BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12095 21. Wahlperiode 27.02.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 20.02.18 und Antwort des Senats Betr.: Salafistische und jihadistische Mädchen und Frauen – Wie reagiert der Senat? Es werden immer mehr Fälle bekannt, in dem sich Mädchen und junge Frauen radikalisieren und auch der salafistischen und jihadistischen Szene anschließen. Von den rund 950 Islamisten aus Deutschland, die über die Jahre Richtung Syrien und Irak ausgereist sind, sind 20 Prozent weiblich (vergleiche https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/brennpunkte_nt/article1698 16328/Angst-vor-jungen-Dschihadisten-in-Deutschland.html). Nach Angaben des Senats (Stand Juni 2017) leben 80 dem salafistischen Spektrum und 30 dem jihadistischen Spektrum zuzuordnende Frauen in Hamburg (vergleiche Drs. 21/9440). Der Senat, die Sicherheitsbehörden und die Stadt Hamburg stehen 2018 vor der Aufgabe, einen Umgang einerseits mit den Frauen der wachsenden salafistischen Szene in Hamburg als auch mit zurückkehrenden Frauen aus salafistischen Kampfgebieten zu finden. Dies stellt nicht nur eine besondere Aufgabe dar, weil immer deutlicher wird, dass Frauen eine größere Rolle in salafistischen und jihadistischen Communities einnehmen als lange vermutet wurde, sondern auch, weil junge Frauen nicht selten als Mütter mit mehreren Kindern zurückkehren (vergleiche https://www.heise.de/tp/features/Die- Braeute-Allahs-und-ihre-verborgenen-Netzwerke-3928461.html?seite=all). Die salafistischen und jihadistischen Netzwerke in Deutschland und damit auch in Hamburg bekommen eine neue Dimension, da Kinder und jungen Menschen in salafistisch/jihadistischen Familien aufwachsen und über die Kindererziehung frühzeitige Berührungspunkte mit solchen Ideologien bestehen . Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie ist die Lageeinschätzung des Hamburger Senats und der Sicherheitsbehörden zur Position und Rolle von salafistischen/jihadistischen Mädchen und jungen Frauen in Hamburg? a. Sind dem Senat organisatorische oder koordinierende Positionen innerhalb der salafistischen/jihadistischen Szene in Hamburg bekannt, die durch Frauen besetzt sind? Siehe Drs. 21/5139. Drucksache 21/12095 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Wie haben sich die Zahlen von Salafistinnen und Jihadistinnen seit der Abfrage in Drs.21/5139 in Hamburg entwickelt? Bitte aufschlüsseln nach Alter, Nationalität und Gruppierung/Verein/Organisation. Salafistinnen Jihadistinnen unter 18 Jahre 2 2 18 – 21 Jahre 11 8 22 – 34 Jahre 34 20 35 Jahre und älter 32 3 ohne Geb.datum 0 0 Gesamtzahl 79 33 Eine Aufschlüsselung nach Nationalität liegt nur für die Gesamtzahl der Salafisten /Jihadisten vor, eine weitere geschlechtsspezifische Differenzierung wird statistisch nicht erhoben. Bezogen auf die zum Stichtag 31. Dezember 2017 erhobene Gesamtzahl besitzen 71,2 Prozent der Salafisten die deutsche Staatsangehörigkeit, 7,5 Prozent sind Türken und 3,6 Prozent Afghanen. 41,1 Prozent der Jihadisten sind deutsche Staatsangehörige. Unter den sonstigen Nationalitäten ragen die Afghanen (12,8 Prozent), die Somalier (9,2 Prozent), die Syrer (7,8 Prozent) und die Türken (5,4 Prozent ) heraus. Im Übrigen siehe Drs. 21/5139. 3. Welche islamistischen/salafistischen/jihadistischen Gruppierungen sind dem Senat und den Sicherheitsbehörden bekannt, die sich speziell an Mädchen und junge Frauen richten? Bitte nach Gruppierung, Mitgliederanzahl und ideologischer Einrichtung auflisten. a. Wie und wo werben diese Gruppen neue Mitglieder? b. Wo treffen sich diese Gruppierungen? Siehe Drs. 21/5139. 4. Wie viele der Rückkehrer aus Kampfgebieten von islamischen/ jihadistischen Gruppierungen wie dem Islamischen Staat sind seit 2016 bis zum jetzigen Zeitpunkt nach Kenntnissen des Senates und der Sicherheitsbehörden weiblich? Bitte nach Alter aufschlüsseln. Rückkehrerinnen 26 – 34 Jahre 1 Gesamtsumme 1 a. Wie viele als Gefährderinnen eingestufte Personen in Hamburg sind Frauen? b. Gegen wie viele als Gefährderinnen eingestufte Frauen in Hamburg laufen strafrechtliche Maßnahmen? Welche? Keine. Im Übrigen entfällt. 5. Wie viele der 30 jihadistischen Frauen (Stand Juni 2017; Drs.21/9440) aus Hamburg sind bis zum jetzigen Zeitpunkt ausgereist und gegebenenfalls zurückgekehrt oder verstorben? Syrienreisende Frauen unter 18 Jahre 0 18 – 21 Jahre 6 22 – 25 Jahre 3 26 – 34 Jahre 4 35 Jahre u.ä. 2 Ohne Geb.datum 0 Gesamtsumme 15 Dem LfV Hamburg liegen keine Erkenntnisse hinsichtlich Frauen vor, die nach Syrien ausgereist und verstorben sind. Im Übrigen siehe Antworten zu 3. und zu 4. