BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12293 21. Wahlperiode 16.03.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Ralf Niedmers (CDU) vom 09.03.18 und Antwort des Senats Betr.: Welche Auswirkungen haben die aktuell geplanten Bauprojekte im Hamburger Hafengebiet? In der zweiten Hälfte des vergangen Jahres gab der Senat unter anderem zwei Großprojekte bekannt, die für das Hafengebiet elementare Veränderungen mit sich bringen werden. So soll zum einen ein neues Kreuzfahrtterminal in der HafenCity entstehen, welches durch den französischen Projektentwickler Unibail Radamco SE realisiert wird. Die Kosten für das neue Terminal, welches zudem ein großes Shopping-Center sowie eine zweite Landstromanlage umfassen soll, haben sich jedoch anders als ursprünglich geplant entwickelt. Während zu Beginn der Planungen ein Konsortium 10 Millionen Euro an die Stadt zahlen sollte, verhält es sich nun so, dass dementgegen die Stadt 10 Millionen Euro an den Investor Unibail Radamco SE zahlen muss. Dies wird begründet mit „erheblichen baulichen und flächenbezogenen Aufwendungen“ (vergleiche Drs. 21/10347). Die Gesamtkosten seien mittlerweile auf 46,7 Millionen Euro gestiegen. Die bisher vorgelegte Kalkulation zeigt sich an gewissen Stellen intransparent, zumal beispielsweise die Kosten für die Landstromanlage in der entsprechenden Drucksache keinerlei Erwähnung finden. Seitens der Hafenwirtschaft wurde zudem das bauliche Konzept des Terminals in der HafenCity infrage gestellt. Das zweite große Bauprojekt betrifft die Flächen des Grasbrooks. Hier soll künftig eine Bebauung mit 3.000 Wohnungen für 6.000 Menschen sowie Gewerbebauten mit bis zu 16.000 Arbeitsplätzen entstehen. Der restliche Bereich soll laut Letter of Intent für die Hafennutzung vorbehalten werden. Der neue Stadtteil werde 48 Hektar Landfläche von 65 Hektar Gesamtfläche betragen. Die Kosten für das Projekt werden derzeit auf etwa 3,5 Milliarden Euro beziffert, dies teilte Professor Bruns-Berentelg gegenüber dem Hafen Club mit. Ein wesentliches Ziel des Projektes soll die Bereitstellung attraktiver Flächen für Großbetriebe darstellen. Teile der Hafenwirtschaft äußerten sich bereits kritisch zur Einforderung von Hafenflächen sowie zu der Tatsache, dass in den Planungen keinerlei Wassernutzung vorkomme. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Kreuzfahrtaktivitäten in die HafenCity waren von Beginn an Teil der Planungen der HafenCity. Die Kreuzfahraktivitäten sollten in die Entwicklung auf dem Nordufer der Norderelbe integriert werden und so einen engen Bezug zwischen identitätsbildenden Hafenaktivitäten und der Stadtentwicklung des neuen Stadtteils HafenCity als Erweiterung der inneren Stadt schaffen. Dadurch erfolgt auch eine bessere räumliche Bindung der Kreuzfahrtaktivitäten und Kreuzfahrtgäste an Hamburg, unter anderem mit Drucksache 21/12293 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 gesteigerten Umsätzen im Einzelhandel im Vergleich zu einer ausschließlichen Abwicklung von Kreuzfahrtaktivitäten im Hafen. Durch den U-Bahn-Anschluss über die U4-Haltestelle Überseequartier kann eine bessere ÖPNV-Erreichbarkeit dargestellt werden, wie das an einigen anderen Kreuzfahrtstandorten, zum Beispiel Singapur, erfolgreich geschieht. Die damit verbundene Zielsetzung, Kreuzfahrtaktivitäten in den städtischen Kontext zu integrieren, ist vor dem Hintergrund der jetzigen Planung weiterhin richtig und wird weiter verfolgt. Dieses Ziel wurde über mehr als 15 Jahre mit einem, später mit zwei provisorischen Terminalgebäuden in der HafenCity finanziert aus Mitteln des Sondervermögens Stadt und Hafen, verfolgt, zu