BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12261 21. Wahlperiode 13.03.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Feineis (AfD) vom 06.03.18 und Antwort des Senats Betr.: Übergriffe auf Sozialarbeiter Nach der Vergewaltigung einer Sozialarbeiterin durch einen Asylbewerber in Dresden vor rund drei Monaten, fordern immer mehr Asyl-Helfer Informationen über gewalttätige Migranten. Auch der Caritasverband für Dresden e.V. fordert nun ein Sicherheitskonzept für die Flüchtlingssozialarbeit.1 „Wenn ich ehrlich bin, dann ist die Zusammenarbeit mit 90 Prozent von denen, die ich treffe, eher unangenehm und leider nicht so, wie ich mir das vorher gedacht habe“, schildert eine Angestellte einer Hamburger Erstaufnahmeeinrichtung ihre negativen Erfahrungen gegenüber „welt.de“.2 Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat in diesem Jahr die für die Erstaufnahmeeinrichtungen zuständigen Innen- beziehungsweise Integrationsministerien zum Thema befragt. Laut Heike Rabe, wissenschaftliche Referentin am Institut, habe sich gezeigt, dass es meist in Erstaufnahmeeinrichtungen keine Vorgaben gebe, wie die Helfer vorgehen sollen und auch keine Präventions- oder Interventionskonzepte.3 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Alle Dienststellen, die sowohl mit Flüchtlingen als auch mit Wohnungslosen einen direkten Umgang haben, weisen generell darauf hin, dass es im Hinblick auf den Umgang miteinander und damit verbundener gegebenenfalls auftretender Konflikte keinen erkennbaren Unterschied zwischen einheimischen und zugewanderten Haushalten gibt. Grundsätzlich kann es in den Einrichtungen Situationen geben, in denen Bewohner und Bewohnerinnen sich aggressiv gegenüber dem Betreiberpersonal verhalten. Entsprechendes Verhalten hat unterschiedliche, individuelle Gründe und Ursachen. In den Fällen, von denen eine Gefahr oder Straftat ausgeht, werden in enger Kooperation die Feuerwehr, die Polizei oder andere Schutz-/Einrichtungen hinzugezogen. Straftaten werden zur Anzeige gebracht, auch wenn sie sich gegen das Betreiberpersonal richten. Darüber hinaus hat der Zentrale Koordinierungsstab Flüchtlinge (ZKF) ein Meldesystem für die Betreiber eingerichtet. Dadurch wird sichergestellt, dass alle besonderen Vorkommnisse von den Betreibern an den Lagedienst des ZKF gemeldet 1 http://www.dnn.de/Dresden/Lokales/Caritasverband-Dresden-fordert-Sicherheitskonzeptfuer -Sozialarbeiter. 2 https://www.welt.de/regionales/hamburg/article151097419/Extrem-fordernd-unzuverlaessigund -aufdringlich.html. 3 http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-09/fluechtlinge-unterkunft-sexuelleuebergriffe /seite-2. Drucksache 21/12261 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 werden. Der Lagedienst ist sieben Tage die Woche jederzeit erreichbar und stellt im Einzelfall die Beteiligung weiterer zuständiger Stellen sicher. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von f & w fördern und wohnen AöR (f&w) und den übrigen Betreibern der Erstaufnahmeeinrichtungen (EA) ASB Flüchtlingshilfe Hamburg GmbH, Arbeiterwohlfahrt, Malteser Hilfsdienstgemeinnützige GmbH und Johanniter-Unfall-Hilfe e.V., Kreisverband Hamburg -Harburg e.V., Kreisverband Hamburg Altona und Mitte e.V. und Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) wie folgt: 1. Sind dem Senat (auch Jobcenter, f & w fördern und wohnen AöR et cetera) in den Jahren 2015, 2016, 2017 und aktuell Fälle bekannt, in denen Mitarbeiter über aggressive Migranten beziehungsweise Übergriffe durch Migranten geklagt beziehungsweise sich beschwert haben? Das Personalamt erhebt für die Dienststellen der Bezirke der Freien und Hansestadt Hamburg jährlich die Anzahl von Übergriffen beziehungsweise Gewaltvorfällen gegen Beschäftigte. Daten zur Nationalität von Tatverdächtigen werden nicht erhoben. Der Landesbetrieb Erziehung und Bildung (LEB) sowie die Dienststellen der Amtsvormundschaften erheben entsprechende Vorgänge ebenfalls zentral, jedoch ebenfalls ohne Daten zur Nationalität der Tatverdächtigen zu erheben. In den Fällen, bei denen in einer EA andere Stellen, wie die Polizei zu beteiligen sind, wird im Zuge eines Berichtes, einer Anzeige oder einer Meldung über ein besonderes Vorkommnis beim Lagedienst des Zentralen Koordinierungsstabs (ZKF) entsprechend dokumentiert. Im Zeitraum vom Januar 2016 bis Januar 2018 wurden 27 Vorfälle dokumentiert mit Beteiligung des Betreiberpersonals. Darüber hinaus werden in den Dienststellen Beschwerden von Beschäftigten nicht erfasst. 