BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12081 21. Wahlperiode 27.02.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Thilo Kleibauer (CDU) vom 19.02.18 und Antwort des Senats Betr.: Kahlschlag in den Walddörfern – Hat die Stadt die ersatzlose Rodung einer Waldfläche genehmigt? (2) In der Sitzung des Regionalausschusses Walddörfer am 16.11.2017 wurde bekannt, dass die Wirtschaftsbehörde offenbar den umfangreichen Kahlschlag einer über 1 Hektar großen privaten Waldfläche zwischen den Straßen Duvenwischen und Schmalenremen (Flurstück 412 in Volksdorf) genehmigt hat. In der Antwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/11189 im Dezember hatte der Senat dann ausgeführt, dass bei rund 60 Prozent des Baumbestands auf dieser Fläche Maßnahmen erforderlich seien und dass laut Genehmigung der zuständigen Behörde vorhandene Bäume, die absehbar längerfristig verkehrssicher erhalten werden können, auf der Fläche zu belassen sind. Ebenfalls geht aus der Antwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage hervor, dass es für dieses Flurstück in der Vergangenheit bereits mehrfach Bauanfragen gab. Inzwischen haben umfangreiche Fällmaßnahmen auf dieser Fläche stattgefunden . Dabei wurden offenbar auch in einem großen Umfang gesunde Bäume abgeholzt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Zuständig für die Durchführung des § 6 Absatz 1a Landeswaldgesetz ist nach der Anordnung zur Durchführung der Waldgesetze vom 4. September 2007 die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation. Zuständige Stelle innerhalb der Behörde ist das Referat Pflanzenschutzbehörde, Wald, Jagd und Fischerei. Darüber hinaus gibt es weder regionale noch örtliche Zuständigkeiten, auch nicht in der Bezirksverwaltung . Das Landeswaldgesetz verpflichtet nach § 6 jeden Waldbesitzer im Rahmen der Zweckbestimmung, insbesondere zur Erhaltung der günstigen Wirkungen auf das Klima, den Wasserhaushalt, das Landschaftsbild und für die allgemeine Erholung der Bevölkerung, gemäß den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft, zur sachkundigen und nachhaltigen Pflege und Bewirtschaftung der Wälder. Die Verkehrssicherungspflicht ergibt sich insbesondere aus den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches. Die Wahrnehmung dieser Pflicht liegt in der Verantwortung der Eigentümerin beziehungsweise des Eigentümers. Es ist nicht Aufgabe des Staates, die Umsetzung der Verkehrssicherungspflicht der Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer zu überwachen. Die Kahlhiebsgenehmigung nach § 6 Absatz 1a des Landeswaldgesetzes wurde vor dem Hintergrund erteilt, dass die sehr ungünstige Lage des Grundstückes zwischen den bebauten Flächen und seine sehr schmale Ausgestaltung keine andere Möglichkeit einer systematischen und nachhaltigen Beseitigung der verkehrsgefährdenden Drucksache 21/12081 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Bäume einschließlich der sich aus den Fällungen ergebenden Folgewirkungen zugelassen hat. Außerdem können durch die Verkehrssicherungsmaßnahmen weitere Bäume zu einer Gefahr werden. Die Einschätzung über die verkehrssicher zu erhaltenden Bäume liegt in der Verantwortung der Eigentümerin beziehungsweise des Eigentümers. Diese haben unter anderem sicherzustellen, dass von dem Grundstück keine konkrete Gefahrenquelle für Nachbargrundstücke ausgeht. Da der Kahlhieb zurzeit noch durchgeführt wird, ist eine Bewertung der Maßnahme durch die zuständige Behörde derzeit nicht abschließend möglich. