BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12274 21. Wahlperiode 13.03.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 07.03.18 und Antwort des Senats Betr.: Salafistische Moscheen in Hamburg – Wie ist die Lage im Februar 2018? Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 ist bekannt, dass Hamburg ein strukturelles Problem mit salafistischen Moscheen hat. Damals geriet zunächst die am Steindamm gelegene Taiba-Moschee1 ins Visier des Verfassungsschutzes , weil sich herausstellte, dass die Mitglieder der Hamburger Terrorzelle um Mohammed Atta dort regelmäßig verkehrt hatten. Trotzdem dauerte es noch neun Jahre, bis der Senat 2010 endlich die Schließung der Moschee anordnete, die längst als Radikalisierungszentrum für Salafisten aus ganz Deutschland bekannt war und in der Szene gar als Wallfahrtsort galt.2 Mit dieser Aktion war das Problem jedoch keineswegs gelöst. Folglich wurden auch in der Folgezeit immer wieder islamistische Umtriebe in Hamburger Moscheen bekannt. So etwa in Barmbek-Nord, wo im Februar 2015 die As-Sahaba-Moschee wegen der Aktivitäten des Hasspredigers Baher Ibrahim in den Fokus des Verfassungsschutzes geriet. Unter dem Deckmantel von „Islamunterricht“ hatte jener Jugendliche gezielt mit der salafistischjihadisatischen Ideologie indoktriniert. Zwar wurde Ibrahim nach seiner Entlarvung vom Vorstand des Moscheevereins als Religionslehrer entlassen, doch änderte dies nichts daran, dass Salafisten hier auch weiterhin ein- und ausgingen. Auch der Attentäter von Barmbek hatte sich bis zuletzt regelmäßig vor Ort aufgehalten, was darauf hindeutet, dass sich seine Radikalisierung dort ereignet haben könnte.3 Dieser Befund geht auch mit der Tatsache konform, dass die As-Sahaba-Moschee kein Interesse daran hat, in der Mitte der Gesellschaft zu stehen. So fasste der für sie verantwortliche Moschee-Verein (As-Sahaba e.V.) im Jahr 2016 den Beschluss, aus der SCHURA (Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg e.V. und Vertragspartner des Senats) auszutreten, wodurch er nicht mehr deren Zuständigkeit unterliegt.4 Seit Jahren sind den Sicherheitsbehörden zudem zwei weitere Moscheen als zentrale Anlaufpunkte für Salafisten in Hamburg bekannt5 – die Masjid-El- 1 Die Taiba-Moschee war 1993 von dem Betreiber Arabischer Kulturverein e.V. als al-Quds- Moschee eröffnet, 2009 jedoch in Taiba umbenannt worden. 2 Confer Taiba-Moschee in St. Georg – Pilgerstätte der Gotteskrieger. „Hamburger Abendblatt “ online. 10. August 2010. 3 Confer Moschee-Gemeinde ehrt die „Helden von Barmbek“. „Hamburger Abendblatt“ online. 5. August. 2017. 4 Confer Drs. 21/4874. Seite 3. 5 Confer Drs. 21/2578. Seite 1. Drucksache 21/12274 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Iman-Moschee und die im November 2016 geschlossene Taqwa-Moschee.6 Dass der Salafismus in Hamburg keineswegs ein eindeutig lokalisierbares Phänomen darstellt, sondern stattdessen in mehreren Stadtteilen existiert, zeigen die Standorte der genannten Moscheen. Nichtsdestoweniger kann man konstatieren, dass südelbische Bezirke insgesamt stärker betroffen sind. So hatte zuletzt 2015 der Stadtteilrat Wilhelmsburg die Existenz dreier salafistischer Moscheen eingeräumt.7 Wie das Beispiel der Blauen Moschee an der Außenalster zeigt, die zum Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) gehört, ist islamischer Extremismus nicht zwangsläufig salafistisch beziehungsweise sunnitisch konnotiert. Vom IZH ist bekannt, dass es auch jenseits der Grenzen Hamburgs aktiv ist. Aufgrund dieser Tätigkeiten wird es von der Bundesregierung als verlängerter Arm der iranischen Regierung gesehen, dessen Ziel darin bestehe, die islamische Revolution nach Deutschland zu exportieren und die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu stürzen.8 