BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12234 21. Wahlperiode 13.03.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Philipp Heißner (CDU) vom 05.03.18 und Antwort des Senats Betr.: Psychologische Betreuung von Flüchtlingskindern Für geflüchtete Kinder und Jugendliche sind traumatische Fluchterfahrungen besonders gravierend, weil sie altersbedingt oft noch keine ausreichenden Fähigkeiten zur Einordnung des Erlebten besitzen. Dies gilt sowohl für Kinder , die mit ihren Eltern geflüchtet sind, als auch im besonderen Maß für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge. Eine Traumatherapie, um das Erlebte zu verarbeiten, ist bei ihnen besonders wichtig, auch damit die Integration in unsere Gesellschaft gelingen kann und die Gefahr von Folgeschäden minimiert wird. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Krankenhäuser mit pädiatrischen beziehungsweise kinder- und jugendpsychiatrischen Fachabteilungen in Hamburg wie folgt: 1. Welche institutionellen Angebote zur Traumatherapie bestehen für Geflüchtete allgemein und für geflüchtete Kinder und Jugendliche im Besonderen bei welchen Trägern beziehungsweise Organisationen? Zur Feststellung und Behandlung etwaiger psychischer Störungen und Erkrankungen stehen Flüchtlingen alle Einrichtungen der psychiatrischen beziehungsweise kinderund jugendpsychiatrischen Versorgung in Hamburg sowie alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und Psychotherapeutinnen und -therapeuten zur Verfügung. Im Übrigen siehe Drs. 21/10281, Drs. 21/11526, Drs. 21/4818, Drs. 21/4586, Drs. 21/3953, Drs. 21/1511 und Drs. 21/947. Darüber hinaus werden in Erstaufnahmeeinrichtungen (EA) Trauma beziehungsweise Stabilisierungssprechstunden angeboten, siehe Drs. 21/11526 und Drs. 21/10607. Zu weiteren Projekten und Angeboten siehe Drs. 21/8893, Drs. 21/7325 und Drs. 21/6411. Zur kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge im Landesbetrieb Erziehung und Beratung (LEB) siehe Drs. 21/11526 und Drs. 21/11704 2. Arbeiten diese Träger mit Schulen und Kindergärten zusammen? Mit der Stiftung „Children for Tomorrow” startete die für Bildung zuständige Behörde 2017 in der Grundschule Osterbrook das gemeinsame Pilotprojekt „HonigHelden! – Kinder für morgen stark machen“. Ziel dieses bundesweit einmaligen Projektes ist es, traumatisierten Grundschulkindern mit Fluchterfahrung Therapieangebote direkt vor Ort zu machen. Siehe auch http://www.hamburg.de/bsb/pressemitteilungen/ 10564724/2018-02-22-bsb-honighelden/. Drucksache 21/12234 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die Zusammenarbeit der Kindertageseinrichtungen mit den in 1. benannten Angeboten erfolgt nach den jeweiligen Notwendigkeiten des Einzelfalls. Die für Kindertagesbetreuung zuständige Behörde hat darüber hinaus die Elbkinder – Vereinigung Hamburger Kitas gGmbH gebeten, entsprechende Auskünfte zu erteilen. Die Elbkinder Vereinigung Hamburger Kitas gGmbH arbeiten eng mit dem Pädagogischen Therapeutischen Fachzentrum zusammen, mit dem sie inzwischen in allen ihren acht Kreisen (damit erreichen sie alle ihre Kitas) Fachtagungen veranstaltet haben. 3. Welche Weiterbildungsangebote gibt es für Lehrer sowie für Mitarbeitende in Kindergärten, um Traumatisierungen bei Kindern und Jugendlichen zu erkennen? Die „Fachstelle für Schülerinnen und Schüler mit Fluchterfahrungen“ unterstützt und berät die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ) und das Beratungszentrum Pädagogik bei Krankheit (BBZ) zu allen Fragen, die geflüchtete Schülerinnen und Schüler betreffen, beispielsweise zu den Themen Traumatisierung, Traumapädagogik, Unterricht mit Geflüchteten. Die Fachstelle arbeitet in Netzwerken mit Personen, Institutionen und Fachbehörden, die im Bereich Migration und Flüchtlingshilfe tätig sind, zusammen. Sie bietet in Kooperation mit dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) Fortbildungen für Schule zu folgenden Themenbereichen an: - psychische Auswirkungen von Fluchterfahrungen und Traumapädagogik, - kultursensibler Umgang mit Behinderung und psychischen Erkrankungen, - pädagogische und sonderpädagogische Diagnostik bei Schülerinnen und Schülern mit Fluchterfahrungen und mangelnden Deutschkenntnissen, - Anregung schulischer Konzepte und Projekte, die Schülerinnen und Schülern mit Fluchterfahrungen notwendige Bedingungen für ihre Entwicklung bieten (zum Beispiel : „sicherer Ort“). Darüber hinaus bietet das LI regelmäßig folgen Fortbildungen an: - Grundlagenfortbildungen