2. Gibt es eine Beschwerdestelle innerhalb der Behörde, in der solche Informationen gesammelt werden? Wenn ja, wo und in welcher Form? Im Ankunftszentrum, der EA und der örU werden Beschwerden von Mitarbeitern über die jeweiligen vorgesetzten Dienststellen transportiert und gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen eingeleitet. Darüber hinaus gibt es sowohl für die bezirklichen Dienststellen wie auch für die Dienststellen der Fachämter und des LEB keine zentralen Beschwerdestellen. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 3. Werden intern Akten angelegt beziehungsweise existiert ein Informationspool über Migranten, die sich aggressiv verhalten oder äußern beziehungsweise übergriffig wurden? Hierüber werden keine Akten angelegt oder geführt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Verfügen Sozialarbeiter (auch Ehrenamtliche) über Handlungsanweisungen beziehungsweise Gewaltschutzkonzepte und/oder wurden/werden sie durch Schulungen auf eventuelle Übergriffe vorbereitet? Wenn ja, bitte konkretisieren. Grundsätzlich werden den Mitarbeitern in den Dienststellen der Bezirke, der zuständigen Behörden sowie den Beschäftigten des Ankunftszentrums und in den Einrichtungen der EA und der örU Fortbildungen und Schulungen zur Deeskalation von Konflikten und dem Führen von Konfliktgesprächen angeboten. Dies gilt auch für verwandte Themen der Arbeitsplatzsicherheit und des Arbeitnehmerschutzes sowie der interkulturellen Kommunikation. Hinzu kommt die Umsetzung baulicher Merkmale wie zum Beispiel der Einrichtung von Fluchttüren und/oder von Notrufsystemen (zum Beispiel Vocario), die jedoch vorwiegend für besonders gefährdete Bereiche vorgesehen sind und daher nicht flächendeckend vorgehalten werden. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12261 3 Im Rahmen der EA und der örU wird den Mitarbeitern darüber hinaus Gelegenheit zur Supervision gegeben. In einzelnen EA arbeiten Gewaltschutzkoordinatorinnen, die mit anderen Einrichtungen und dem ZKF kooperieren. 5. Wie finden „Hausbesuche“ bei Migranten statt? Und gibt es hier Handlungsanweisungen ? Wenn ja, bitte konkretisieren. Generell werden von allen beteiligten Dienststellen Hausbesuche als nicht besonders gefährliche Maßnahme eingestuft. In EA finden regelmäßig Begehungen unter Einbindung des Sicherheitsdienstes der von den Bewohnern genutzten Räumlichkeiten statt. Kontrolliert wird die Einhaltung der Haus- und Benutzungsordnung, der Brandschutzordnung, des sozialen Friedens und der allgemeinen Hygiene sowie die Instandhaltung. Als Grundlage dient ein vom ZKF ausgegebener Handlungsleitfaden, der hier angewendet wird. Grundsätzlich ist es für alle angesprochenen Dienststellen erforderlich, aus unterschiedlichen Gründen Hausbesuche durchzuführen. Diese werden angekündigt und zumeist in gemeinsamer Übereinkunft mit den betroffenen Haushalten durchgeführt. Ausnahmen bilden hier nur solche Besuche, die zur Abwendung von Notlagen beziehungsweise in akuten Krisen erforderlich sind. Im Normalfall werden Hausbesuche allein oder – wenn dies erforderlich sein sollte – von zwei Mitarbeitern durchgeführt. Bei Gefahr im Verzug wird die Polizei hinzugezogen. 6. Wie viele Migranten kommen rechnerisch auf einen Sozialarbeiter und wie ist die Entwicklung seit Beginn 2015? Die bezirklichen Dienststellen nehmen ihre Arbeit im Rahmen einer Einheitssachbearbeitung wahr und treffen keine Unterscheidung zwischen Migranten und Nicht- Migranten. Daher ist eine Verteilung der Arbeitskräfte auf die Personengruppe der Migranten nicht darstellbar. Der LEB arbeitet in seinen Einrichtungen mit einem Personalschlüssel von 1:3. Dieser Schlüssel ist seit 2015 unverändert. Im Bereich der Vormundschaften entfallen auf eine Vollzeitkraft 50 Mündel. Auch dieser Schlüssel ist seit 2015 unverändert. Im Rahmen der örU liegt der Personalschlüssel – unabhängig von der Personengruppe – seit 2015 unverändert bei 1:80 für das Unterkunfts- und Sozialmanagement und bei 1:160 beim technischen Dienst. Der Personalschlüssel für die Betreiber der EA liegt seit 2015 unverändert bei 1:65 (mindestens jedoch fünf Mitarbeiter beziehungsweise Mitarbeiterinnen) für das Sozialmanagement. Das Ankunftszentrum dient der kurzfristigen Unterbringung neu eingetroffener Personen , während des Aufnahme- und Registrierungsprozesses. Im Anschluss erfolgt die Verlegung in eine EA. Ob und inwiefern es zu (vorzeitigen) Verlegungen aus anderen Gründen kam, wird statistisch nicht erfasst. 7. In wie vielen Fällen haben Flüchtlingshelfer ihren Job gekündigt, weil sie sich belästigt und/oder nicht mehr sicher fühlten? Bitte nach Einzelfällen darstellen. In allen beteiligten Dienststellen sowie den Betreibern der Unterkünfte liegen hierzu keine Erkenntnisse vor beziehungsweise sind keine Kündigungen vor diesem Hintergrund bekannt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Antwort zu 1. 8. In welchen konkreten Fällen wurden „auffällige“ Migranten sanktioniert, indem sie in eine andere Unterkunft umgesiedelt wurden? Sowohl in Unterkünften des LEB als auch in denen der EA und örU finden bei gravierenden oder wiederholten Verstößen gegen die Haus- und Benutzungsordnung sowie bei Vorfällen mit Eigen- oder Fremdgefährdung Verlegungen in andere Unterkünfte statt. Auch zum Schutz anderer Bewohner, zur Verbesserung von besonderen Umständen oder auf Ersuchen von Bewohnern finden Verlegungen in andere EA statt. Hierzu werden jedoch im Einzelnen keine Statistiken geführt. Drucksache 21/12261 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Für das Ankunftszentrum Rahlstedt entscheidet die zuständige Behörde über die Erforderlichkeit von Verlegungen. 9. Wie viele Straftäter mit Migrationshintergrund leben aktuell in Hamburg und was wurde ihnen zur Last gelegt? Bitte nach Einzelfällen darstellen. 10. In wie vielen dieser Fälle gab es Strafverfahren und mit welchem Ergebnis ? Bitte nach Einzelfällen darstellen. Die Polizei erfasst Straftaten gemäß dem Straftatenkatalog der Richtlinien für die Erfassung und Verarbeitung der Daten in der Polizeilichen Kriminalstatistik. Statistische Daten im Sinne der Sinne der Fragestellung werden von der Polizei nicht erfasst. Im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg, das sich nur auf in Hamburg geführte Verfahren bezieht, wird weder die ausländische Staatsangehörigkeit noch die möglicherweise derzeit aktuelle Wohnanschrift einer beschuldigten Person verlässlich erfasst. Erst recht wird nicht hinterlegt, ob bei einer beschuldigten Person ein „Migrationshintergrund“ besteht. Im Übrigen: entfällt. 11. In wie vielen Fällen seit Anfang 2015 wurden Straftätern Bewährungshelfer an die Seite gestellt? Bitte nach Einzelfällen darstellen. 12. In wie vielen Fällen wurden seit 2015 welche Therapien verordnet und mit welchem Erfolg? Bitte nach Einzelfällen darstellen. In MESTA wird ebenfalls nicht zuverlässig erfasst, ob einer verurteilten Person ein Bewährungshelfer bestellt worden oder eine Therapieweisung ergangen ist. Allein die Anzahl der Verurteilten, für die nach den internen Controllingberichten als Vollstreckungseinleitung eine Freiheitsstrafe mit Bewährung erfasst wurde, liegt für den maßgeblichen Zeitraum bei mehreren Tausend. In der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit ist weder eine Beiziehung noch eine entsprechende Auswertung dieser Akten möglich.