einem Zeitpunkt als nahezu keine Kreuzfahrtaktivitäten im engeren Hafenbereich stattfanden oder für attraktiv gehalten wurden. Eine Verlagerung von Kreuzfahrtaktivitäten aus der HafenCity in den Hafen wurde vor diesem Hintergrund nicht verfolgt und die Weiterentwicklung von Aktivitäten in der HafenCity stellt damit auch keinerlei Schwächung von Hafenaktivitäten dar. Die Kostensituation zum Terminal im Überseequartier stellt sich wie folgt dar: Zu Beginn der Planungen mit dem vormaligen Konsortium auf Basis des damaligen Kaufvertrages aus 2005 wurde vertraglich von einem Flächenansatz von 2.500 qm Bruttogeschossfläche (BGF) ausgegangen, was der Größenordnung der provisorischen Hallen entsprach. Sowohl die anschließende Größenentwicklung der Kreuzfahrtschiffe als auch Umweltbelange erforderten dann eine anspruchsvollere Integration des Kreuzfahrtbetriebs in den Stadtkontext. Mit Unibail-Rodamco (Vertrag aus Dezember 2014) wurde die gesamte Andienung für Passagiere und Besatzung (Busse , Taxen, Pkw) umweltverträglich unterirdisch angelegt und zudem die Boarding- und Deboardingfläche auf 4.600 qm BGF vergrößert. Das finanzielle Ergebnis für die Freie und Hansestadt Hamburg war neutral, das heißt, erhebliche Verbesserungen der Terminalkonzeption und Ausweitung der Flächen standen zusätzlichem Aufwand von Unibail-Rodamco gegenüber. Es gab zu diesem Zeitpunkt keine Basis für eine vertragliche Vereinbarung mit Unibail-Rodamco, die einen zusätzlichen Kostenbeitrag zur Ausstattung des Terminals ermöglicht hätte. Im Rahmen der weiteren Befassung in den letzten vier Jahren wurde deutlich, dass das ungebrochene Größenwachstum der Schiffe nochmals unter anderem größere Boarding- und Deboardingflächen erfordern würde. Daher wurden nachlaufend zum Vertragsabschluss mit Unibail-Rodamco die Fläche für Boarding und Deboarding auf rund 7.600 qm BGF und die exklusive Terminalfläche im Gebäude auf über 10.000 qm BGF erhöht. Die damit verbundene Kostenerhöhung konnte nicht auf Unibail-Rodamco übergehen, weil der wirtschaftliche Rahmen mit Unibail-Rodamco im Rahmen der intensiven Verhandlungen bereits sehr kompetitiv im Markt verhandelt worden war. Aus Transparenzgründen kam auch eine nachträgliche Minderung des Kaufpreises nicht infrage. Der Betrag von 10 Millionen Euro ist eine nachzuweisende Obergrenze für die Herstellung der weiteren Terminalflächen . Dazu wird laut Vertrag gemeinsam ein Kostencontroller eingesetzt. Dem Kostenbeitrag von 10 Millionen Euro stehen eine erhebliche Leistungserhöhung von Unibail -Rodamco in der Fläche und in der Ausstattung und eine Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Kreuzfahrtbetriebes auf der Nordseite der Elbe im städtischen Kontext gegenüber. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der HafenCity Hamburg GmbH (HCH) und der Hamburg Port Authority AöR (HPA) wie folgt: 1. Wie setzen sich die Kosten für die „erheblichen baulichen und flächenbezogenen Aufwendungen“ aufgrund der Flächenvergrößerung auf 7.600 m² des HafenCity-Terminals zusammen? Die Kosten werden im Vorher-Nachher-Vergleich durch einen gemeinsamen Kostencontroller von Unibail-Rodamco und der HCH ermittelt und beziehen sich nicht nur auf die Flächenvergrößerung der Boarding- und Deboardingflächen, sondern auf alle Anpassungen in allen Geschossen, zum Beispiel Busbahnhof oder das Vorhalten von baulichen Vorkehrungen für die optionale weitere Erweiterung des Terminals. Die Kosten können ohne Baugenehmigung und Ausführungsplanung bei der Komplexität des Gebäudes nicht vorab ermittelt werden; daher wurde eine Kostenobergrenze bestimmt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12293 3 Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Auf welche Höhe belaufen sich die Investitionskosten für den Bau der Landstromanlage am neuen Terminal in der HafenCity? Die Planungen zur Finanzierung und Ausgestaltung der Landstromanlage in der HafenCity sind noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen siehe Drs. 21/10347. 