BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12094 21. Wahlperiode 27.02.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Carola Ensslen (DIE LINKE) vom 20.02.18 und Antwort des Senats Betr.: Gebührenerhöhung in öffentlich-rechtlicher Unterbringung (III) In den Unterkünften kehrt nach wie vor keine Beruhigung hinsichtlich der zum Jahreswechsel vorgenommenen drastischen Gebührenerhöhung für öffentlich -rechtliche Unterbringungen ein. Noch immer scheinen nicht alle Bewohner /-innen Kostenfestsetzungsbescheide erhalten zu haben, während die Bescheide dem Vernehmen nach aber auf den 1.1.2018 datiert sein sollen. Seitens der zuständigen Behörde scheint inzwischen auch gesehen zu werden , dass es Nachbesserungsbedarf bei der Gebührenordnung gibt. Insofern gibt es Aufklärungsbedarf zum aktuellen Sachstand. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften von f & w fördern und wohnen AöR (f & w) wie folgt: 1. Wie viele Bewohner/-innen haben bislang Kostenfestsetzungsbescheide für die neuen Gebühren erhalten, wie viele noch nicht? Bitte nach den einzelnen Standorten für Erstaufnahmeeinrichtungen und Folgeunterkünfte differenziert aufführen. Inzwischen ist allen rund 16.000 Haushalten in den Erstaufnahmeeinrichtungen und den Einrichtungen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung ein Kostenfestsetzungsbescheid auf Grundlage der neuen Gebührenordnung für öffentlich veranlasste Unterbringung zugegangen. Im Übrigen: entfällt. 2. Wie ist die genaue Vorgehensweise der Erstellung und Zustellung der Bescheide? Welche Anweisungen von welcher Stelle gibt es dazu? f & w erstellt in den einzelnen Standorten die Kostenfestsetzungsbescheide für die öffentlich untergebrachten Haushalte und sorgt dafür, dass die Bewohner die Bescheide erhalten. Damit verbundene Widersprüche oder Härtefallanträge werden ebenfalls durch f & w abschließend bearbeitet. Diese Aufgaben nimmt f & w auch für die anderen Träger der öffentlichen Unterbringung wahr. In deren Aufgabe verbleibt jedoch, den einzelnen Haushalten die Bescheide zukommen zu lassen. a. Wie erklärt die zuständige Behörde das Unterbleiben einer Anhörung der Betroffenen vor Erlass der Kostenfestsetzungsbescheide als belastende Verwaltungsakte? Inwieweit hält sie dies für rechtlich zulässig? Zwar sehen sowohl § 24 SGB X als auch § 28 HmbVwVfG vor, dass einem Beteiligten Gelegenheit zu geben ist, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, wenn ein Verwaltungsakt erlassen werden soll, der in seine Rechte eingreift. Damit soll sichergestellt werden, dass der Einzelne vor einer Entscheidung zu Wort Drucksache 21/12094 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 kommt, damit er Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen kann. Durch diese Regelung sollen auch sog. Überraschungsentscheidungen vermieden werden. Dieses formelle Anhörungsrecht wird aber nicht dadurch verletzt, wenn vor der Gebührenerhebung – wie bei allen vergleichbaren Gebührenbescheiden – keine Anhörung stattfindet. Denn nach ganz herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist eine vor Erlass eines Gebührenbescheides unterbliebene Anhörung unschädlich, wenn sie heilbar ist. Dies ist hier der Fall, weil die Möglichkeit besteht, Widerspruch gegen den Gebührenbescheid zu erheben und innerhalb des Widerspruchsverfahrens die Äußerung nachzuholen. Da die Gebührensätze öffentlich bekannt sind, liegt auch keine sogenannte Überraschungsentscheidung vor. Siehe hierzu auch Antwort zu 3. b. Ist es zutreffend, dass alle Bescheide auf den 1.1.2018 datiert sind? Wenn ja, warum? Nein. Die Bescheide werden in der Regel zum Tag der Erstellung und Aushändigung an die Bewohner datiert. Wenn eine Aushändigung vor dem in Kraft treten der Änderung erfolgt, ist das Datum auf den Tag der Inkraftsetzung zu datieren. c. Wie wird festgehalten, wann die Bewohner/-innen jeweils den Bescheid erhalten haben? Die Bewohner quittieren den Empfang des Bescheides. d. Wie wird gewährleistet, dass alle Bewohner/-innen ein Exemplar des Bescheides für ihre Unterlagen beziehungsweise zur Veranlassung weiterer Schritte erhalten? Die Bewohner bekommen jeweils ein Exemplar (das Original) des Kostenfestsetzungsbescheides ausgehändigt. e. Welche Personen erhalten bei Ehepaaren beziehungsweise Familien jeweils Bescheide? Den Bescheid erhält der jeweilige Haushaltsvorstand. 