BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12241 21. Wahlperiode 13.03.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Blömeke (GRÜNE) vom 05.03.18 und Antwort des Senats Betr.: Forschungstierhaus am UKE und Alternativen zum Tierversuch Tierversuche sind in unserer Gesellschaft ein umstrittenes Thema, denn es geht um den Schutz von Lebewesen, die naturgemäß nicht selber für ihre Rechte eintreten können. Für die einen ist es daher generell Tierquälerei, für die es keine Rechtfertigung geben kann, wenn Tiere zu Forschungszwecken eingesetzt werden. Andere halten Tierversuche in der Medizin in einem engen Rahmen für notwendig und geboten, um menschliches Leid zu vermindern , Krankheiten zu heilen und Menschenleben zu retten. Ziel muss es sein, in der Zukunft über medizinische Heilmethoden für schwere und tödliche Erkrankungen ganz ohne Tierversuche zu verfügen. Für die Testung von Kosmetik oder sonstige kommerzielle Zwecke ist der Einsatz von Tieren jeder Art verboten. Tierversuche in der Medizin sind überhaupt nur unter engen Voraussetzungen und unter strengen Auflagen rechtlich zulässig. Sie müssen von den Tierschutzbeauftragten, einer unabhängigen Kommission und der Genehmigungsbehörde geprüft und genehmigt werden. Wenn eine medizinische Fragestellung anders als am Tier erforscht werden kann, wird der Tierversuch nicht genehmigt. Alternative Forschungsmethoden haben den Vorrang. Ihre Entwicklung steckt aber in Deutschland noch immer in den Kinderschuhen. Tierversuche sind nur so lange zulässig, wie keine geeigneten Alternativen in der Forschung zur Verfügung stehen. Das heißt aber auch, dass die Wissenschaft bei Tierversuchen als Forschungsmethode nicht stehen bleiben darf, sondern Alternativen entwickelt werden müssen. Auf Initiative der Regierungsfraktionen von SPD und GRÜNEN wird seit 2016 ein Hamburger Forschungspreis ausgelobt, der herausragende Arbeiten zur Vermeidung von Tierversuchen auszeichnet. Der Hamburger Senat investiert nun in ein neues Gebäude für die Haltung von Labortieren am UKE. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Nach Auskunft des UKE wird ein Großteil der Erkenntnisse, die am UKE gewonnen werden, ohne Tierversuche gewonnen – durch alternative Methoden wie Modellrechnungen , durch Verfahren in vitro, durch Zellkulturuntersuchungen und durch Patientenstudien . Nur wenn keine anderen Methoden zur Verfügung stehen, wird eine Erforschung unter Einbeziehung von Tieren in Betracht gezogen. In der Medizinischen Forschung – insbesondere in der Grundlagenforschung und biomedizinischen Forschung – kann derzeit aber noch nicht gänzlich auf Tierversuche verzichten werden. Eine grundsätzliche Überarbeitung und logistische Neuordnung der (baulichen) Struktur der Forschungstierhaltung ist daher dringend notwendig, um die bestehenden Drucksache 21/12241 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Kapazitäten unter Wahrung der geltenden, aber auch unter Berücksichtigung moderner , internationaler Standards in Tierschutz und Tierhaltung, sicherzustellen, den dringend notwendigen Mitarbeiterschutz maßgeblich zu verbessern sowie weitere Fortschritte in der biologischen und medizinischen Grundlagenforschung zu ermöglichen. Aus der sich daraus ergebenen Notwendigkeit sowie gemäß § 3 Absatz 2 des Gesetzes zur Errichtung der Körperschaft „Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf“ (UKEG) ist die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) verpflichtet, das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) für die Dauer seiner Aufgabenstellung in Forschung , Lehre und Krankenversorgung funktionsfähig zu halten. Dies schließt die Gewährleistung möglichst optimaler Bedingungen zur Zucht und Haltung der zu diesen Zwecken benötigten Tiere mit ein (siehe hierzu auch Drs. 21/11141). Drei der vier auf dem UKE-Gelände für die Haltung von Labortieren genutzten Gebäude wurden kurz nach Beginn des zweiten Weltkriegs beziehungsweise in den Nachkriegsjahren errichtet. Sie sind ursprünglich nicht für Zwecke der Tierhaltung errichtet, sondern im Laufe der Zeit für diese Nutzung umgebaut worden. Diese Gebäude befinden sich in einem nicht mehr adäquaten Zustand und lösen einen erheblichen konstruktiven sowie technischen Instandhaltungsaufwand aus, um die Funktionsfähigkeit aufrechtzuerhalten und Schäden an der Gebäudesubstanz zu vermeiden beziehungsweise zu beheben. Die für die nächsten fünf Jahre absehbaren Instandhaltungsaufwendungen für diese Gebäude übersteigen den Restwert der Gebäude um ein Vielfaches. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften des UKE wie folgt: 1. Welche Gründe führten zur Entscheidung, in ein neues Forschungstierhaus auf dem Gelände des UKE zu investieren? Siehe Vorbemerkung. 2. Das neue Gebäude wird größer als das alte Forschungstierhaus. Ist geplant, die Anzahl der Versuchstiere zu erhöhen? Der geplante Neubau ist auf Bestandserhaltung, nicht auf Bestandsausweitung ausgerichtet . Die aktuell vorhandene reine Nutzfläche von circa 3.522 m² reduziert sich auf geplante 2.918 m². 3. Welche Bedeutung misst der Senat dem Forschungstierhaus im UKE in Bezug auf die Medizin und den Dienst am Menschen zu? Die zuständige Behörde schätzt die Bedeutung einer neuen Forschungstierhaltung als eine zentrale Serviceeinheit für alle Zentren, Kliniken, Institute und Arbeitsgruppen am UKE sehr hoch ein, um einen hohen Schutzstandard für die betreffenden Mitarbeiter sowie die Tiere selbst sicherzustellen. Nur eine an neueste technische Standards, gesetzliche Vorgaben und Empfehlungen orientierte Tierhaltung kann die Bedeutung der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg und das UKE als biomedizinischen Forschungsstandort mit weiter wachsender Reputation in der Grundlagenforschung sowie auch in der translationalen Forschung sichern sowie die Entwicklung neuer Medikamente, Impfstoffe, Diagnostikverfahren und Therapien gewährleisten. Des Weiteren ist eine moderne Tierhaltung eine wesentliche Voraussetzungen für die Entwicklung und Erprobung neuer operativer Techniken, invasiver medizinischer Verfahren, neuer Materialien und Instrumente und dient damit der Erhöhung der Sicherheit von operativen Eingriffen am Menschen. Im Übrigen siehe Drs. 21/11141. 4. Welche medizinischen Erfolge basieren auf Tierversuchen, die im UKE stattfanden? Nach Auskunft des UKE waren folgende medizinische Erfolge unter Einbeziehung von Tierversuchen möglich: Eine Arbeitsgruppe des UKE konnte 2006 an Ratten erstmals zeigen, dass künstlich hergestelltes Herzgewebe nach einem Herzinfarkt die Pumpfunktion deutlich verbessern kann. Auf dieser Grundlage wurde in den vergangenen zehn Jahren Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12241 3 aus menschlichen Stammzellen künstliches Herzgewebe mit deutlich verbesserter Funktion entwickelt. Bei Meerschweinchen kann die Implantation des verbesserten künstlichen Herzgewebes die Herzfunktion nach einem Herzinfarkt annähernd wieder normalisieren. Diese Erkenntnisse lassen darauf hoffen, dass der Mangel an menschlichen Spenderherzen in Zukunft durch künstliches Herzgewebe gelindert werden könnte. Bei einem Mausmodell konnte eine Arbeitsgruppe des UKE nachweisen, dass eine Gentherapie den durch eine neonatale hypertrophe Kardiomyopathie verursachten pathologischen Umbau des Herzens stoppt oder zumindest deutlich verlangsamt. Die neonatale hypertrophe Kardiomyopathie, eine erbliche Erkrankung der Herzmuskulatur , endet derzeit selbst bei optimaler Therapie innerhalb weniger Jahre tödlich. In Versuchen an Tieren konnte gezeigt werden, dass das am UKE erstmals entdeckte sogenannte Arg3.1-Gen von zentraler Bedeutung für die Ausbildung des Langzeitgedächtnisses ist. Darüber hinaus wird das „Arg3.1“-Gen bei verschiedenen Erkrankungen des Gehirns, wie zum Beispiel bei Alzheimer-Krankheiten, Schizophrenie oder Autismus, misreguliert, das heißt zum falschen Zeitpunkt „abgelesen “. Die am UKE entwickelten Tiermodelle sind von übergeordneter Wichtigkeit für das Verständnis dieser Erkrankungen und die Entwicklung neuer Therapieansätze . Ein weiteres Beispiel ist die sogenannte sgk1-Kinase, die im Gehirn bei Lernprozessen angeschaltet wird, aber auch zum Beispiel für die Funktion der Nieren, Muskelhomöostase und die Immunantwort wichtig ist. Die am UKE entwickelten Tiermodelle stellen einen wichtigen Beitrag zur Erforschung von Nephrophatien, diabetischen Neuropathie, Ischämie und neurodegenerativen Erkrankungen dar. Im Forschungsbereich der personalisierten Nephrologie konnte das UKE tierexperimentell zeigen, dass spezielle Autoantikörper bestimmte Erkrankungen verursachen . Dies stellt einen Quantensprung im Verständnis der Erkrankung dar und ermöglicht die Entwicklung einer entsprechenden zielgerichteten Therapie, die dann personalisiert – also je nachdem, welcher Antikörpertyp beim Patienten vorliegt – zum Einsatz kommen kann. Studien zur vorgeburtlichen Behandlung der Gastroschisis (Bauchwanddefekt) im UKE führten dazu, dass in der Forschungstierhaltung im UKE weltweit erstmalig eine Gastroschisis vor der Geburt minimal-invasiv behandelt werden konnte und somit einen Meilenstein zur vorgeburtlichen Behandlung angeborener Fehlbildungen im Menschen bildet. Auf dem Gebiet der Krebsforschung sorgen Erkenntnisse aus Tierversuchen für konkrete neue Ansätze in der Krebstherapie, zum Beispiel bei der Entwicklung und Behandlung von Metastasen. 5. Welche Alternativmethoden zum Tierversuch kommen am UKE zum Einsatz? Am UKE wurde eine Professur für „Tissue Engineering“ eingerichtet. Entwicklungen des UKE haben dazu beigetragen, bestimmte vorher vorgeschriebene Studien an Hunden zu ersetzen. Dafür wurde Inhaber der Professur ausgezeichnet. Es ist die Aufgabe und auch der Anspruch der Tierschutzbeauftragten des UKE, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob ein Tierversuch nicht durch andere Methoden ersetzt werden kann. Unterstützt werden sie dabei durch den UKE-Tierschutzausschuss und die für die Genehmigung von Tierversuchen zuständige Behörde. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 6. Welche Möglichkeiten werden genutzt, um die Zahl der Tierversuche zu reduzieren? Nach Auskunft des UKE stehen die sogenannten 3R-Prinzipien (Replacement, Reduction , Refinement) im Mittelpunkt, wenn es am UKE um die Planung und Durchführung von Tierversuchen geht. In jedem wissenschaftlichen Projekt wird zunächst überlegt, welche Mittel geeignet sind, die offenen Forschungsfragen zu beantworten. In vielen Drucksache 21/12241 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Fällen kommen tierversuchsfreie Methoden zum Einsatz – der Ersatz von Tierversuchen (Replacement). Sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon überzeugt , Teile der Fragestellung nur mit einem Tierversuch beantworten zu können, erläutern sie dies ausführlich in einem Antragsschreiben. Das Projekt wird dann von den Tierschutzbeauftragten des UKE eingehend geprüft, um sicherzustellen, dass Alternativmethoden tatsächlich nicht zur Verfügung stehen und dass nur so viele Tiere in den geplanten Versuchen verwendet werden wie unbedingt notwendig. Mäuse machen den größten Anteil der am UKE in Versuchen verwendeten Tiere aus. Durch aufwendige Maßnahmen zur Standardisierung der Versuche ist es der Forschungstierhaltung möglich, die Zahl der Tiere, die zum Erreichen signifikanter Ergebnisse notwendig sind, stark zu reduzieren (Reduction). 7. Welche Möglichkeiten werden genutzt, um das Tierleid zu minimieren? Die Maßnahmen zur Verbesserung der Tierversuche, also zur Verminderung der Belastung der Tiere im Versuch (Refinement), haben einen hohen Stellenwert am UKE. Diese stützen sich auf drei Säulen, nämlich die Aus-, Fort- und Weiterbildung, die intensive Planung der Projekte und die Verlaufskontrollen durch Wissenschaftler und Tierschutzbeauftragte. Fragen grundsätzlicher Art werden vom Tierschutzausschuss des UKE beraten, dessen Festlegungen bei der Durchführung von Tierversuchen am UKE verbindlichen Charakter haben. Die Forschungstierhaltung bietet regelmäßig Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen für alle tierexperimentell tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des UKE an. Dabei wird der professionelle und schonende Umgang mit Versuchstieren gelehrt. Neue Entwicklungen im Rahmen der 3R werden aufgegriffen und umgesetzt. Nach Auskunft des UKE lebt und vermittelt die Forschungstierhaltung eine sogenannte Culture of Care, die eine artgerechte Haltung, eine bedarfsgerechte