BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1230 21. Wahlperiode 11.08.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 05.08.15 und Antwort des Senats Betr.: Zwischen Denkmalschutz und Gesundheitsgefährdung: Hat der rotgrüne Senat keinen Plan für den Harburger Binnenhafen? Wie der Presse zu entnehmen ist, tritt die weitere Stadtentwicklung des Harburger Binnenhafens auf der Stelle. Das frühere Gelände der New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie AG kann seit Jahren nicht weiterentwickelt werden, da die denkmalgeschützten Gemäuer der alten Fabrik mit krebserregenden Nitrosaminen belastet sind. Diese Tatsache ist seit vielen Jahren bekannt, dennoch haben bis heute Investor, Bezirksamt, Denkmalschutzamt und Gesundheitsbehörde nicht zu einer Lösung gefunden. Der Investor drängt auf Abriss und bietet einen originalgetreuen Neubau an, die Denkmalschutzbehörde beharrt auf den Erhalt der alten Bausubstanz. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Aus welchen Gründen stehen die Gebäude auf dem ehemaligen Gelände der New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie unter Denkmalschutz ? Mit der Gründung der „Harburger Gummi-Kamm-Compagnie“ Mitte des 19. Jahrhunderts östlich des Harburger Hafens wurde die Industrialisierung und damit das wirtschaftliche Wachstum Harburgs eingeläutet und die erste deutsche Hartgummifabrik errichtet. Die Fabrik brannte 1866 ab und es entstand auf demselben Gelände unter Verwendung von Resten die Fabrikanlage der „New-York-Hamburger Gummi-Waaren Companie“, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts erweitert wurde. Bei dem Komplex handelt es sich um eines der eindrucksvollsten Beispiele der Industriearchitektur im heutigen Hamburg. Die Erhaltung des Ensembles liegt daher aus geschichtlichen, baugeschichtlichen und industriegeschichtlichen Gründen im öffentlichen Interesse. 2. Wie hoch ist die Gesundheitsbelastung in den denkmalgeschützten Gebäuden tatsächlich? Ist eine Nutzung der Gebäude tatsächlich komplett auszuschließen? Wenn ja, warum? 3. Welche Nutzungsmöglichkeiten bestehen unter den gegebenen Umständen für die denkmalgeschützten, nitrosaminenbelasteten Gebäude ? N-Nitrosamine sind als krebserzeugende Stoffe der Kategorie 1b eingestuft (europäisches Gefahrstoffrecht). Zur Abwehr gesundheitsschädlicher Wirkungen gilt für solche Stoffe grundsätzlich das Minimierungsgebot. Umfangreiche Messungen im Jahr 2008 ergaben N-Nitrosamin-Werte, die weit über den Konzentrationen liegen, die nach Erkenntnissen von internationalen Organisationen und Fachinstitutionen mit einem Krebserkrankungsrisiko verbunden sind. Drucksache 21/1230 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Eine Nutzung zu Wohn- oder Arbeitszwecken ist nur möglich, wenn keine krebserzeugenden N-Nitrosamine mehr nachgewiesen werden können beziehungsweise die Innenraumluftkonzentration der der Außenluft entspricht. Das erfordert Sanierungsmaßnahmen , die ein Austreten der N-Nitrosamine aus dem Mauerwerk absolut sicher verhindern können. Es liegen jedoch wenige Erfahrungen zu den diskutierten Verfahren vor. Der Entscheidungsprozess ist noch nicht abgeschlossen. 4. Hat der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde Vorstellungen entwickelt, wie die denkmalgeschützten, nitrosaminenbelasteten Gebäude und damit auch der Harburger Binnenhafen unter diesen Umständen weiter entwickelt und genutzt werden können? Im Rahmen des B-Planverfahrens haben verschiedene Gespräche zwischen dem Projektentwickler, dem zuständigem Bezirksamt, dem Investor, der Kulturbehörde und der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz zu verschiedenen möglichen Nutzungs-, Umbau- und Abriss-Varianten stattgefunden. Diese Gespräche sind noch nicht abgeschlossen. 5. Welche Untersuchungen haben stattgefunden, durch die die Schadstoffbelastung festgestellt worden ist? Dem zuständigen Bezirksamt liegen Informationen zu mindestens elf Untersuchungen vor, die in den Jahren 1999 bis 2013 im Zusammenhang mit der Belastung durch N-Nitrosamine in den Gebäuden der New-York-Hamburger Gummi-Waaren Compagnie erstellt wurden (Luftmessungen, Messungen in der Bausubstanz). 6. Haben die zuständigen Behörden alle Möglichkeiten geprüft, die Gebäude zu erhalten und dabei Vorsorge zu treffen, dass die Gifte unschädlich gemacht werden können? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Es obliegt dem Projektentwickler, den Nachweis darüber zu führen, unter welchen Bedingungen und mithilfe welcher geeigneten Maßnahmen die von ihm geplanten Nutzungen realisiert werden können. Hierzu steht der Projektentwickler mit den zuständigen Dienststellen im Kontakt. Im Übrigen siehe auch Antwort zu 4. 7. Aus welchen Gründen lehnt die Denkmalschutzbehörde den originalgetreuen Nachbau der alten Gebäude ab? Die zentrale Aufgabe von Denkmalpflege und Denkmalschutz ist der Erhalt von historischen Zeugnissen. Nur Originale enthalten die Informationen aus der Vergangenheit, die den Denkmalwert ausmachen. Eine Rekonstruktion kann ein historisches Zeugnis nicht ersetzen. 8. Inwieweit sind tatsächlich Neubauten durch die Nähe zu den mit krebserregenden Nitrosaminen verseuchten Gebäuden belastet? Den zuständigen Behörden liegen hierzu keine Untersuchungsergebnisse vor. 9. Welche gesundheitlichen Gefahren bestehen für Anwohner? Welche Untersuchungen hat die zuständige Behörde bereits veranlasst? Siehe Antworten zu 8. und zu 10. 10. In welchem Umkreis besteht aus Sicht der zuständigen Behörde aufgrund der mit krebserregenden Nitrosaminen belasteten Gebäuden Gefahr für Menschen? Da die N-Nitrosamine photolytisch, also durch Lichteinwirkung, abgebaut werden und in der Außenluft eine sehr starke Verdünnung erfahren, ist es unwahrscheinlich, dass von den Gebäuden eine Gefahr für die menschliche Gesundheit ausgeht. Im Zusammenhang mit dem benachbarten Neubaugebiet „Neuländer Quarree“ sind Messungen angefordert worden. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1230 3 11. Für den Fall des Abrisses der denkmalgeschützten Gebäude: Wären gesundheitliche Gefahren für den Menschen in der Umgebung mit dieser Maßnahme auszuschließen? Zu hypothetischen Fragen nimmt der Senat keine Stellung. 12. Wie bewertet die zuständige Behörde die mögliche Bodenbelastung des Areals, auf dem die mit Nitrosaminen belasteten Gebäude stehen? Auf dem Grundstück wurden bereits 1999/2000 orientierende und 2007 detaillierte Bodenuntersuchungen vorgenommen und Verunreinigungen mit standorttypischen Schadstoffen festgestellt. Es liegt kein Hinweis auf N-Nitrosamine im Boden vor. Der Gutachter kam zu dem Schluss, dass eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Bodenbelastungen bei Beibehaltung der derzeitigen Nutzung nicht gegeben ist. Bei einer künftigen Nutzungsänderung oder bei baulichen Änderungen wären weitere Untersuchungen erforderlich.