zum Thema „Traumatisierung bei Kindern und Jugendlichen im schulischen Alltag“. Siehe auch: https://tis.lihamburg.de/web/guest/ catalog/detail?tspi=43001_), - Fortbildungsreihe „Healing Classroom – Die Schule als stabilisierendes Umfeld für Neuzugewanderte“ in Kooperation mit dem „International Rescue Committee“ (IRC), - Modul zum Thema „Trauma“ in der Qualifizierung von Kulturmittlerinnen und Kulturmittlern , - Schulinterne Fortbildungen zum Thema. Innerhalb der Beratungslehrkräfte- Ausbildung am LI wird das Thema „Umgang mit Traumatisierung in der Schule“ im Rahmen des Ausbildungscurriculums behandelt. Fokus dabei ist – neben einigen Basisinformationen zum Thema Traumatisierung – die Vermittlung der Funktion von „Schule als sicherer Ort“. Darüber hinaus ist für das Schuljahr 2018/2019 eine Fortbildung für Beratungslehrkräfte zum Themenbereich "Beratung von Lehrkräften bezüglich des Umgangs mit psychischen Belastungen und Traumatisierungen" geplant. Mit dem Titel „Flüchtlingskinder und jugendliche Flüchtlinge in Schulen, Kindergärten und Freizeiteinrichtungen“ hat das LI gemeinsam mit der Unfallkasse Nord eine Informationsbroschüre herausgegeben, die in Beratungen und Fortbildungen kostenlos an Schulen weitergegeben wird: https://www.bildungsserver.de/onlineressource.html?onlineressourcen_id=57134. Diese Broschüre ist aufgrund hoher Nachfrage bereits in der 2. Auflage erschienen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12234 3 In den Fortbildungsveranstaltungen der Beratungsstelle Gewaltprävention werden ebenfalls traumapsychologische und -pädagogische Aspekte aufgegriffen. In der Qualifizierung „Begleitung von Opfern in Schulen“ (BeOS) und beim Fortbildungsangebot zum „Kinderschutz an Schulen“ (regionale Fortbildungsreihen) fokussieren einige Module diese Fragestellungen. Weitere Fortbildungsangebote finden sich auch in der Fortbildungsreihe „Hamburger Basiscurriculum Jugend und Sucht“ (http://www.basiscurriculum-hamburg.de/ veranstaltung/671). Das Sozialpädagogische Fortbildungszentrum (SPFZ) bietet in Jahr 2018 eine Fortbildung zum Thema: „Bindungswissen für die Praxis Sozialer Arbeit“ an, welche sich an Sozialpädagogische Fachkräfte aus allen Feldern der Sozialen Arbeit richtet, also auch an Mitarbeitende in Kitas. Die Veranstaltung beinhaltet unter anderem das Thema bindungsbasierte Traumata. Im Jahr 2017 hat das SPFZ die Veranstaltung „Traumapädagogik – ein Ansatz für die Kita“ angeboten. Im Rahmen des Bundesprogramms „Kita-Einstieg: Brücken bauen in frühe Bildung“ können Erzieherinnen und Erzieher sich in Bezug zu Traumata und Traumapädagogik im Zuge von Qualifizierungsprojekten bei durchführenden Verbänden oder Trägern fortbilden und informieren. Bereits geplante Fortbildungen sind unter anderem: „Traumata erkennen und damit umgehen“ von SOAL – Alternativer Wohlfahrtsverband e.V. und eine Fortbildungsreihe des DRK Landesverband Hamburg e.V., welche unter anderem Traumapädagogik zum Gegenstand hat. Weitere themenrelevante Angebote sind aktuell in Planung. 4. An wen können sich Lehrer wenden, wenn sie bei einem Kind eine Traumatisierung vermuten? Und an wen können sich in solchen Fällen Erzieher wenden? Lehrkräfte und schulische Pädagoginnen und Pädagogen können sich zunächst intern zur Beratung an ihre schulischen Beratungsdienste und Beratungslehrkräfte wenden. Als direkter Ansprechpartner für psychologische Hilfen für schulpflichtige Geflüchtete und spätestens in akuten Krisen stehen die Schulpsychologinnen und Schulpsychologen der Beratungsabteilungen der ReBBZ für die allgemeinbildenden Schulen und das Beratungszentrum Berufliche Schulen (BZBS) für alle berufsbildenden Schulen in Hamburg vor Ort für aktive Beratung und sofortigen Kontakt mit den Betroffenen und deren Umfeld in Schule und Familie zur Verfügung. Eng kooperiert wird mit spezialisierten Fachberatungsstellen der Kinder- und Jugendhilfe sowie Fachkliniken. Zur Unterstützung von schulpflichtigen Geflüchteten übernehmen ReBBZ und BZBS folgende schulpsychologische Beratungsaufgaben: - Beratung von Schülerinnen und Schüler in krisenhaften Phasen ihres Lebens, Klärung von Unterstützungsmöglichkeiten und Vermittlung konkreter weiterführender Hilfen (zum Beispiel Fachklinik, Psychiatrie, Psychotherapie). - Im Rahmen der Krisenintervention nehmen beide Beratungsstellen bei Bedarf eine Ersteinschätzung zur Thematik vor und leiten gegebenenfalls weiterführende Maßnahmen ein. - Schulleitungen, Lehrkräfte (insbesondere