BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12307 21. Wahlperiode 20.03.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Carsten Ovens und Franziska Grunwaldt (CDU) vom 12.03.18 und Antwort des Senats Betr.: Berufliche Hochschule Hamburg – Ankündigung lässt viele Fragen offen Kurz vor Ende seiner Amtszeit als Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg lud Olaf Scholz noch einmal zur Pressekonferenz. Vorgestellt wurde die Idee einer Beruflichen Hochschule Hamburg. Soweit bislang bekannt, soll die neue Hochschule ab dem Jahr 2020 Berufsausbildungen mit integriertem Studium bieten. Laut dem scheidenden Bürgermeister Scholz soll dies die „nächste ganz große Innovation“ werden. So soll es an der neuen Hochschule zukünftig möglich sein, Ausbildung und Studium zu kombinieren und dabei ein Drittel der Zeit zu sparen, die bislang notwendig ist, um beide Bildungsabschlüsse konsekutiv zu absolvieren. Das Angebot an Hochschulen und Studiengängen ist in Hamburg bereits sehr vielfältig. Neben einem klassischen Studium in Vollzeit bieten gerade die privaten Hochschulen, zum Beispiel die HSBA sowie die Northern Business School, auch Teilzeitmodelle an, die eine Kombination von Beruf und Studium ermöglichen. Daher ist es mehr als verwunderlich, dass nun vom Bürgermeister und gleich zwei Fachsenatoren eine reine Idee präsentiert wurde, ohne auf konkrete Details einzugehen. Offen geblieben ist unter anderem, für welche Berufe genau die studienintegrierte Ausbildung angeboten werden soll, wie die Auswahl der Bewerber ablaufen wird und wie viel Geld das ganze Projekt den Steuerzahler überhaupt kosten soll. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Auf welcher Grundlage (zum Beispiel Markterkundung, Befragung von Auszubildenden oder Studenten, Diskussion mit Wirtschaftsverbänden, Evaluation der Gründe von Studienabbrechern in Hamburg) ist die Idee für die neue Hochschule entstanden? Die Bürgerschaft hat mit der Drs. 19/8472 Maßnahmen zur Umsetzung der Reform der beruflichen Bildung in Hamburg beschlossen, um die Attraktivität der dualen Ausbildung zu erhöhen. Dieses Ziel wird durch die Verbesserung der Möglichkeit, höhere Bildungsabschlüsse parallel zur beruflichen Ausbildung zu erwerben und damit weitergehende Berufsperspektiven zu erschließen, erreicht. Ein weiteres Ziel der Reformmaßnahmen besteht in der Verbesserung der Leistungsfähigkeit der beruflichen Bildung in Hamburg hinsichtlich der beruflichen und gesellschaftlichen Integration junger Erwachsener. Drucksache 21/12307 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die im Jahr 2014 beschlossene Hamburger Strategie zur Sicherung des Fachkräftebedarfs (siehe http://www.hamburg.de/contentblob/3987026/ 3a9333420fcf69b12b771db5fe68e465/data/fachkraeftestrategie.pdf;jsessionid=FC412 FEE885CFF7B686946DFE16D5454.liveWorker2) weist als ausdrückliches Ziel die Erleichterung des Übergangs von beruflicher Aus- und Fortbildung in hochschulische Bildung aus. Das Hamburger Institut für Berufliche Bildung (HIBB) verfolgt im Rahmen seiner Zielund Leistungsvereinbarung mit der für Bildung zuständigen Behörde auf dieser Grundlage die Projekte „Steigerung der Attraktivität der dualen Ausbildung“ und „Erhöhung der Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung“. Im Rahmen des letztgenannten Projektes wurden die Möglichkeiten der Einrichtung einer studienintegrierenden Ausbildung in Anlehnung an das Positionspapier der Initiative „Chance Ausbildung “ (siehe https://www.bibb.de/dokumente/pdf/a_3_3_durchlaessigkeit_Position_ 150622.pdf) sondiert.1 In diesem Zusammenhang wurde die wissenschaftliche Expertise von Professor Dr. Dieter Euler, Universität St. Gallen, und Professor Dr. Eckart Severing, Universität Erlangen-Nürnberg, in Bezug auf die Gründung einer Beruflichen Hochschule in Hamburg eingeholt. Durch Workshops, Experteninterviews sowie die Analyse aktueller Daten der Hamburger Schulstatistik wurde unter anderem herausgearbeitet, dass angesichts der gegebenen Ausgangslage in Hamburg (zum Beispiel hohe Quote von Schulabsolventen mit Hochschulzugangsberechtigung, hoher Fachkräftebedarf im Überschneidungsbereich von beruflicher