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12095 3 a. Wie viele dieser Frauen halten sich weiterhin in der salafistischen/ jihadistischen Szene auf? b. Wie viele der gegebenenfalls zurückgekehrten Frauen haben den Kontakt zur salafistischen/jihadistischen Szene wieder aufgenommen ? Alle. c. Wie viele der 30 jihadistischen Frauen haben den Kontakt zu Szene nicht wieder aufgenommen und sind gegebenenfalls zu Beratungsstellen gegangen? Dem LfV Hamburg sind keine Frauen bekannt, die nicht wieder Kontakt zur Szene aufgenommen haben. 6. Wie viele Mädchen und junge Frauen haben seit 2016 bis zum jetzigen Zeitpunkt Beratungsstellen, Aussteigerprogramme oder präventive Angebote aufgesucht? Bitte nach Fachstelle und Alter auflisten. a. Wie viele Erziehungsberechtigte von sich radikalisierenden Mädchen und Frauen haben in dem oben gefragten Zeitpunkt Kontakt zu Beratungsstellen et cetera aufgenommen? Für die Beratung radikalisierter Mädchen und Frauen ist die Beratungsstelle Legato zuständig, die in der Regel von Angehörigen radikalisierter Personen in Anspruch genommen wird. Legato hat seit 2016 eine niedrige einstellige Zahl von distanzierungswilligen Mädchen und jungen Frauen im Alter bis 27 Jahre betreut. Die Erziehungsberechtigung der beratenen Personen wird statistisch nicht erfasst. Bei den Bezirksämtern gibt es keine Erhebungen im Sinne der Fragestellungen. Die Offene Kinder- und Jugendarbeit hält niedrigschwellige Angebote vor, das heißt es können Kinder und Jugendliche diese als präventiv zu bezeichnenden Angebote wahrnehmen, ohne dass den Fachkräften gegebenenfalls familiäre Hintergründe der Besucherinnen bekannt sind. 7. Welche Maßnahmen wurden vonseiten des Senates zum präventiven Umgang mit weiblichen Salafistinnen und Jihadistinnen entwickelt? Alle Maßnahmen, die das Senatskonzept „Effektive Maßnahmen gegen gewaltbereiten Salafismus und religiösen Extremismus ergreifen“ (Drs. 21/5039) vorsieht, sind für Zielgruppen aller Geschlechter vorgesehen, dabei werden Genderaspekte durchgehend berücksichtigt. Zu speziellen Angeboten für Mädchen und Frauen siehe Drs. 21/5139, 21/10592, 21/10481, 21/10107 und 21/10986. a. Wie viele Teilnehmerinnen nahmen seit September 2017 an dem Bildungs- und Gesprächsangebot in der Gemeinde Muslimisches Integrationszentrum e.V. in Rothenburgsort teil? Bitte nach Alter und Teilnahme aufschlüsseln. Den zuständigen Behörden liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. b. Wie ist der Stand in der Prüfung der Justizbehörde in Bezug auf die Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle Legato zur Erweiterung mit frauenspezifischen Präventionsprojekten im Justizvollzug? Es gibt eine enge Kooperation zwischen der Justizbehörde und dem Projekt PräJus der Beratungsstelle Legato, siehe Drs. 21/10987. Die derzeitigen Maßnahmen sind für weibliche und männliche Gefangene gleichermaßen geeignet. Zurzeit befinden sich keine salafistischen oder jihadistischen Frauen im Hamburger Justizvollzug. c. Inwiefern gibt es eine Zusammenarbeit mit Stellen wie der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und der Familienhilfe? Der Begriff „Familienhilfe“ ist nicht eindeutig. Es wird davon ausgegangen, dass damit die Familienförderung der Bezirke gemeint ist. Vor diesem Hintergrund gibt es in den Stadtteilen St. Georg, Wilhelmsburg und Billstedt im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ Projekte zur Radikalisierungsprävention, die unter anderem mit Drucksache 21/12095 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 der offenen Kinder- und Jugendarbeit und Familienhilfe beziehungsweise Familienförderung kooperieren. Die Offene Kinder- und Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit leistet einen für Mädchen und junge Frauen im Rahmen der Prävention wichtigen Beitrag. Sie trägt wesentlich zur Identitätsfindung bei und stärkt Sozialkompetenzen und aktiviert demokratische Prozesse. Im Bezirk Harburg gibt es zwei Mädcheneinrichtungen: - Mädchentreff Harburg - Mädchenclub Neuwiedenthal Zusätzlich gibt es in den OKJA-Einrichtungen genderspezifische Angebote für Mädchen und junge Frauen (Mädchengruppen/Mädchentage und spezielle Projekte mit mädchenspezifischen Inhalten). Beim Projekt „AL Wasat – Die Mitte“ können ebenso Fachkräfte und Jugendliche zum Thema Deradikalisierung in Workshops und Seminaren Unterstützung bekommen. Zudem sind über sozialräumliche Gremien, Fachveranstaltungen und Arbeitskreise die Einrichtungen wie der Offenen Kinder- und Jugendarbeit die Beratungsstellen bekannt, um bei Bedarf Beratung und Unterstützung zu erhalten. Beratung können sich alle Fachkräfte der Jugend- und Familienhilfe direkt bei Legato – Ausstiegsberatung und Fachstelle für religiös begründete Radikalisierung einholen. Darüber hinaus erfolgt eine Zusammenarbeit gegebenenfalls anlassbezogen. Im Übrigen siehe Drs. 21/10986.