3. Laut Gutachten des US-amerikanischen Kreuzfahrtterminalarchitekten Bermello Ajamil & Partners, Inc. führe der geplante Bau über vier Ebenen operativ zu extremen Herausforderungen (Mehraufwand zwischen 30 und 50 Prozent unter anderem bei Zulieferungen) und Zusatzkosten für Reedereien. Ist dem Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde dieses Gutachten bekannt? a) Wenn ja, wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde dieses? b) Wenn nein, welche Gutachten hat der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde herangezogen, auf denen sich die gegensätzlichen Annahmen laut Drucksache stützen? Das Gutachten ist mehrere Jahre alt und bezieht sich auf den ersten Vorplanungsstand für das Terminal. Dieser Planungsstand ist überholt. Zudem wurde im Rahmen eines Wettbewerbsverfahrens ein neuer Auftragnehmer für die Planung der Terminalflächen gemeinsam von der HPA und HCH gewonnen. Hinweise aus dem ursprünglichen Gutachten sind in die Planung eingearbeitet worden, andere sind nicht weiter verfolgt worden (zum Beispiel Gepäckförderung über Gepäckbänder statt über Aufzüge ) aufgrund anderer Betriebsvoraussetzungen in Hamburg. Gegenüber dem Gutachten wurde auch die Busfläche größer eingeplant, die die Architekten aus dem amerikanischen Kontext wiederum nicht für notwendig hielten. Daher sind in Prüfung/ Abstimmung mit dem vormaligen und dem jetzigen Terminalbetreiber auch nicht alle Themen des Gutachtens zur Grundlage der Planung gemacht worden. Das überarbeitete Konzept des Terminals ist wiederum von den amerikanischen Architekten auf Funktionalität überprüft worden und hat keine weiteren Einwände hervorgebracht. Das Konzept und die detaillierte Planung des Terminals wurden dem Reederausschuss vorgestellt, nachdem es über gut zwei Jahre nach der ersten Vorstellung optimiert wurde. Nach der Optimierung wurde die betriebliche Funktionsfähigkeit des vertikalen Terminals nicht mehr infrage gestellt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Wie garantiert der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde, dass der Investor das bauliche Konzept nicht vorwiegend auf die geplante Shopping-Mall anstatt auf ein funktionsfähiges Kreuzfahrtterminal ausrichtet ? Der Bauantrag für die Terminalflächen wird durch die HCH in Abstimmung mit der HPA eingereicht. Die Planung wird durch eine gemeinsame Arbeitsgruppe von HCH und HPA und die gemeinsam beauftragten Architekten und Fachingenieure erarbeitet; der Terminalbetreiber Cruise Gate Hamburg GmbH (CGH) ist eingebunden. 5. Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Annahme, dass ein reibungsloser Abfertigungsprozess nur für etwa 1.500 anstatt für 3.600 Passagiere zurzeit möglich sei (vergleiche Artikel SLH 2/2018)? Der Senat sieht in ständiger Praxis davon ab, zu Presseberichten Stellung zu nehmen . 6. Unter welchen konkreten Bedingungen ist eine Rendite von jährlich 3 Prozent, mit der die TEG derzeit rechnet, realistisch? Welche Rendite ist zu erwarten, wenn sich die Umstände nicht in Richtung der bestmöglichen Option entwickeln? Siehe Drs. 21/10347. Im Übrigen hat sich der Senat hiermit nicht befasst. 