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften des Vertreters des Waldbesitzers wie folgt: 1. Wie viele und welche Bäume sind auf der Fläche belassen worden? Nach Angaben des Waldeigentümers sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Naturverjüngung sowie der vorhandene Unterstand von den Maßnahmen nicht betroffen . Eine genaue Angabe zu den verbliebenen Altbäumen ist erst nach Abschluss der gesamten Maßnahme möglich. 2. Wie bewerten die zuständigen Stellen, dass offenbar deutlich mehr als die in Drs. 21/11189 genannten 151 Bäume beziehungsweise circa 60 Prozent des Bestandes gefällt wurden? Eine abschließende Bewertung konnte bisher nicht vorgenommen werden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Wie viele grundsätzlich verkehrssichere Bäume wurden gefällt? Nach Angaben des Waldeigentümers wurden bisher keine verkehrssicheren Bäume gefällt. 4. Wurden bei Umsetzung der Maßnahme alle Nebenbestimmungen der Genehmigung eingehalten? Eine abschließende Bewertung konnte bisher nicht vorgenommen werden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Gab es für diese Maßnahme eine genaue Auflistung der erhaltenswerten Bäume? Wenn nein, warum nicht? Nein, eine Kennzeichnung der Bäume erfolgte auf der Fläche direkt. Der Waldeigentümer hat eine „Fachliche Stellungnahme zur Waldrand- und Waldbestandskontrolle“ durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Baumsachständigen erstellen lassen. Darin werden die nicht verkehrssicheren Bäume identifiziert und beschrieben. Nach Angaben des Waldeigentümers wurden vor Beginn der Fällmaßnahmen von dem Gutachter die Altbäume gekennzeichnet, die bis zur endgültigen Entscheidung über ihre Verkehrssicherheit von der Fällung ausgenommen werden sollen. Im Übrigen siehe Drs. 21/11189. 6. Ergeben sich durch die Umsetzung des Kahlhiebs an dieser Stelle Einschränkungen der Schutzfunktion dieses Waldes? Wenn nein, warum nicht? Ja. 7. Wann und in welcher Form haben sich die zuständigen Stellen vor Ort über die Umsetzung des Kahlhiebs informiert? Am 16. Februar 2018, am 21. Februar 2018 und am 22. Februar 2018 hat sich die zuständige Behörde im Rahmen von Ortsbesichtigungen über die Umsetzung des Kahlhiebs informiert. 8. Inwiefern war die regional zuständige Revierförsterei bei welchen Fragestellungen der Genehmigung und Umsetzung des Kahlhiebs beteiligt? Siehe Vorbemerkung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12081 3 9. Wodurch wird sichergestellt, dass es sich nach Durchführung des Kahlhiebs bei dieser Fläche weiterhin um einen Wald nach Landeswaldgesetz handelt? Unabhängig von dem bestehenden oder verbleibenden Altbaumbestand ist durch die Anwendung des Landeswaldgesetzes sichergestellt, dass die Fläche weiterhin Wald im Sinne des Landeswaldgesetzes bleibt, da ein Kahlhieb in der genehmigten Form nicht das Recht zur Umwandlung in eine andere Nutzungsart umfasst. Der Waldeigentümer ist darüber hinaus gesetzlich und durch die Nebenbestimmungen des Bescheides verpflichtet, Ergänzungspflanzungen mit standortgerechten, einheimischen Laubbäumen vorzunehmen, sollte die Naturverjüngung längerfristig nicht für die Wiederbewaldung der Fläche ausreichen. 10. In der Drs. 21/11189 beantwortet der Senat die Frage nach der forstfachlichen Begründung des Kahlhiebs mit der Erforderlichkeit der „Herstellung der Verkehrssicherheit“ für die angrenzenden Grundstücke. 10.1. Haben in der Vergangenheit regelmäßige Baumkontrollen durch den Waldeigentümer und gegebenenfalls daraus abgeleitete Maßnahmen zur Sicherstellung der Verkehrssicherheit stattgefunden? Nach Angaben des Waldeigentümers hat dieser in unterschiedlichen Abständen Sichtkontrollen durchgeführt und nach vermehrt aufgetretenen Starkastabbrüchen mit Schadensfällen außerhalb von Sturmereignissen ein Gutachten in Auftrag gegeben. 