BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12200 21. Wahlperiode 09.03.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 01.03.18 und Antwort des Senats Betr.: Wann werden Schulen in freier Trägerschaft in Hamburg endlich ausreichend finanziell unterstützt? (III) Immerhin 10 Prozent der Hamburger Schüler besuchen Schulen in freier Trägerschaft. Für den Senat ist es allerdings offenbar kein Problem, diese Schüler gegenüber Schülern an staatlichen Schulen schlechter zu stellen. Die bevorstehenden Schließungen von mehreren katholischen Schulen haben den Blick auf die Schülerjahreskosten gelenkt, auf deren Basis die Freie und Hansestadt Hamburg sich an der Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft beteiligt. Im Hamburgischen Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft (HmbSfTG) steht in § 15: „Schülerjahreskosten sind die Kosten für eine Schülerin oder einen Schüler einer staatlichen Schule, bezogen auf die jeweilige Schulform, Schulstufe und Organisationsform und bei Sonderschulen auf den jeweiligen Förderschwerpunkt oder die jeweiligen Förderschwerpunkte .“ 85 Prozent dieses ermittelten Betrages würde die Freie und Hansestadt Hamburg an die Schulträger je Schüler zahlen. Allerdings wurde im Rahmen der Debatte auch deutlich, dass die Schülerjahreskosten nicht auf den real anfallenden Kosten je Schüler je Schulart basieren, wie man nach Lektüre des HmbSfTG eigentlich hätte annehmen können, sondern auf einer vom Senat erstellen komplizierten Kalkulation, die deutlich unter den realen Kosten liegt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Schülerjahreskosten setzen sich aus einer Vielzahl von einzelnen Bausteinen zusammen. Daher ist es nur begrenzt aussagekräftig, einzelne Kostenbestandteile für sich zu betrachten. Den Privatschulen werden summierte Zuschüsse gewährt, die die Träger flexibel und bedarfsgerecht zur Finanzierung einsetzen können. Deshalb ist die Gesamtsumme entscheidend, nicht eine einzige Kennzahl. Diese Gesamtförderung der Privatschulen ist im Verhältnis zu anderen Bundesländern, aber auch zu der Hamburger Finanzierung der Vorjahre dank erheblicher Anpassungen sehr hoch. Bis 2004 hat Hamburg nur 65 Prozent der staatlichen Schülerjahreskosten erstattet. Damals wurde beschlossen, den Anteil schrittweise bis 2011 auf 85 Prozent zu erhöhen . Die Erhöhung des Prozentanteils und die gestiegenen Schülerjahreskosten führen zu einer im Bundesvergleich hohen Förderung. So erstattet Hamburg einer Privatschule heute beispielsweise für einen Grundschüler durchschnittlich rund 5.510 Euro pro Jahr (ohne Ganztagsförderung), das sind rund 30 Prozent mehr als Schleswig-Holstein finanziert. Das Fördermodell stellt verlässlich sicher, dass Verbesserungen im staatlichen Schulsystem – wie zum Beispiel die Einstellung von mehr Lehrkräften für kleinere Klassen oder auch Tariferhöhungen – über die dann steigenden Schülerjahreskosten auch den Privatschulen zugutekommen. So erhielten beispielsweise die katholischen Privat- Drucksache 21/12200 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 schulen im Jahr 2004 für 9.202 Schülerinnen und Schüler eine Finanzhilfe 33,3 Millionen Euro. 2017 erhielten die katholischen Privatschulen für 9.027 Schülerinnen und Schüler dagegen 52,4 Millionen Euro. Unter Berücksichtigung der Schülerzahlen entspricht das einer Steigerung der Finanzhilfe um über 60 Prozent. Die allgemeine Kostenentwicklung lag in diesem Zeitraum bei knapp 20 Prozent. Dass die Finanzierung der Privatschulen auskömmlich ist, zeigt schon das unveränderte Interesse, solche Schulen in Hamburg neu zu gründen. Bei der Finanzierung sind die strukturellen Unterschiede zwischen staatlichen Schulen und privaten Schulen zu beachten. So können Privatschulen unter günstigeren Bedingungen wirtschaften als der Staat. Das gilt zum Beispiel für Schulgebäude. So muss die Stadt auch in teuersten und schwierigsten Lagen Schulgebäude vorhalten, beispielsweise die Inselschule Neuwerk für einen einzigen Schüler, einzügige Schulen in Randgebieten oder kostenintensive Gebäude und Flächen in teuren Stadtlagen. Privatschulen werden genau prüfen, ob es für sie betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, in Gebieten mit hohen Grundstückskosten schulische Angebote zu unterbreiten. Im Übrigen siehe Drs. 21/11765 und 21/11840. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Der Senat hebt in den Drs. 21/11765 und 21/11840 hervor, dass Privatschulen gezielt preiswerte Schulgebäude nutzen können. Was ist in diesem Fall unter „preiswert“ zu verstehen und inwiefern hätte dies Auswirkungen auf Eignung des Gebäudes als Schule? Siehe Vorbemerkung sowie Drs. 21/11765 und 21/11840. 2. In Drs. 21/11413 heißt es, dass wenn alle Schüler von Schulen in privater Trägerschaft auf staatliche Schulen gehen müssten, der Freien und Hansestadt Hamburg „kalkulatorische Mehraufwendungen in Höhe von 15 Prozent“ der jetzt gezahlten Finanzhilfe an die Privatschulen entstehen würden. Doch wie hoch wären die real zu erwartenden jährlichen Mehraufwendungen? Der nicht kalkulatorische, sondern der „real zu erwartende“ Mehraufwand wäre abhängig von der Verteilung der etwa 20.000 Schülerinnen und Schüler, die gegenwärtig Ersatzschulen besuchen, auf die bestehenden staatlichen Schulen. Mehr- oder Minderkosten entstünden je nach Auslastung der angewählten Schulen. So würde die Aufnahme eines Schülers in einer unterfrequenten Klasse real kaum mehr Kosten verursachen, weil die gesamte Infrastruktur wie zum Beispiel das Personal sowie die Gebäude bereits vorhanden sind. Außerdem wären bei der Berechnung gegenläufige Effekte zu berücksichtigen, weil steuerliche Mehreinnahmen wegen des Wegfalls der steuerlichen Privilegierung von Schulgeldzahlungen und Spenden der Eltern entstünden . Eine solche rein hypothetische Berechnung ist nicht möglich. 3. Der Senat betont auch, dass Privatschulen keine Flächen in teuren Stadtlagen belegen müssen. Allerdings müssen auch Privatschulen ihre Standorte dort haben, wo zumindest ein Großteil ihrer Schüler anzutreffen ist. Außerdem ist Hamburg eine Großstadt mit entsprechend teuren Grundstückspreisen, in denen selbst vom Staat subventionierte Sozialwohnungen 6,20 Euro je Quadratmeter Kaltmiete kosten. Wieso hält der Senat trotz steigender Immobilienpreise und Mieten in Hamburg und steigenden Kosten für Sanierungen und Modernisierungen an 7 Euro je Quadratmeter bei Schulen in privater Trägerschaft seit eineinhalb Jahrzehnten fest? Siehe Drs. 21/11765 und 21/11840. 4. In Drs. 20/12845 begründet der Senat den Umstand, dass er keinen sich an den realen Mietkosten der städtischen Schulen orientierenden Betrag zahlt, sondern eine kalkulatorische Miete ermittelt, damit, dass Privatschulen nicht an begrenzende Schülerzahlen je Klasse gebunden sind. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12200 3 Im Umkehrschluss bedeutet das aber, dass, weil der Senat keinen realistischen finanziellen Ausgleich zahlt, Privatschulen genötigt sind, beispielsweise statt wie bei staatlichen Grundschulen maximal 23 Kinder je Klasse zuzulassen, auch 35 Kinder in eine Klasse (trotz bis zu 200 Euro Schulgeld der Eltern monatlich je Schüler) zu akzeptieren. Inwieweit sieht der Senat hier die Gleichbehandlung zwischen Schülern an staatlichen und privaten Schülern gewahrt? Das Grundrecht auf Gründung und Betrieb privater Schulen soll im Interesse des Erziehungsrechtes der Eltern aus Artikel 6 Grundgesetz die pädagogische und konfessionelle Vielfalt des Schulwesens sicherstellen. Weder ist ratio legis die Ersparnis von Haushaltsmitteln noch ist der Staat gehalten, für Schüler an Ersatzschulen genau das aufzuwenden, was auch für einen Schüler an einer staatlichen Schule aufzubringen wäre. Teil der Ersatzschulfreiheit ist auch die Freiheit in