und akademischer Bildung) eine Berufliche Hochschule einen wichtigen Beitrag dazu leisten kann, Bildungsverläufe zu verkürzen und gegebenenfalls die Zahl von Studienabbrechern zu verringern. Diese Befunde decken sich mit den Empfehlungen des Wissenschaftsrates aus dem Jahr 2014 zur Gestaltung des Verhältnisses von beruflicher und akademischer Bildung . Der Wissenschaftsrat weist darauf hin, dass noch nicht erschlossenes Potenzial in hybriden Ausbildungsformen, in denen berufliche und akademische Ausbildungsphasen kombiniert werden, besteht. Bisher fehlen Formate, die akademische Inhalte in Berufsausbildungsgänge integrieren, weitgehend (siehe Empfehlungen zur Gestaltung des Verhältnisses von beruflicher und akademischer Bildung, Drs. 3818-14 des Wissenschaftsrats, 2014, https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/3818- 14.pdf). Auf diesen Feststellungen und Zielsetzungen basiert die Entscheidung für die Gründung der Beruflichen Hochschule. 2. Mit welchen Institutionen wurden für die Konzeption der Hochschule bislang konkret gesprochen? Welche Institutionen sollen zukünftig eingebunden werden? Verschiedene Hochschulen und Akteure der beruflichen Bildung waren unter anderem in die Aktivitäten zur Konzipierung einer studienintegrierenden Ausbildung eingebunden (siehe Antwort zu 1.). Dieses Handlungsfeld war außerdem ein Themenschwerpunkt der bundesweiten Fachtagung „150 Jahre Berufliche Bildung Hamburg“ im Jahr 2015. Vorgespräche zur Konzeption der Hochschule wurden darüber hinaus mit der Handelskammer und der Handwerkskammer sowie mit deren Bildungseinrichtungen Hamburg School of Business Administration (HSBA) und Berufsakademie des Handwerks (BAH), mit dem Unternehmensverband Nord und dem Deutschen Gewerkschaftsbund geführt. Diese und gegebenenfalls weitere Institutionen werden auch in künftige Entwicklungen einbezogen. 3. Für welche Berufe soll die studienintegrierte Ausbildung zukünftig angeboten werden? Und wie wird die Auswahl der Bewerber ablaufen? 1 Beteiligt sind die zuständigen Fachministerien aus acht Bundesländern sowie die Bundesagentur für Arbeit und die Bertelsmann Stiftung, vergleiche https://www.bertelsmannstiftung .de/de/unsere-projekte/chance-ausbildung/projektnachrichten/studienintegrierendeausbildung -fuer-mehr-durchlaessigkeit-zwischen-beruflicher-und-akademischer-bildung/. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12307 3 Nach derzeitigem Kenntnisstand eignet sich die studienintegrierende Ausbildung zunächst für Berufsgruppen im kaufmännischen und gewerblich-technischen Bereich. Die Überlegungen des Senats zur Ermittlung besonders geeigneter Ausbildungsberufe und zu geeigneten Auswahlverfahren für Bewerberinnen und Bewerber sind noch nicht abgeschlossen. 4. Mit welchen Summen soll das Projekt in den ersten Jahren veranschlagt werden? Wofür genau werden diese Kosten voraussichtlich entstehen? 5. Soll die neue Hochschule als rein staatliche Hochschule gegründet werden oder ist hier ein Kooperationsmodell mit einer privaten Hochschule angedacht? Wenn letzteres der Fall ist, hat es hierzu bereits eine Ausschreibung gegeben beziehungsweise mit welchen privaten Hochschulen befindet sich der Senat im Gespräch? 6. Die Gründung einer neuen Hochschule ist ein komplexes Unterfangen. Wenn bislang nicht mehr feststeht als vom Bürgermeister und den anwesenden zwei Senatoren bei der Vorstellung der Idee verkündet, warum war es dann notwendig, den Vorstellungstermin bereits mehr als zwei Jahre vor dem Start der Institution durchzuführen? Da die Umsetzung der beschriebenen Ziele ein sehr komplexes Unterfangen ist, wird ein Vorlauf von circa zwei Jahren erforderlich sein. Eine rechtzeitige Bekanntgabe war notwendig, um den Prozess transparent zu gestalten. Die neue Hochschule soll als staatliche Hochschule gegründet werden. Die Überlegungen zu den Kosten sind noch nicht abgeschlossen. 7. Ist es richtig, dass Senator Rabe für den Vorstellungstermin eigens seinen Urlaub unterbrechen musste? Wenn ja, welche Kosten (Flüge, Transfers et cetera) sind hierdurch entstanden ? Durch die Teilnahme des Präses der für Bildung zuständigen Behörde sind keine Kosten entstanden.