10.2. Haben die zuständigen Stellen in den letzten zehn Jahren für diese Waldfläche Maßnahmen zur Sicherstellung der Verkehrssicherheit vom Eigentümer verlangt? Wenn ja, wurden diese Maßnahmen umgesetzt? 10.3. Wie wurde der Pflegezustand dieses Waldstücks von den zuständigen Stellen bewertet? Die für die Aufsicht des Privatwaldes zuständige Stelle hat von dem Eigentümer keine Maßnahmen zur Sicherstellung der Verkehrssicherheit verlangt, da diese in der alleinigen Verantwortung des Eigentümers liegt. Eine Bewertung des Pflegezustandes erfolgte daher nicht. 11. Welche Erörterungen oder Vor-Anfragen hat es vor der Antragstellung auf Genehmigung des Kahlhiebes am 12.01.2017 zu den waldrechtlichen Maßnahmen auf diesem Flurstück gegeben? 12. Wann genau und in welcher Form fand die in Drs. 21/11189 erwähnte Erörterung der Möglichkeit wiederkehrender Fällungen als Alternative zum Kahlhieb statt? Am 10. November 2016 erhielt die zuständige Behörde die vom Waldeigentümer beauftragte „Fachliche Stellungnahme Waldrand- und Waldbestandskontrolle“ mit der Bitte um Prüfung und Beurteilung. Am 28. November 2016 wurden im Rahmen einer gemeinsamen Ortsbesichtigung der zuständigen Behörde, dem Vertreter des Eigentümers und dem Fachgutachter der Waldbestand und sein Zustand in Augenschein genommen. Dabei wurde als Alternative zu dem vom Eigentümer gewünschten Kahlhieb die Möglichkeit wiederkehrender Fällungen zur Herstellung der Verkehrssicherheit an den Waldgrenzen erörtert. 13. Antrags- beziehungsweise Genehmigungsverfahren für einen Kahlhieb nach dem Landeswaldgesetz kommen relativ selten vor. Die Formulierung in § 6 Absatz 1a Satz 2 Landeswaldgesetz („Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn die Maßnahme forstfachlich erforderlich ist und keine wesentliche Einschränkung der Schutzfunktionen des Waldes zu besorgen ist.“) setzt zudem eine kritische Prüfung der Maßnahmen voraus. 13.1. Welche genauen Regelungen und Vorgaben gibt es für die Prüfung und Bearbeitung dieser Anträge? Drucksache 21/12081 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Prüfung und Bearbeitung von Anträgen auf Kahlhieb erfolgt grundsätzlich nach den Regelungen des Landeswaldgesetzes. Dabei ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob es ein milderes Mittel zur Erreichung des Zweckes gibt. In diesem Fall wurde der Kahlhieb zur Herstellung der Verkehrssicherheit für die angrenzenden Grundstücke beantragt und erteilt. Zur Erhaltung der Funktion des Waldes wurde der Bescheid mit Nebenbestimmungen versehen. 13.2. Welche Stelle genau prüft die Anträge für die Behörde für Wirtschaft , Verkehr und Innovation? 13.3. Welche Stelle genau entscheidet über die Anträge für die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation? Siehe Vorbemerkung. 13.4. In welcher Form werden das örtlich zuständige Bezirksamt einschließlich der regional zuständigen Revierförstereien sowie die für Umwelt zuständige Fachbehörde beim Genehmigungsverfahren mit jeweils welchen Fragestellungen beteiligt? Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach dem Landeswaldgesetz ist eine Beteiligung anderer Behörde nicht erforderlich. In dem Bescheid wurde der Privatwaldbesitzer darauf hingewiesen, dass andere gesetzliche oder Verordnungstatbestände von dieser Genehmigung unberührt bleiben. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Drs. 21/11189.