltsordnung (LHO). c) Aus welcher Quelle des Einzelplans werden die Kosten wann gezahlt? Die Zahlung ist für das Haushaltsjahr 2018 aus der Produktgruppe 289.11 „Landesplanung und Stadtentwicklung“ vorgesehen. d) Zahlt die Behörde in anderen Fällen auch für Investoren die Lärmschutzmaßnahmen ? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Wenn nein, warum hier? Und hat die Zahlung den Charakter einer Entschädigung? Wenn nein, was ist sie dann? Im Rahmen des Finanzierungsprogramms „Kosten und Finanzierung großer Wohnungsbauvorhaben “ der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen können solche Maßnahmen finanziert werden. Voraussetzung einer Finanzierung aus diesem Programm ist eine Mindestanzahl von 100 neuen Wohneinheiten pro Projekt, eine unmittelbare Zuordnung der Maßnahme zu dem Wohnungsbauvorhaben sowie der Ausschluss einer anderweitigen Finanzierungsmöglichkeit . Damit werden standortbedingte Mehrkosten ausgeglichen, die nicht vom Kaufpreis abgezogen werden können. Beim Verkauf städtischer Grundstücke für Wohnungsbauvorhaben werden solche Kosten als kaufpreismindernd anerkannt. 6. f & w soll laut Pressemitteilung der BSW zur Eckpunktevereinbarung weiterhin für 15 Jahre an FeWa den im Vertrag vom 12. Juli 2016 vereinbarten Baukostenzuschuss zahlen. Die Eckpunktevereinbarung erwähnt, dass dies für die 73 Wohnungen 63.105 Euro monatlich sind. a) Gibt es für die 291 Sozialwohnungen keinen Zuschuss, obwohl in der Eckpunktevereinbarung erwähnt wird, dass auch für sie zusätzliche Sicherheitstreppenhäuer und Schallschutzmaßnahmen eingebaut wurden? Wenn doch, durch wen wird der Zuschuss in welcher Höhe monatlich gezahlt? Der Baukostenzuschuss wird für alle Wohneinheiten des 1. Bauabschnitts gezahlt. Drucksache 21/11975 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 b) f & w bekommt für die Unterbringung der Flüchtlinge von der Freien und Hansestadt Hamburg einen festen Gebührensatz. Kann f & w den Baukostenzuschuss zusätzlich der Stadt in Rechnung stellen? Wenn nein, zahlt f & w jetzt den Preis der schlechten Verhandlungen des Senats? Der Baukostenzuschuss wird als Bestandteil der Miete von f & w getragen und über den Kostensatz erstattet, siehe Drs. 21/8872. Zu den Kostensätzen siehe Drs. 21/8262, Drs. 21/7422, Drs. 21/4923, Drs. 21/4635 und Drs. 21/4327. 7. Wurde für die 291 Wohnungen, die nicht örU werden, bereits ein Förderantrag bei der IFB gestellt? Wenn ja, wann? Wenn nein, wann soll die Antragstellung erfolgen? 8. Die Eckpunktevereinbarung erwähnt, dass durch die Änderung der FeWa Bewirtschaftungs- und Instandhaltungskosten von 5,9 Millionen Euro entstehen und gleichzeitig 1,8 Millionen Euro aus dem Integrationszuschuss der IFB entfallen. Inwiefern gleichen die aktuellen Förderkonditionen der IFB die Kosten für Bewirtschaftung und Instandhaltung, die FeWa durch die Änderung der Bedingungen hat, aus? Siehe Drs. 21/8872. Durch die mit der Eckpunktevereinbarung beabsichtigten Änderungen kann die bereits bewilligte Förderung nur noch für 73 Wohneinheiten fortgeführt werden, während für die 291 Wohneinheiten der ursprüngliche Förderzweck nicht mehr erreicht werden kann. Vor diesem Hintergrund wurde die Hamburgische Investitions- und Förderbank AöR (IFB) von der zuständigen Fachbehörde gebeten, eine Teilaufhebung der Bewilligung und Förderung auf Basis der regelhaften Konditionen des Jahres 2018 vorzunehmen . Durch die aktuellen und regelhaften Förderkonditionen 2018 können die Instandhaltungskosten im Zeitablauf ausgeglichen werden. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. 