Beratungslehrkräfte), Eltern sowie betriebliche Ausbildungsverantwortliche können sich unbürokratisch und niedrigschwellig zum Umgang mit krisenhaften Entwicklungen bei Schülerinnen und Schülern beraten lassen beziehungsweise Hilfe holen. Beide Einrichtungen sensibilisieren und stärken Beratungslehrkräfte in ihrer Beratungskompetenz durch regelmäßig stattfindende Fallbesprechungsrunden. Darüber hinaus wird in Beratungen/Fortbildungen an die Trauma- Ambulanz am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf verwiesen. Hier erhalten Opfer von Gewalttaten Soforthilfe (http://www.hamburg.de/trauma-ambulanz/). Die Elbkinder – Vereinigung Hamburger Kitas gGmbH arbeitet mit der entsprechenden Arbeitsstelle des UKE zusammen. Dort gibt es gefördert durch die Stiftung „Children for Tomorrow“ seit 1998 im Rahmen der Flüchtlingsambulanz psychotherapeuti- Drucksache 21/12234 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 sche Versorgung für Flüchtlingskinder (siehe www.children-for-tomorrow.de). Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Inwieweit befasst sich der Zentrale Koordinierungsstab Flüchtlinge mit diesem Thema? Findet diesbezüglich eine Zusammenarbeit mit ASDs, Jugendämtern oder mit Initiativen der Flüchtlingshilfe et cetera statt? Falls nein, warum nicht? Im Lagedienst des Zentralen Koordinierungstabes Flüchtlinge (ZKF) werden alle gemeldeten Vorkommnisse der Betreiber der Erstaufnahmeeinrichtung (EA) aufgenommen und weiter bearbeitet. Dabei werden die jeweils zuständigen Stellen eingebunden , notwendige Maßnahmen eingeleitet und zwischen den beteiligten Stellen weiter koordiniert. Wesentliche Aufgabe des ZKF ist es sicherzustellen, dass die Einzelfälle von den regelhaft zuständigen Stellen bearbeitet werden. Sofern dabei gegebenenfalls bestehende Lücken oder fehlende Schnittstellen im Regelsystem erkannt werden, erarbeitet der ZKF Lösungen in Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen . Sollten im Rahmen der Einzelfallbearbeitungen psychologische Auffälligkeiten mit Kindern und Jugendlichen bekannt werden, findet eine enge Zusammenarbeit mit den jeweils zuständigen Stellen wie Gesundheitsämtern, Jugendämtern und dem Allgemeinen Sozialen Diensten (ASD) statt. Initiativen der Flüchtlingshilfe, zum Beispiel die Lebenshilfe Hamburg oder savîa, werden auf Wunsch der Erziehungsberechtigten mit eingebunden. Besondere Einzelfälle werden regelmäßig bis zum Abschluss der jeweils eingeleiteten Maßnahmen weiter begleitet. Der ZKF arbeitet zudem eng mit dem Gesundheitsamt Altona, der BGV, der BASFI, den Betreibern der EA und öffentlich -rechtlicher Unterbringung und weiteren Akteuren zusammen, um die psychologische Betreuung von Geflüchteten bedarfsgerecht zu koordinieren und insbesondere niedrigschwellige Angebote vor Ort sowie Schnittstellen in das Regelsystem zu gewährleisten. Der ZKF bringt bei der Zusammenarbeit insbesondere die Erfahrungen aus den Einzelfällen ein. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 6. Existieren in Kinderschutzhäusern Plätze speziell für traumatisierte Flüchtlingskinder und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge? Kinderschutzhäuser sind Inobhutnahmeeinrichtungen für Babys und Kleinkinder in Notsituationen. Sie sind daher für die Aufnahme, Versorgung und Betreuung von Kindern mit Traumaerfahrungen vorbereitet. Spezielle Plätze für traumatisierte Kinder mit Fluchterfahrung werden nicht vorgehalten. 7. Wie viele Flüchtlingskinder und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind seit 2015 aufgrund psychischer Erkrankungen stationär in Krankenhäusern aufgenommen worden (bitte aufschlüsseln nach Quartalen seit Beginn 2015)? Die Merkmale „Flüchtlingskinder“ und „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ gehören nicht zu den nach der Verordnung über die Bundesstatistik für Krankenhäuser (Krankenhausstatistik-Verordnung – KHStatV) nach sozialrechtlichen oder nach krankenhausfinanzierungsrechtlichen Vorschriften zu erfassenden und zu dokumentierenden Daten. Die Krankenhäuser verfügen somit über keine statistisch aufbereiteten Daten im Sinne der Fragestellung, sodass eine verlässliche Aussage zur Anzahl der seit 2015 aufgrund psychischer Erkrankungen stationär aufgenommenen „Flüchtlingskinder “ und „unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge“ nicht möglich ist. Eine Einzelauswertung aller Patientenakten in den Krankenhäusern ist innerhalb der zur Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich .