BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12243 21. Wahlperiode 13.03.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 05.03.18 und Antwort des Senats Betr.: „Check-Dein-Lehrer“ – Wie schützt der Senat Hamburgs Lehrer und Schüler vor gezielten Hetzkampagnen im Internet? Vergangene Woche berichtete das „Hamburger Abendblatt“ (22. Februar 2018, Seite 11) über die Internet-Plattform „Check-Dein-Lehrer“, auf der Schüler unter dem Deckmantel der Anonymität ihre mit vollständigem Namen genannten Lehrer unter Angabe der jeweiligen weiterführenden Hamburger Schule bewerten können. Teilweise erfüllen die dort aufgeführten Kommentare den Straftatbestand der Verleumdung oder der Beleidigung. Viele Postings erhalten massive Schimpfworte, manche sind sogar menschenverachtend. In einem heißt es beispielsweise bezogen auf eine Lehrerin und eine Schülerin: „Heute stellen wir uns die Frage, wer sollte sich zuerst umbringen?“ Dem „Hamburger Abendblatt“ gegenüber teilte der Sprecher der Schulbehörde mit, dass die Erfolgsaussichten einer Klage als gering eingestuft werden. „Die Behörde könne in der Regel keine Klage einreichen, sondern nur die betroffene Lehrkraft. Ausnahme: Die Äußerungen gefährden den Schulfrieden . Selbst auf den ersten Blick diffamierende Äußerungen seien aber häufig durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt, wie Gerichte festgestellt hätten . Albrecht: „Man wird hoffen müssen, dass die gesetzlichen Regelungen zur Verhinderung von Schmähkritik entsprechend angepasst werden.“ Am 23. Juni 2009 entschied der Bundesgerichtshof (Urteil vom 23. Juni 2009 – VI ZR 196/08) im Hinblick auf die 2014 abgeschaltete Website „spickmich“, dass Lehrer solche Zeugnisse hinnehmen müssen, solange keine Daten aus der Privat- oder Intimsphäre oder unsachliche Schmähkritik veröffentlicht werden. Bei den der damaligen Entscheidung zugrundeliegenden Beurteilungen handelte es sich um Einschätzungen persönlicher Eigenschaften der Klägerin aufgrund ihres Auftretens innerhalb des schulischen Wirkungskreises , wie zum Beispiel „cool und witzig“, „menschlich“, „beliebt“ und mit „vorbildlichem Auftreten“. Sie stellen insofern keinen über die Sozialsphäre hinausgehenden Eingriff in die Privatsphäre der Klägerin dar. Auf der Homepage http://checkdeinlehrer.org/ hingegen befindt sich eine Reihe von Postings, die weit über die Sozialsphäre der einzelnen Lehrer/- innen hinausgehen und zutiefst verletzend sind. Teilweise werden sogar Schüler/-innen denunziert, die zwar nicht mit vollem Namen genannt, aber für Mitschüler durchaus erkennbar sind. Auch wenn die Meinungsfreiheit ein hohes Gut der Demokratie und sehr zu schätzen ist, ist es nicht hinnehmbar, dass Lehrer und Mitschüler von manchen Bewertern öffentlich so bloßgestellt und diffamiert werden. Drucksache 21/12243 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: In Hamburger Schulen haben Schülerinnen und Schüler Gelegenheit, in altersangemessener Weise gezielt Feedback zu geben und auch Kritik an der Arbeit der Lehrkräfte zu üben und Verbesserungsvorschläge für die Unterrichtsarbeit zu machen. In den Gremien nach dem Hamburgischen Schulgesetz, der Schulkonferenz und den Eltern- und Schülerräten, können Eltern sowie Schülerinnen und Schüler die Arbeit der Schule insgesamt zum Gegenstand der Diskussion machen. Schließlich steht es jedermann frei, Ansichten zur Arbeit von Schulen oder Einzelpersonen zu äußern. Die Äußerungen müssen sich allerdings im Rahmen der allgemeinen Gesetze bewegen. Unbeschadet der rechtlichen Möglichkeiten müssen in einer offenen Gesellschaft die Grundsätze eines rationalen Dialoges, namentlich die sprachliche Unterscheidung von Tatsachenbehauptungen und subjektiven Einschätzungen, die Offenlegung von Quellen und die Forderung nach einem vielleicht scharfen, aber nie persönlich verletzenden Stil als Common Sense der Gemeinschaft, verteidigt werden. Diesen Maßstäben entspricht die Homepage „Check-Dein-Lehrer“ nach Einschätzung der zuständigen Behörde nicht. Es ist nicht akzeptabel, wenn Lehrkräfte wegen ihrer Dienstausübung in der Öffentlichkeit diffamiert werden. Äußerungen zur Arbeit von Behörden oder Anstalten, wie in diesem Fall von Schulen, berechtigen eine Gebietskörperschaft jedoch erst dann zu medienrechtlichen