9. Wie ist der Stand der Planungen für den zweiten Bauabschnitt? Für das Gebiet nördlich des Hörgenswegs und westlich der AKN-Trasse ist ein vorhabenbezogener Bebauungsplan Eidelstedt 74 (Hörgensweg II) in Aufstellung. Dieser wird voraussichtlich mit der Begründung und dem Vorhaben- und Erschließungsplan vom 21. Februar 2018 bis 23. März 2018 öffentlich ausgelegt. 10. Angesichts von rund 16.000 Flüchtlingen in örU mit Wohnberechtigung benötigt der Senat für diese Gruppe Sozialwohnungen. Auch ein groß angelegter Zuzug von Flüchtlingen mit Wohnberechtigung stellt die Integrationsleistung eines Stadtteils vor große Herausforderungen. Wie will der Senat sicherstellen, dass die nun zusätzlichen Sozialwohnungen durchmischt und eben nicht auch überwiegend mit Flüchtlingen belegt werden? Was eine gute Durchmischung ist, wird in der Eckpunktevereinbarung zwischen BSW und FeWa nicht definiert. Warum erfolgt keine Definition? Eine Berücksichtigung unterschiedlicher Zielgruppen bei der Wohnungsvergabe entspricht dem Interesse des Vermieters an einer sozialen Durchmischung der Bewohnerschaft , die nachhaltig eine stabile Quartiersentwicklung gewährleistet. Über die konkrete Vergabe der Wohnungen entscheidet der Vermieter unter Berücksichtigung dieser Interessenlage. Daher ist auf eine schematische Definition verzichtet worden. 11. Inwieweit ist die Eckpunktevereinbarung die „Grundlage“, wie es dort auf Seite 2 heißt, damit FeWa auch den zweiten Bauabschnitt bebauen kann? Heißt das, die Baugenehmigung für den zweiten Teil wird erst erteilt, wenn FeWa die Vorgaben des Senats für den ersten Bauabschnitt akzeptiert? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11975 5 Die Grundlage für die weitere Bebauung des Gebiets nördlich des Hörgenswegs und westlich der AKN-Trasse ist der in Aufstellung befindliche vorhabenbezogene Bebauungsplan Eidelstedt 74 (Hörgensweg II). Die Eckpunktevereinbarung schafft hierfür die Rahmenbedingungen. 12. Im Bürgervertrag für Eimsbüttel wird zugesichert, dass mit der Eigentümerseite abgeklärt wird, inwiefern die Wohnungen der Eigentumsbildung dienen können. Die Eckpunktevereinbarung untersagt nun jedoch für den ersten Bauabschnitt innerhalb der nächsten 15 Jahre die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und läuft damit dem Bürgervertag direkt zuwider. Wie kam diese Klausel zustande? Wurde vonseiten der FeWa der Wunsch geäußert, diese Klausel in die Eckpunktevereinbarung aufzunehmen? Inwiefern kann der Senat unter diesen Voraussetzungen die Eigentumsbildung mit dem Eigentümer noch abklären? Das Absehen von Eigentumsbildung erfolgte im Einvernehmen mit dem bestandshaltenden Investor. 13. Der Bürgervertrag sieht die Einbeziehung der Bürgerinitiative in das Bebauungsplanverfahren in geeigneter Weise vor. Inwiefern ist die Bürgerinitiative bei der Erstellung des vorhabenbezogenen B-Plan-Entwurfs und bei der Erstellung der Eckpunktevereinbarung bisher über die ohnehin gesetzlich vorgegebene Öffentlichkeitsbeteiligung hinaus beteiligt worden? Welche Planungen gibt es für die Einbeziehung der Bürgerinitiative ? Die Bürgerinitiative ist während des städtebaulichen Wettbewerbs und bei der Findung des städtebaulichen und funktionalen Konzepts des Plangebiets einbezogen worden. Die Berichterstattung über den Fortgang des Bebauungsplanverfahrens erfolgt jeweils in öffentlicher Sitzung. Sie hatte weiterhin während der öffentlichen Plandiskussion und hat in der anstehenden öffentlichen Auslegung des Bebauungsplans Gelegenheit ihre Belange in Bezug auf die Planung einzubringen. 14. Wie viele Wohneinheiten sollen insgesamt auf das Gesamtprojekt bezogen entstehen? Ist eine bestimmte Anzahl verbindlich festgelegt? Wenn ja, wie? Die Anzahl der Wohneinheiten wird über den Vorhaben- und Erschließungsplan des Bebauungsplan Eidelstedt 74 festgelegt. Insgesamt sollen im Plangebiet gemäß aktuellem Planungsstand circa 890 Wohnungen entstehen.