7. Nimmt die HHLA eine zentrale Rolle hinsichtlich der Planungen des Areals auf dem Grasbrook ein? Drucksache 21/12293 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 a) Wenn ja, welche? Inwiefern ist die HHLA in die Planungen und Prozesse eingebunden? b) Wenn nein, wer sind die zentralen Akteure hinsichtlich Flächenübertragungen und -verkäufe? Zuständig für die Flächen sind die Finanzbehörde, die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, die Hamburg Port Authority, die HafenCity Hamburg GmbH und die Kommission für Bodenordnung. 8. Was genau wurde bisher wann und von wem mit betroffenen Hafenbetrieben auf dem Grasbrook verhandelt? Standortfragen und Standortentscheidungen sind sensible Informationen zur strategischen Ausrichtung von Firmen, sie unterliegen somit dem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis der betroffenen Unternehmen. 9. Erhalten Hafenbetriebe, die ihre Flächen verlagern müssen, Ausgleichszahlungen ? a) Wenn ja, in welcher Höhe? b) Wenn nein, warum nicht? Diese Fallkonstellation ist bisher nicht eingetreten. 10. Mehrfach wurde kritisiert, dass Gefahrgut-Szenarien aufgrund der vorgeschriebenen Sicherheitsabstände einen Konflikt zwischen Wohnungen und Gewerbe auf der einen sowie dem Hafenbetrieb auf der anderen Seite hervorrufen könnten. Sieht der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde diese Kritik als gerechtfertigt an? Zwischen Betrieben, die der Störfallverordnung (12. Bundesimmissionsschutzverordnung ) unterliegen und schutzwürdigen Nutzungen sind angemessene Sicherheitsabstände nach § 50 Bundesimmissionsschutzgesetz einzuhalten. Im Zuge der weiteren Planungen ist daher durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass diese Anforderung gegebenenfalls erfüllt wird. Im Übrigen hält der Senat es im Sinne der wirtschaftlichen Entwicklung Hamburgs im Einzelfall für sachgerecht, zugunsten städtischer, gewerblicher und wohnwirtschaftlicher Nutzungen Gefahrgutaktivitäten im Einvernehmen mit den betroffenen Betrieben so anzupassen, sodass die Verträglichkeit mit diesen Nutzungen langfristig gesichert ist oder hergestellt wird. 11. Laut Prof. Bruns-Berentelg müsse es im schlimmsten Fall (vergleiche Frage 10.) zu Betriebsverlagerungen kommen. Werden betroffene Hafenbetriebe in diesem Fall finanziell entschädigt und wohin sollen die Verlagerungen stattfinden? Ob zur Einhaltung angemessener Sicherheitsabstände Betriebsverlagerungen notwendig sind oder durch geeignete zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen eine Lösung erzielt werden kann, ist noch nicht geklärt. Die genauen Planungen beginnen erst in 2018 mit einer sorgfältigen Bestandsaufnahme. Im Übrigen siehe Antwort zu 10. 12. Wie wird der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde sicherstellen , dass Großbetriebe ihre Firmenzentralen in dem neuen Stadtteil Grasbrook ansiedeln? Im Stadtteil Grasbrook soll auch die neue Möglichkeit eröffnet werden, große Unternehmen im innerstädtischen Kontext bei insgesamt dichter Bebauung aufgrund der attraktiven Lage in Elbnähe und gegenüber der HafenCity bei ausreichender neuer Flächenverfügbarkeit anzusiedeln. Dass in attraktiver Lage solche Ansiedlungen erfolgreich dargestellt werden können, zeigt die Entwicklung der HafenCity. Bei der Schaffung von Arbeitsplätzen ist allerdings keine ausschließliche Konzentration auf Großbetriebe und Firmenzentralen vorgesehen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12293 5 13. Wieso wird in den vorgelegten Planungen die Wassernutzung vernachlässigt ? Bisher ist eine Planung weder insgesamt erfolgt noch vorgestellt worden und somit auch nicht für die Wasserflächen. Die nicht mehr hafenwirtschaftlich genutzten Flächen des Moldau- und des Saalehafens werden in die Planungen einbezogen.