und schonende Pflege sowie eine möglichst schmerzarme Versuchsdurchführung beinhaltet. Bei der Planung von Tierversuchsprojekten wird, wie oben geschildert, intensiv geprüft, ob tierversuchsfreie Methoden zur Verfügung stehen und wie das jeweilige Projekt mit möglichst wenigen Tieren zu verwirklichen ist. Darüber hinaus finden moderne Operationstechniken sowie Anästhesie- und Analgesieverfahren Anwendung. Mindestens einmal tägliche Kontrollen der Tiere im Versuch durch die beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammen mit einer fortlaufenden Dokumentation des Gesundheitszustands der Tiere runden die Maßnahmen zu Vermeidung von unnötigem Tierleid im Versuch ab. Die Kontrollen erlauben ein sofortiges Eingreifen bei Behandlungsbedarf oder unerwarteten Vorkommnissen. Die Aufzeichnungen der Versuchsdurchführenden sowie die Durchführung selbst werden zudem stichprobenmäßig unangemeldet durch die Tierschutzbeauftragten und die Aufsichtsbehörde kontrolliert. 8. Werden Tierversuche im Medizinstudium am UKE eingesetzt? Das UKE verzichtet in der Ausbildung der Studierenden seit Jahren auf das Arbeiten mit Tieren. 9. Inwieweit sind Alternativmethoden zum Tierversuch Gegenstand des Medizinstudiums? Tierversuche und Alternativmethoden zum Tierversuch sind bisher nicht explizit Gegenstand des Curriculums innerhalb des Medizinstudiums zur Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten. Darüber hinaus werden grundlegende Kenntnisse ethischer Überlegungen und Konflikte von Experimenten im Allgemeinen und insbesondere im historischen Kontext von Experimenten an Menschen als auch an Tieren im Besonderen vermittelt. In diesem Zusammenhang wird die Bedeutung unter anderem der Deklaration von Helsinki und der Ethikkommission mit den Studierenden der Medizin erarbeitet . 10. Inwieweit werden Tiere bei der Ausbildung von Fachärzten/-innen eingesetzt ? Es werden keine Tiere zur Facharztausbildung am UKE eingesetzt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12241 5 11. Welche Möglichkeiten bieten Computersimulationen bei der Ausbildung von Operateurinnen und Operateuren? Nach Auskunft des UKE werden folgende Möglichkeiten genutzt: Die Arbeitsgruppe „Voxel-Man“ der Medizinischen Fakultät am UKE entwickelt und produziert chirurgische Trainingssimulatoren für die Ausbildung von Fachärzten. Mit den Voxel-Man-Trainingssimulatoren können schwierige und risikobehaftete Eingriffe so oft wie nötig in einer sicheren Umgebung geübt werden. Sie stellen eine visuelle, auditive und haptische Erfahrung nahe einem realen Eingriff dar. Der Chirurgie-Simulator Voxel-Man wird eingesetzt für Ohrchirurgie, endoskopische Nasennebenhöhlenchirurgie und zur zahnärztlichen Ausbildung. Im Rahmen roboterassistierter Operationen am UKE bieten die eingesetzten Systeme (Da Vinci) ausgereifte Trainingssoftware an, mit denen simulierte Operationen vorgenommen und geübt werden können. Die Systeme sind über viele Jahre entwickelt und optimiert und werden in verschiedenen Fachbereichen eingesetzt, zum Beispiel in der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Urologie, Gynäkologie, Allgemeinchirurgie sowie im Universitären Cancer Center Hamburg (UCCH) und in der Martini-Klinik. Darüber hinaus fördert und praktiziert das UKE die endoskopische Ausbildung an Endoskopie-Simulatoren. 12. Welche Forschungsfragen werden perspektivisch weiterhin noch am Tier beantwortet werden müssen? Nach Auskunft des UKE sind derzeit die präklinischen Forschungsbereiche des UKE bei einem Teil ihrer Untersuchungen noch auf Tierversuche angewiesen. Dies betrifft die Bereiche der Neurowissenschaften, der Immunologie, Immunität und Infektion (C3i), der onkologischen Forschung sowie der Herz-Kreislauf-Forschung. Immer dann, wenn die Komplexität des gesamten Organismus oder das Wechselspiel verschiedener Organe nicht in vitro rekapituliert oder im Computermodell simuliert werden können , können nur Tiermodelle entsprechende Fragestellungen beantworten, die zu einer besseren Versorgung der Patienten führen können. Wissenschaftler, Tierschutzbeauftragte und Genehmigungsbehörde prüfen in jedem Einzelfall, ob ein Tierversuch unerlässlich ist, die entsprechenden Fragestellungen zu beantworten, und ob dieser so angelegt ist, dass die verwendeten Tiere möglichst wenig unter dem Versuch leiden. 