3. Wie ist die Vorgehensweise, wenn Bewohner/-innen in den Sprechstunden von f & w geltend machen, dass ihre Einkommensverhältnisse nicht richtig erfasst sind? Bitte genau schildern. Zur Information der Bewohner siehe Drs. 21/11467 und 21/11542. Daneben weist f & w in der Beratung der Haushalte, die bekanntermaßen über ein eigenes Einkommen verfügen, darauf hin, dass Haushalte mit Einkommen ihre Einkommensnachweise zur Einkommensfeststellung vorlegen können, damit diese bei der Berechnung berücksichtigt werden können. f & w sind jedoch nicht alle Haushalte bekannt, die über eigenes Einkommen verfügen, zumal sich die Situation verändern kann. Deshalb gibt es die Möglichkeit, über einen Härtefallantrag oder einen Widerspruch eine Neuberechnung der Gebühr vornehmen zu lassen und die entsprechenden Einkommensnachweise vorzulegen. Diesem Anliegen kommt f & w selbstverständlich nach. 4. Wie viele Widersprüche wurden bislang eingelegt? a. In wie vielen Fällen haben Bewohner/-innen selbst Widerspruch eingelegt? b. In wie vielen Fällen waren sie anwaltlich vertreten? c. In wie vielen Fällen waren sonstige Bevollmächtigte tätig? d. Über wie viele Widersprüche wurde bereits entschieden? Wie vielen davon wurde abgeholfen, wie viele wurden abgelehnt? Falls es noch keine Entscheidungen gibt, wann ist damit zu rechnen? e. In wie vielen Fällen wurde gerichtlich beantragt, die aufschiebende Wirkung herzustellen beziehungsweise den Sofortvollzug auszusetzen ? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12094 3 Die eingegangenen Widersprüche werden von f & w statistisch nicht erfasst. Die Widersprüche werden dezentral bearbeitet. Eine händische Erfassung von mehreren Tausend ausgegebenen Bescheiden ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. f. Wird eine Gebührenpflicht ausgelöst, wenn Widerspruch eingelegt wird? Wenn ja, in welcher Höhe und auf welcher Rechtsgrundlage? Grundlage für die Erhebung einer Gebühr ist die Gebührenordnung für öffentlich veranlasste Unterbringung in der Fassung vom 05.12.2017 (mit der Ergänzung vom 13.02.2018, siehe Antwort zu 9.). Bei Inanspruchnahme der Leistung besteht die Verpflichtung , die dafür erforderliche Gebühr zu entrichten. Die Einlegung eines Widerspruches hebt diese Verpflichtung nicht auf. 5. Wie viele Härtefälle wurden bislang festgestellt? a. In wie vielen Fällen haben Bewohner/-innen selbst Anträge gestellt? b. In wie vielen Fällen waren sie anwaltlich vertreten? c. In wie vielen Fällen wurden Anträge durch sonstige Bevollmächtigte gestellt? d. In wie vielen Fällen haben Mitarbeiter/-innen von f & w Sachverhalte weitergegeben, die sie für Härtefälle hielten? e. In wie vielen Fällen hat die zuständige Behörde selbst die Initiative für die Prüfung eines Härtefalles ergriffen? Bisher sind bei f & w 122 Anträge eingegangen. Eine Auswertung im Sinne der Fragestellung konnte bisher noch nicht erfolgen (siehe Antwort zu 4. – 4. e.). f. Wie viele Härtefälle wurden bereits entschieden? Wie viele davon positiv, wie viele negativ? Falls es noch keine Entscheidungen gibt, wann ist damit zu rechnen? Abschließende Entscheidungen zu den Härtefallanträgen sind noch nicht erfolgt. f & w ist gerade dabei, sich mit der für die öffentliche Unterbringung zuständigen Behörde abzustimmen. Die Prüfungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. g. Inwieweit ist es im Rahmen der bestehenden Gebührenordnung denkbar, dass von der vollen auf die ermäßigte Gebühr herabgesetzt wird? Siehe Antwort zu 9. h. Wie wird hinsichtlich der Zahlungspflicht der Bewohner/-innen verfahren , während die Prüfung von Härtefällen läuft? Welchen Betrag müssen sie zahlen? Falls sie nicht vollständig zahlen müssen, wie bewertet die zuständige Behörde den Umstand, dass gegebenenfalls ein größerer Geldbetrag nachzuzahlen ist und daher die Gefahr der Verschuldung besteht? Während der Prüfung der Härtefallanträge wird die verminderte Gebühr in Höhe von 210 Euro pro Person und Monat berechnet. Eine Verschuldung wird dadurch möglichst vermieden. Ob eine Nachzahlung eines Differenzbetrages bei Ablehnung des Antrages erfolgen muss, wird im Einzelfall entschieden werden. 6. Wie viele Selbstzahler/-innen wurden bislang festgestellt? Wie viele davon mit der vollen Gebühr? Wie viele mit der ermäßigten Gebühr? Von mehreren Tausend Haushalten in der Unterbringung haben im Januar 2018 rund 1.600 Bewohner/Personen den reduzierten Gebührensatz gezahlt. Darunter befinden sich 109 Haushalte (= 141 Personen), deren Gebühr aufgrund der Stellung von Härtefallanträgen reduziert wurde. Die Anzahl der Personen, die als Selbstzahler die volle Gebühr entrichten, das heißt zum bisherigen Zeitpunkt noch keinen Härtefallantrag gestellt haben und dennoch Einkommensbezieher sind, ist jedoch nicht bekannt. Drucksache 21/12094 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 7. Welche Fallkonstellationen tauchen auf, die bei Erlass der Gebührenordnung nicht bedacht wurden? Im Wesentlichen können die Fallkonstellationen durch die in der Gebührenordnung formulierten Regelungen abgebildet werden. Es gibt jedoch auch Einzelfallkonstellationen , die gesondert betrachtet und geprüft werden müssen. Hierunter fallen zum Beispiel Familien mit mehr als vier Personen in einer Bedarfsgemeinschaft, Personen, deren Aufenthaltsstatus eine Wohnungsversorgung verhindert und denen damit die Handlungsalternative zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung fehlt, Personen in Ausbildung, die nicht über den Abschnitt 2.2. der Gebührenordnung zur öffentlich veranlassten Unterbringung abgedeckt sind. 8. Wird es eine Evaluation der Gebührenordnung geben? Wenn ja, wann und anhand welcher Kriterien? f & w steht im ständigen Austausch mit der zuständigen Behörde über die Erfahrungen mit der Umstellung der Gebühren. Das Gleiche gilt auch für die Grundsicherungsämter der Bezirke und Jobcenter team.arbeit.hamburg (t.a.h). Alle Beteiligten haben darüber hinaus vereinbart, sich nach einem angemessenen Zeitraum noch einmal mit den Erfahrungen, die im Einzelnen gemacht wurden, auszutauschen und über Auswirkungen auf das Verfahren im Zusammenwirken zu sprechen. 9. Sind bereits Änderungen der Gebührenordnung geplant? Wenn ja, welche Änderungen sind vorgesehen, wann sollen sie beschlossen werden und ab wann sollen sie gelten? Der Senat hat am 13.02.2018 zur Klarstellung beschlossen, die in Nummer 4 Satz 1 der Anlage zur Gebührenordnung für öffentlich veranlasste Unterbringungen vom 5.12.2017 getroffen Härteregelung rückwirkend zum 01.01.2018 wie folgt zu ändern: „Eine Gebühr wird nicht oder nur teilweise erhoben, soweit dies zur Abwendung einer besonderen persönlichen Härte geboten ist oder ein überwiegendes öffentliches Interesse an dem Verzicht besteht.“ (HmbGVBl 2018 Nummer 6, Seite 42: http://www.luewu.de/gvbl/docs/2226.pdf.) Mit der Härteregelung sollte auch die Möglichkeit geschaffen werden, dass Personen, die nach der bis zum 31.12.2017 geltenden Regelung durchschnittlich 140 Euro monatlich bezahlt haben, die volle Gebühr von 587 Euro in Härtefällen nur anteilig zu zahlen haben. Weitere Änderungen sind derzeit nicht vorgesehen.