Schritten, wenn durch die Äußerung die Funktionsfähigkeit der entsprechenden Behörde gefährdet wird. Ist dies nicht der Fall, können nur die gegebenenfalls namentlich genannten Bediensteten ihre Persönlichkeitsrechte wahren. Hierbei unterstützt sie die Freie und Hansestadt Hamburg nach Maßgabe der Verwaltungsvorschrift „Rechtsschutz in Straf- und Zivilsachen für Bedienstete der Freien und Hansestadt Hamburg“ (MittVw 2015, S. 4 ff.). Jede Geltendmachung rechtlicher Ansprüche setzt voraus, dass der Urheber einer mutmaßlich rechtswidrigen Äußerung bekannt ist. Nach Ansicht der Behörde für Schule und Berufsbildung verstößt die Homepage „Check-Dein-Lehrer“ aufgrund des fehlenden Impressums gegen die medienrechtlichen Vorschriften, sodass dadurch die Rechtsverfolgung behindert wird. Die für Bildung zuständige Behörde hat diesen Verstoß daher der für die Durchsetzung des Medienrechtes zuständigen Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein gemeldet. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Sind der zuständigen Behörde Beschwerden von Lehrern/-innen, Schülern oder Eltern über Einträge auf dem Portal „Check-Dein-Lehrer“ bekannt? Falls ja, wie viele Beschwerden welcher Art sind jeweils wo eingegangen und wie wurde darauf im Einzelnen von welcher Stelle reagiert? Es sind einige Beschwerden gegen Inhalte dieser Seite bei der zuständigen Behörde eingegangen. Die Rechtsabteilung der zuständigen Behörde hat die Vorfälle geprüft und zusätzlich mit der Dienststelle des Datenschutzbeauftragten erörtert. Sie musste die Petenten darauf hinweisen, dass der Behörde selbst aufgrund der juristischen Lage keine rechtlichen Maßnahmen gegen diese Äußerungen möglich sind. Unsachliche oder beleidigende Äußerungen sollten im Unterricht thematisiert werden. Kann ein Urheber solcher Äußerungen hinreichend sicher festgestellt werden, stellen solche Äußerungen eine Störung des Schulfriedens dar, die nach § 49 Hamburgisches Schulgesetz geahndet werden können. 2. Wie beurteilt die zuständige Behörde das Portal „Check-Dein-Lehrer“ sowohl im Hinblick auf die mit Klarnamen genannten Lehrer als auch auf die für Mitschüler erkennbaren Schüler/-innen? Siehe Vorbemerkung. 3. Wie beurteilt der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit das Portal „Check-Dein-Lehrer“ insbesondere auch im Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12243 3 Hinblick auf die ab 25. Mai 2018 geltende Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)? Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit hat sich wie folgt geäußert: „Die Internetseite ist in den USA registriert; der konkret Verantwortliche ist nicht bekannt. Dementsprechend könnte sich die Entfernung der beanstandeten Informationen und Daten direkt bei der Originalquelle schwierig gestalten. Sollten jedoch beleidigende oder auch sonst wie rechtsverletzende Informationen/Bewertungen über die Betroffenen in den Suchmaschinen wie Google, Bing et cetera auffindbar sein, bietet sich die Möglichkeit, diese Suchergebnisse von dem jeweiligen Betreiber löschen zu lassen. Denn den Betroffenen steht das sogenannte Recht auf Vergessenwerden (dazu Näheres auf https://www.datenschutz-hamburg.de/news/detail/article/wichtigererfolg -fuer-den-datenschutz.html) beziehungsweise künftig das Recht auf Löschung nach Artikel 17 DSGVO zu. So können die betroffenen Lehrerinnen und Lehrer bei Google einen Löschantrag stellen (Informationen hierzu sind ebenfalls auf der Internetseite des HmbBfDI zu finden). Damit kann zumindest die Auffindbarkeit der beanstandeten Informationen/Bewertungen bei Eingabe des eigenen Namens in der Suchmaschine verhindert werden. Sollte Google die Löschung der Suchergebnisse ablehnen, können sich die Betroffenen an den HmbBfDI wenden. Daneben sind auch andere Vorgehensmöglichkeiten – insb. der Zivilrechtsweg – zu prüfen. Gerade im Hinblick auf denkbare Straftatbestände können die Betroffenen zudem Strafanzeige bei der Polizei erstatten.“ 4. Welche Maßnahmen sollen von welcher Stelle aus ergriffen werden, um derartige Schmähkritik gegen namentlich genannte Personen, wie auf der Homepage veröffentlicht beziehungsweise im „Hamburger Abendblatt “ vom 22. Februar 2018 zitiert, zu löschen beziehungsweise künftig zu verhindern? Siehe Vorbemerkung.