BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12225 21. Wahlperiode 09.03.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Carl-Edgar Jarchow und Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 01.03.18 und Antwort des Senats Betr.: Benachrichtigungspraxis von Tatverdächtigten bei Strafverfahren wegen versuchter Strafvereitelung Im Rahmen der Ereignisse um den G20-Gipfel im Hamburg wurde am 8. Juli 2017 ein Strafverfahren gegen Stanislaw B. mit dem Tatvorwurf eingeleitet, eine Straftat gegen das Versammlungsgesetz sowie gegen das Waffen- und das Sprengstoffgesetz begangen zu haben. Im Rahmen dieses Strafverfahrens kam es am 9. Juli 2017 zu einer Hauptverhandlung von dem Amtsgericht Hamburg-Mitte sowie zu einer am 25. Januar 2018 eröffneten Berufungsverhandlung . In der Berufungsverhandlung wurde eine in Berlin wohnhafte Zeugin vernommen, die ihre bereits im Juli gegenüber dem Verteidiger des in Untersuchungshaft sitzenden Stanislaw B. schriftlich getätigte Aussage bestätigte. Wegen dieser, den Beschuldigten möglicherweise entlastenden Aussage war gegen sie ein Strafverfahren wegen versuchter Strafvereitelung von der Staatsanwaltschaft Hamburg eingeleitet worden. Während ihrer Zeugenaussage in der Berufungsverhandlung am 25. Januar 2018 führte die geladene und erschienene Zeugin glaubhaft und unwidersprochen aus, von dem gegen sie in Hamburg eingeleiteten Strafverfahren erst zu Beginn ihrer Vernehmung durch das Gericht erfahren zu haben. Dass Beschuldigte von einem gegen sie laufenden Strafverfahren offenbar erst rund sechs Monate nach Einleitung des Verfahrens Kenntnis erlangen und dies lediglich aus Anlass einer Zeugenladung geschieht, wirft Fragen zur Strafverfolgungspraxis sowie zum prozessualen Umgang damit auf. Daher fragen wir den Senat: 1. Warum wurde die betreffende Zeugin rund sechs Monate lang nicht über das gegen sie durch die Freie und Hansestadt Hamburg eingeleitete Strafverfahren wegen versuchter Strafvereitelung in Kenntnis gesetzt? 2. Warum wurde die Zeugin bei den erfolgten Ladungen zu den Verhandlungen im Prozess nicht über das gegen sie laufende Verfahren informiert ? Zu welchem Zeitpunkt einer beschuldigten Person im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens rechtliches Gehör anzubieten ist, entscheidet die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Sachaufklärungspflicht. In Verfahren wegen des Verdachts der versuchten Strafvereitelung oder der uneidlichen Falschaussage wird in der Regel der Ausgang des Bezugsverfahrens abgewartet. Dies geschieht deshalb, weil in dem Ursprungsverfahren im Rahmen der Hauptverhandlung Informationen anfallen können, die auch für das Verfahren wegen des Verdachts der versuchten Strafvereitelung bedeutsam sind. Wird der Verdacht der versuchten Strafvereitelung bestärkt, kann der beschuldigten Person auf einer verbreiterten Tatsachengrundlage rechtliches Gehör angeboten wer- Drucksache 21/12225 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 den. Entfällt der Verdacht der versuchten Strafvereitelung, kann das Verfahren ohne weitere Ermittlungen eingestellt werden. Sofern eine Zeugin beziehungsweise ein Zeuge sich oder eine ihr beziehungsweise ihm nahestehende Person (§ 52 Absatz 1 StPO) bei wahrheitsgemäßer Beantwortung von Fragen der Gefahr aussetzen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, so ist er beziehungsweise sie gemäß § 55 StPO über dieses Auskunftsverweigerungsrecht zu belehren. Im vorliegenden Fall befindet sich die Ermittlungsakte des Verfahrens gegen die Beschuldigte zurzeit als Beiakte zum Bezugsverfahren beim Landgericht Hamburg. Die Beschuldigte soll eine versuchte Strafvereitelung zugunsten des Angeklagten in dem Bezugsverfahren begangen haben. 3. Erfolgte im Rahmen des Verfahrens eine Belehrung der Zeugin über ihr Recht auf Zeugenbeistand? Wenn ja, wann und wie und falls nein, warum nicht? Ist dieses Vorgehen in der Freien und Hansestadt Hamburg üblich? Die Stellung eines Zeugenbeistands ist in § 68b StPO geregelt. Die Vorschrift enthält keine generelle Belehrungspflicht einer Zeugin beziehungsweise eines Zeugen dahin gehend, dass er sich eines Zeugenbeistands bedienen kann. Vielmehr erfolgt die Bestellung eines Zeugenbeistands von Amts wegen nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts gemäß § 68b Absatz 2 StPO. 4. Wie lange dauert es im Hoheitsbereich der Freien und Hansestadt Hamburg durchschnittlich, bis Beschuldigte über ein gegen sie betriebenes Strafverfahren informiert werden? Von welchen Kriterien hängt dieser Zeitraum ab und von welchen besonderen Kriterien darüber hinaus in nicht durchschnittlichen Fällen? Die Staatsanwaltschaft entscheidet im Rahmen ihrer Sachaufklärungspflicht unter Berücksichtigung der in der Antwort zu 1. dargelegten Gesichtspunkte über den Zeitpunkt der Bekanntgabe. Erkenntnisse über die durchschnittliche Dauer von der Einleitung eines Verfahrens bis zur Bekanntgabe liegen nicht vor, da die entsprechenden Daten im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem der Staatsanwaltschaft MESTA nicht erfasst werden. 5. Werden mögliche oder benannte Zeugen in anderen Verfahren über gegen sie laufende Strafverfahren bevorzugt oder beschleunigt informiert , insbesondere wenn es sich in dem anderen Verfahren um eine Haftsache handelt, die vorrangig verhandelt wird? Wenn nein warum nicht und wie stellt der Senat sicher, dass diese als Zeuge und Beschuldigte betroffenen Person ihre Rechte als Zeuge wie auch als Beschuldigte effektiv wahrnehmen kann? Wie gestaltet sich diese Praxis beim Tatvorwurf der versuchten Strafvereitelung gegen Zeugen? Siehe Antwort zu 1. und 2. Die Rechte von Zeuginnen und Zeugen und Beschuldigten werden durch die maßgeblichen Vorschriften der Strafprozessordnung umfassend gewährleistet. 6. In wie vielen Fällen eingeleiteter Verfahren wegen versuchter Strafvereitelung gegen Zeugen kam es in 2014, 2015, 2016 und 2017 zu einer späteren Anklageerhebung und/oder in wie vielen Fällen wurden die Verfahren nach welchem durchschnittlichen Zeitablauf aus welchen Gründen eingestellt? (Bitte um getrennte Darstellung nach Jahren.) Im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem der Staatsanwaltschaft MESTA werden einzelne Umstände registrierter Verfahren wegen Strafvereitelung (§ 258 StGB) nicht erfasst. Insbesondere wird nicht zuverlässig dokumentiert, ob der Tatvorwurf im Zusammenhang mit einer Zeugenaussage steht. Für die Beantwortung der Frage müssten daher sämtliche wegen des Vorwurfs der Strafvereitelung erfasste Vorgänge händisch ausgewertet werden. Hierbei handelt es sich bezogen auf die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12225 3 Aktenzeichenjahrgänge 2014 bis 2017 um Verfahren gegen annähernd 500 Beschuldigte . Eine Beiziehung und Auswertung der relevanten Verfahrensakten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.