13. Welche Forschungsfragen eignen sich potenziell für Alternativmethoden zum Tierversuch? Nach Auskunft des UKE liegt das Hauptaugenmerk der Entwicklungsanstrengungen zu Alternativmethoden derzeit noch in der Wirksamkeitsprüfung von Arzneimitteln sowie in der Sicherheitsprüfung von Produkten, insbesondere im Ersatz toxikologischer Untersuchungen am Tier. Es handelt sich hierbei um weitgehend standardisierte Verfahren, bei denen Alternativmethoden eine starke Wirkung entfalten können. Alternativmethoden lassen sich immer dann entwickeln, wenn die zu untersuchenden Systeme gut verstanden sind. Je komplexer ein System ist, desto mehr Einflussfaktoren und damit auch mehr Unbekannte kommen hinzu und machen eine Simulation des intakten Organismus unmöglich. Mit zunehmendem Verständnis der Zusammenhänge nehmen allerdings auch die Möglichkeiten der Simulation wieder zu. So lassen sich hämodynamische Prozesse und verschiedene Herzfunktionen schon jetzt am Computer untersuchen. Organoide geben Auskunft über Vorgänge in modellierten Organen. Aus Stammzellen werden funktionale Herzmuskelzellen gezüchtet, an denen weitere Untersuchungen stattfinden. Das dreidimensionale Wachstum von Tumorzellen und die Bekämpfung von Krebs lassen sich zum Teil schon ohne einen Tierversuch untersuchen . In diesen und vielen weiteren Gebieten sind weitere Entwicklungen möglich, aber mit dem derzeitigen Wissen nur schwer vorhersehbar. Drucksache 21/12241 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 14. Welche Strukturen der Forschungsförderung und Forschungspraxis müssen dazu verändert werden? Nach Einschätzung des UKE kann auf Tierversuche damit nicht gänzlich verzichtet werden. Zunehmend können Teile der physiologischen und molekularmedizinischen Zusammenhänge im Körper schon heute in vitro nachgebildet werden. Um in diese Richtung Fortschritte zu erzielen, bedarf es der organisatorischen und auch der finanziellen Unterstützung von Projekten, insbesondere der Entwicklung von Core Facilities (Serviceeinrichtungen). Mit deren Hilfe könnten an einem Forschungszentrum, im Auftrag von klinisch und präklinisch forschenden Arbeitsgruppen, gezielt Methoden entwickelt werden, die zumindest Teilbereiche der tierexperimentellen Arbeit der jeweiligen Gruppe ersetzen. 15. Welche Anstrengungen unternimmt das UKE, entsprechende Veränderungen herbeizuführen? Das UKE unterstützt alle Maßnahmen, die die Anzahl an Tieren sowohl in der Bestandshaltung als auch im einzelnen Experiment senken (Reduction). Beispielsweise wird aktuell die Nutzung der Kryokonservierung durch finanzielle Anreize gefördert. Auch die in jedem Einzelfall überprüfte Option, nicht invasive Untersuchungsmethoden anzuwenden und zu steigern (MRT, Ultraschall, Röntgen, Bioluminiszenzimager) und deren Möglichkeit, longitudinale Studien durchzuführen, erhöht das Potenzial, die Anzahl der Tiere im einzelnen Experiment senken zu können. 16. Welche Anstrengungen unternimmt der Senat, entsprechende Veränderungen herbeizuführen? Die zuständige Behörde setzt sich über die zweijährige Ausschreibung des „Hamburger Forschungspreises zur Förderung der Entwicklung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch“ dafür ein, dass unter den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Anreiz dafür, ihre Bemühungen, die Anzahl der Tierversuche weiter zu reduzieren und die Entwicklung alternativer Methoden verstärkt voranzutreiben, erhöht wird. 17. Ist geplant, weitere Anreize zu setzen, um Forscherinnen und Forscher zur Entwicklung weiterer Alternativmethoden zu animieren? Nach Auskunft des UKE fördert die Medizinische Fakultät kontinuierlich die Entwicklung von Alternativmethoden und ist bestrebt, die erwähnten Core Facilities (siehe Antwort zu 14.) im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten auszubauen. Darüber hinaus ist jede Tiernutzung mit erheblichen finanziellen und administrativen Belastungen verbunden. Damit bestehen alleine dadurch direkte finanzielle Anreize, auf Tierversuche zu verzichten.