Obwohl die salafistische Szene in Hamburg nachweislich dezentral organisiert ist9, darf die Bedeutung von Moscheen als Anlauf- und Treffpunkte von Gläubigen nicht unterschätzt werden. Vielmehr ist anzunehmen, dass die überwiegende Mehrheit der 670 als Salafisten bekannten Personen regelmäßig in bestimmten Moscheen verkehrt. Auch prominente Szenegrößen wie Anis Amri oder Denis Cuspert hatten vor dem Beginn ihrer Karriere als Jihadisten eine ideologische Radikalisierung durchlaufen, die auch in Moscheen stattfand.10 Dazu konstatiert das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz : „Die Szeneangehörigen kommen zumeist in Kleingruppen zusammen , die sich zu ideologischen Schulungen sowie Unterrichten in Moscheen oder Privatwohnungen treffen.“11 Die Bedeutung von Moscheen für die Vernetzung , Organisation und ideologische Festigung von Salafisten wird dabei durch folgende Feststellung unterstrichen: „Für Hamburgs Salafisten ist nach wie vor die im Stadtteil Harburg gelegene Taqwa-Moschee der zentrale Anlaufpunkt. Neben politischen Salafisten verkehrt hier insbesondere die jihadistisch-salafistsiche Klientel aus dem Großraum Hamburg; dieser Personenkreis kommt auch außerhalb der öffentlichen Gebetsveranstaltungen in der Moschee zusammen.“12 Es wird deutlich, dass Moscheen offenbar nicht nur eine lokale, sondern vielmehr auch eine überregionale Anziehungskraft auf Salafisten ausüben. Zwar ist die Taqwa-Moschee im November 2016 geschlossen worden, doch besteht Grund zu der Annahme, dass dies lediglich zu einer Verlagerung der dort ansässigen Szene in andere Moscheen geführt hat. Dazu erklärt der Verfassungsschutz: „Ab und zu werden auch andere Moscheen zum Gebet aufgesucht.“13 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele beziehungsweise welche Moscheen sind dem Senat gegenwärtig als Treffpunkte von Salafisten bekannt? 6 Die Taqwa-Moschee war bereits Jahre vor ihrer Schließung als Zentrum von Salafisten bekannt. Ihre Räumlichkeiten waren bereits 2012 von Sicherheitskräften durchsucht worden. Confer 21/6710. Seite 2. 7 Confer ibidem. 8 Confer Drs. 21/10476. Seite 1 fortfolgende. 9 Confer Verfassungsschutzbericht Hamburg 2016. Seite 42; Kompaktinformationen Salafismus . Herausgegeben vom Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg. Ebenda 2016. Seite 7. 10 Anis Amri war bis zuletzt regelmäßiger Gast in der Berliner Fussilet-Moschee gewesen, während Denis Cuspert dem Umfeld der Berliner Al-Nour-Moschee angehörte, die ebenfalls als Treffpunkt von Salafisten bekannt ist. 11 Verfassungsschutzbericht Hamburg 2016. Seite 42. 12 Confer ibidem Seite 43. 13 Confer Verfassungsschutzbericht 2016. Seite 43. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12274 3 2. Wie viele von diesen werden gegenwärtig nicht durch den Verfassungsschutz observiert? 3. Wie viele der oben genannten Moscheen sind in der Vergangenheit bereits zeitweise von den Sicherheitsbehörden durchsucht worden? 4. Welche Moscheen, die nicht im Eingangstext genannt werden, waren/ sind dem Senat in Hamburg in der Vergangenheit/gegenwärtig als Treffpunkte von Salafisten bekannt? Siehe Drs. 21/10722. 5. Wie viele Moscheevereine waren zum 1. März 2018 in Hamburg registriert ? 6. Wie viele Moscheevereine sind nach Kenntnis des Senats gegenwärtig nicht in einem der drei muslimischen Trägerverbände des Staatsvertrages organisiert? 7. Wie viele Moscheevereine haben die Trägerverbände seit Inkrafttreten des Staatsvertrages verlassen? 8. Hat der Senat Hinweise darauf, dass Moscheen, von denen man weiß, dass dort Salafisten verkehren, miteinander vernetzt sind? Falls ja, inwiefern? Siehe Drs. 21/6710 und Drs. 21/10722. 9. Das salafistische Personenpotenzial in Hamburg wird vom Verfassungsschutz gegenwärtig mit 670 angegeben.14 Welchen Moscheen werden diese Leute beziehungsweise diejenigen Cliquen, denen diese im Einzelnen angehören, zugeordnet? 