schulorganisatorischen und betrieblichen Fragestellungen, solange die Qualität in der Vermittlung von schulischen Abschlüssen gewahrt bleibt. Das in Hamburg etablierte Angebot an Ersatzschulen entspricht den Wünschen der Eltern dieser Schülerinnen und Schüler. Die Finanzierung der Ersatzschulen in Hamburg ist im Ländervergleich vorbildlich und entsprich voll den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes. 5. Im HmbSfTG ist von Differenzierung nach unterschiedlichen Schulformen die Rede. Drs. 21/10994 schlüsselt zudem die Miete je Quadratmeter nach unterschiedlichen Gebäudeklassen und Schulformen sowie für die unterschiedlichen Nutzungsarten im Detail auf und offenbart eine Preisspanne von 7 bis 19 Euro je Quadratmeter. Bei der kalkulatorischen Miete wird jedoch unabhängig von der Schulform mit 7 Euro je Quadratmeter gerechnet. Wieso gibt es bei den Privatschulen keine Differenzierung nach Schulform, wie das HmbSfTG es vorsieht? Und wieso sieht der Senat hier keinen Verstoß gegen das HmbSfTG? Die Berechnung der kalkulatorischen Kaltmiete ergibt sich aus einem Quadratmeterpreis von 7 Euro multipliziert mit den Quadratmeterzahlen pro Schüler je Schulform aus dem Musterflächenprogramm. Somit berücksichtigt die Berechnung die Unterschiedlichkeit der Schulformen durchaus. Siehe auch Drs. 21/11765. 6. Drs. 21/11929 informiert darüber, dass die Mietnebenkosten je nach Gebäudestruktur etwa ein Drittel bis zur Hälfte der umgerechnet 1.559,43 Euro je Schüler an einem staatlichen Gymnasium ausmachen. Privatschulen, die nur 7 Euro je Quadratmeter an Kaltmiete erhalten, würden allerdings auch noch „erheblich Erstattungsbeträge für die Mietnebenkosten“ erhalten. a) Wie wird der Erstattungsbetrag für die Mietnebenkosten ermittelt und wie hoch ist er je Quadratmeter? b) Ist er für alle Schulformen gleich? c) Welchen Einfluss hat hier die Gebäudestruktur? Sollte sie keinen haben, warum nicht, schließlich ist das bei den staatlichen Schulen doch der Fall? Zur Berechnungssystematik siehe Drs. 21/11765. Die der Berechnung zugrunde liegenden Bewirtschaftungskosten werden den Daten der Haushaltsveranschlagung entnommen, hier aus dem Haushaltsplan 2017/2018, Planzahlen 2017. Schulform Grundschule Sonderschule Stadtteilschule Gymnasium Berufliche Schulen Bewirtschaftungskosten pro m² und Jahr innerhalb der Schülerkostensätze (85%) 96,47 EUR 46,15 EUR 73,49 EUR 80,04 EUR 71,60 EUR Quelle: Daten der zuständigen Behörde Drucksache 21/12200 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 7. Bezüglich der nicht erfolgten Berücksichtigung von Verwaltungskosten im Schülerjahreskostensatz erwähnt der Senat in Drs. 21/11765, dass es sich „überwiegend“ um Aufwandspositionen handele, die von der Schulbehörde geleistet werden würden. „Überwiegend“ heißt nicht „ausschließlich “. Welche Verwaltungskosten, die an den Schulen direkt anfallen , werden aus welchen Gründen jeweils gar nicht oder nicht vollständig im Schülerjahreskostensatz berücksichtigt? In der Fragestellung wird die Antwort des Senates in Drs. 21/11765 sinnentstellend zitiert, der Senat hatte geantwortet, dass es sich bei den zentralen Aufgaben überwiegend um solche ministerieller Natur handele. Alle in den Schulen direkt anfallenden Verwaltungskosten werden bei der Berechnung der Schülerjahreskosten berücksichtigt . 8. Wie hoch waren die Gesamtkosten (Personal, Miete, IT, Sachmittel und so weiter) je Schulform im Jahr 2016 bei jeweils welcher Schülerzahl in dieser Schulform und wie hoch waren somit die real entstandenen Kosten je Schüler je Schulform? Wie hoch ist jeweils die Differenz (Betrag und in Prozent) zu den „Schülerjahreskosten“ 2016 je Schulform? Siehe www.hamburg.de/schulstatistiken sowie Anlage 2 zur Drs. 21/10405 (Haushaltsrechnung 2016, Einzelplan 3.1 Behörde für Schule und Berufsbildung). Andere als die dort aufgeführten Schülerjahreskosten werden nicht kalkuliert.