BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12249 21. Wahlperiode 13.03.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Norbert Hackbusch und Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 06.03.18 und Antwort des Senats Betr.: Aktuelle Entwicklung der Tideelbe – Sind neue Untersuchungen notwendig ? In den Jahren 2015 – 2017 lagen die jährlichen Mengen für die Unterhaltungsbaggerung im Hamburger Hafen zwischen 10,7 und 11,45 Millionen Kubikmeter. Die Handlungsempfehlung für das Sedimentmanagement entsprechend der „Systemstudie II“ der Bundesanstalt für Gewässer (BfG -1763) ging davon aus, dass ein dauerhafter Sedimentaustrag von 1 Million m³ pro Jahr aus dem inneren Ästuar in die Nordsee eine mittelfristige Reduzierung der Gesamtbaggermengen bewirken werde. Trotz eines Sedimentaustrags in den Jahren 2015 bis 2017 von insgesamt circa 9,4 Millionen Kubikmetern in die Nordsee (Tonne E3) gibt es keine signifikante Verringerung der Mengen in der Unterhaltungsbaggerung. Auch die Baggermengen in der Unterhaltung in der gesamten Tideelbe nehmen seit Jahren weiter zu. Der Tidenhub als weitere wichtige Beurteilungsgröße für die Entwicklung an der Tideelbe hat sich am Pegel St. Pauli in den letzten acht Jahren nochmals um 24 cm erhöht, ohne das weitere größere Eingriffe in die Tideelbe zu verzeichnen sind. Außerdem hat sich die natürliche Entwicklung der hydromorphologischen Verhältnisse in der Elbmündung nach den Seekarten von 2017 insbesondere im Bereich der Medemrinne erheblich gegenüber 2002/2003 verändert. Die nächste Elbvertiefung wird nachweislich der Planungsunterlagen sowohl den Aufwand in der Unterhaltungsbaggerung als auch den Tidenhub erhöhen . Strittig ist lediglich der Umfang der Veränderung, die maßgeblich von der Wirkungsstabilität der geplanten Unterwasserbauwerke im Mündungsbereich abhängt. Die letzte belastbare Modellrechnung der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) zu den Auswirkungen der geplanten Elbvertiefung stammt aus dem Jahr 2006, die verwendeten Daten einschließlich der Topografie stammen zum Teil aus dem Jahre 2001. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Hamburg Port Authority AöR (HPA) wie folgt: 1. Wie erklärt der Senat die reale Entwicklung der Mengen in der Unterhaltungsbaggerung und den Widerspruch zur Systemstudie II der BfG? Die reale Entwicklung der Baggermengen in der Unterhaltungsbaggerei steht nicht im Widerspruch zu den Empfehlungen der Systemstudie II der Bundesanstalt für Gewäs- Drucksache 21/12249 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 serkunde (BfG). Im Ergebnis wurde eine adaptive und flexible Strategie für das Feinmaterialmanagement der gesamten Tideelbe empfohlen. Ein zusätzlicher, kontinuierlicher Austrag von 1 Million m³ pro Jahr wurde basierend auf den Erfahrungen der Jahre 2005 bis 2010 als Startgröße für die Umsetzung einer solchen Strategie genannt. Im Rahmen einer adaptiven Strategie wäre diese Größe den Randbedingungen anzupassen . Zu beachten ist, dass von März des Jahres 2010 bis Juni des Jahres 2014 kein Austrag in die Nordsee zur Tonne E3 stattgefunden hat. 2. Passen die realen Entwicklungen an der Tideelbe aus Sicht des Senats zu den Auswirkungs-Prognosen, die von der BAW für die letzte Elbvertiefung gemacht worden sind? Wenn ja, wo sind diese Auswirkungen prognostiziert worden (bitte Zitierstelle angeben)? Wenn nein, welche Schlüsse zieht der Senat bezüglich der Prognosequalität der BAW? Ja. Die Modelluntersuchungen der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) im Rahmen der Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU) zum vorherigen Fahrrinnenausbau (1999/2000) hatten das Ziel, die vorhabenbedingten Veränderungen der einschlägigen Tidekenngrößen zu ermitteln. Im gemeinsamen Abschlussbericht einer übergreifenden Arbeitsgruppe der Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg sowie des Bundes zur Beweissicherung (2011) wurde festgestellt, dass die beobachteten Auswirkungen die damaligen Prognosen nicht erreichen oder gar übertreffen. 3. Wirtschaftssenator Horch ist von den Umweltverbänden BUND, NABU und WWF mit Schreiben vom 07. November 2017 auf die neuen Entwicklungen an der Tideelbe aufmerksam gemacht und gebeten worden, neue Modellierungen zu beauftragen. Wurden die in dem Schreiben aufgeworfenen Fragen inhaltlich beantwortet? Wenn nein, warum bisher nicht und wann ist mit einer inhaltlichen Antwort an die Fragenden zu rechnen? Angesichts der noch bis Dezember des Jahres 2017 laufenden Klageverfahren gegen die Fahrrinnenanpassung, die unter anderem auch die im Schreiben vom 7. November 2017 angesprochenen Themen zum Gegenstand hatten, wurde von einer Antwort abgesehen. 4. Ist die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) inzwischen technisch in der Lage, eine mehrjährige 3-D-Simulation der Auswirkungen der geplanten Elbvertiefung vorzunehmen? Ja. 5. Haben der Senat oder die Wasser- und Schifffahrtdirektion des Bundes aktuelle Modellierungen zu den Ausbauwirkungen der geplanten Elbvertiefung erstellen lassen? Wenn nein, warum nicht? Nein. Die BAW hat mit wissenschaftlich anerkannten Methoden eine tragfähige Prognose der hydromorphologischen Auswirkungen der Fahrrinnenanpassung von Unterund Außenelbe erarbeitet. Dies hat im Übrigen auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) erkannt und die von den klagenden Umweltverbänden sehr zahlreich gegen die BAW-Untersuchungen vorgebrachten Beanstandungen, die sich unter anderem auch auf die in Frage 4. angesprochene mehrjährige Simulation beziehen, als unbegründet zurückgewiesen. 6. Welche Risiken erkennt der Senat für den Fall, dass die BAW-Prognose von 2006 eine zu geringe Änderung des Tidenhubs durch die geplante Elbvertiefung prognostiziert hat? 7. Die Planungsbehörden der Stadt Hamburg und des Bundes mussten auf dem Verhandlungstermin vor dem Bundesverwaltungsgericht am 16. November 2017 zugeben, dass die Lage der geplanten Unterwasserab- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12249 3 lagerungsstätte (UWA) Medemrinne-Ost deutlich angepasst werden muss. Welche Auswirkung hat dies auf die bisherige Aussage, dass es zu keiner Rinnenbildung kommen wird und die geplante UWA stabil ihre tidedämpfende Wirkung entfaltet? Liegen der aktuellen Einschätzung des Senats neue Untersuchungen zugrunde? Wenn ja, bitte angeben, um welche es sich dabei handelt. Die dem BVerwG dargelegte Lageveränderung der UWA Medemrinne-Ost führt zu keiner Veränderung der hydromorphologischen Auswirkungsprognose der BAW. Eine Einschränkung der Stabilität der UWA und damit ihrer tidedämpfenden Wirkung ist damit also nicht verbunden. Entsprechende Beanstandungen der gegen die Fahrrinnenanpassung klagenden Städte Cuxhaven und Otterndorf sowie der ebenfalls klagenden Elbfischer hat das BVerwG auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung am 16./17. November 2017 deshalb zurückgewiesen. Im Übrigen hat sich der Senat hiermit nicht befasst.