10. Wie viele Personen, die in Hamburger Moscheen als Religionslehrer oder Imame wirken, sind dem Senat aktuell als dem Salafismus nahestehend bekannt? 11. Wie viele Moscheen bieten nach Kenntnis des Senats aktuell Religionsunterricht und andere islamische Bildungsangebote an? Derzeit werden 781 Personen der salafistischen Szene zugerechnet. Im Übrigen siehe Drs. 21/10722. Siehe Drs. 21/10722. 12. Was tut der Senat proaktiv, um eine salafistische Indoktrinierung von Kindern, Jugendlichen und jungen Heranwachsenden zu verhindern, die solche Lehrangebote in Anspruch nehmen? Im Bezirk Altona wird in den Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und der Familienförderung aktiv demokratische Erziehung betrieben, um den Effekten der salafistischen Indoktrinierung entgegenzuwirken. Dies geschieht auch in Einzelfällen in Kooperation mit dem Träger Legato. Auch das Bezirksamt Harburg kooperiert mit Legato. Das Beratungsangebot bietet seit 2017 direkt im Bezirksamt Sprechstunden an. Zudem gibt es einen regelmäßigen Austausch mit dem Projekt „Al Wasat“. Darüber hinaus ist das Thema Radikalisierung, gleich welcher Art – ob politisch oder religiös begründet –, Querschnittsthema zahlreicher Aktivitäten des Bezirksamtes: Im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ unterstützt das Bezirksamt Harburg Initiativen, Vereine sowie engagierte Bürgerinnen und Bürger, die sich für ein vielfältiges, gewaltfreies und demokratisches Miteinander einsetzen. Dazu gehört insbesondere der Aufbau von Jugendforen. Jugendliche können hier ihre Belange einbringen und sich für ein demokratisches Gemeinwesen engagieren. 14 Confer Verfassungsschutzbericht Hamburg 2016. Seite 27. Drucksache 21/12274 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Der Begleitausschuss der beiden Lokalen Partnerschaften in Harburg sowie die Sicherheitskonferenz Harburg beraten im Frühjahr 2018 gemeinsam zu zahlreichen unterschiedlichen Fragen religiös begründeten Extremismus. Das Bezirksamt Harburg bemüht sich zudem um einen Austausch zu verschiedenen Themen mit dem Zusammenschluss Harburger Muslime sowie im Rahmen des hiesigen „interreligiösen Dialogs “. Die Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit verfolgen einen präventiven Ansatz. Diese Einrichtungen bieten Kindern und Jugendlichen alternative Angebote zu dem benannten Unterricht. Im Bezirk Wandsbek wurden zur Stärkung der präventiven Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Heranwachsenden in 2016 und 2017 Fortbildungen für Fachkräfte aus dem Bereich Jugendhilfe (vor allem der Offenen Kinder- und Jugendarbeit) und Schule durchgeführt. In Jenfeld gibt es seit 2017 den „Arbeitskreis Radikalisierung“, der neben der Präventionsarbeit auch der Vernetzung der Fachkräfte untereinander dient. Für 2018 ist eine Lokale Bildungskonferenz zum Thema „Prävention von Radikalisierung junger Menschen“ geplant. Zudem hat der Senat seine Strategien und Ansätze zur Prävention von religiös begründetem Extremismus mehrfach erläutert. Aufgaben und Maßnahmen werden unter Berücksichtigung der bisherigen Praxiserfahrungen, neuer Erkenntnisse aus der Radikalisierungs- und Präventionsforschung sowie der aktuellen Lageeinschätzungen der beteiligten Fachbehörden regelmäßig aktualisiert und weiterentwickelt. Im Übrigen siehe Drs. 21/5039, Drs. 21/9538, Drs. 21/10722, Drs. 21/10986, Drs. 21/11343 und Drs. 21/11627. 13. Wie viele Moscheevereine sind dem Senat in Hamburg zwischen dem 1. Mai 2010 und dem 1. März 2018 bekannt? Bitte einzeln anhand von Jahr und Standort aufschlüsseln. 14. Welche rechtlichen Voraussetzungen sind nötig, um in Hamburg einen Moscheeverein anzumelden? Siehe Antwort zu 5. bis 8.