BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12331 21. Wahlperiode 20.03.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 13.03.18 und Antwort des Senats Betr.: „Montagsdemos“ in Hamburg Erstmals am 06.02.2018 wurde am Jungfernstieg in Hamburg eine Versammlung unter den Tenor „Merkel muss weg“ durchgeführt. Seitdem wurden am 12.02 am Jungfernstieg, am 19.02 und am 26.02. am Gänsemarkt und am 05.03. und 12.03. am Dag-Hammarskjöld-Platz gleichartige Versammlungen durchgeführt. Am 26.02.2018 hat das Landesamt für Verfassungsschutz auf seiner Homepage darauf hingewiesen, dass die Versammlung rechtsextremistische Züge aufweist und die Initiatoren aus rechtsextremistischen Strukturen stammen. Auch in der Presseberichterstattung wird thematisiert, dass sich unter den Versammlungsteilnehmern bekannte Nazis befinden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Teilnehmer/-innen hatten die oben genannten Versammlungen jeweils? Datum Anzahl Teilnehmer 06.02.2018 46 12.02.2018 circa 120 19.02.2018 circa 230 26.02.2018 circa 300 05.03.2018 circa 350 12.03.2018 circa 250 2. Liegen bereits weitere Anmeldungen gleichartiger Versammlungen vor? Wenn ja, für welche Daten und welche Orte? Siehe Drs. 21/12260. Als Versammlungsort ist jeweils der Dag-Hammarskjöld-Platz vorgesehen. 3. Ist der/die Anmelder/in eine Privatperson? Handelt es sich dabei immer um die gleiche Person? Anmelder ist bei allen zukünftigen Versammlungen die gleiche Privatperson. In der Vergangenheit haben verschiedene Privatpersonen die Versammlungen angemeldet. 4. Haben jeweils Kooperationsgespräche zwischen Versammlungsbehörde und den Anmeldern/-innen stattgefunden? Gab es beschränkende Verfügungen durch die Versammlungsbehörde? Wenn ja, welche? Kooperationsgespräche im Sinne der Fragestellung wurden geführt; beschränkende Verfügungen wurden nicht erlassen. Drucksache 21/12331 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 5. Sind personellen Überschneidungen der Organisatoren/-innen mit bekannten Personen aus anderen politischen/weltanschaulichen Gruppen bekannt? 6. Welche Gruppierungen rufen nach Kenntnis des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde zur Teilnahme an den montäglichen „Merkel -muss-weg“-Versammlungen auf oder äußern sich in positiver Weise zu den Versammlungen? 7. Hat der Senat Kenntnis über die bisher in Hamburg aufgetretenen beziehungsweise angekündigten Redner/-innen und ihre politischen Hintergründe ? 8. Welche Kenntnisse hat der Senat beziehungswiese die zuständige Behörde über die bei den Versammlungen verbreiteten Inhalte und wie schätzt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde diese ein? Die Mobilisierung erfolgt nach Erkenntnissen des Landesamtes für Verfassungsschutz insbesondere durch Einzelpersonen über soziale Netzwerke, unter ihnen befinden sich auch Rechtsextremisten. Im Rahmen der bisherigen Demonstrationen wurden eindeutig demokratie- und ausländerfeindliche Äußerungen getätigt. Die Bundesregierung wurde unter anderem als „Volksverräter“ und Flüchtlinge wurden als „Invasoren“ verunglimpft. Zudem wurden von Einzelpersonen reichsbürgertypische Äußerungen getätigt. Die bei Versammlungen auf Plakaten und Transparenten verbreiteten Inhalte verstoßen nicht gegen geltendes Recht. Im Übrigen siehe Drs. 21/12100 und Internetbeiträge des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg: http://www.hamburg.de/innenbehoerde/schlagzeilen/ 10690368/auch-reichsbuerger-unter-den-versammlungsteilnehmern/. 9. Wurden vor, bei, nach oder im räumlich-zeitlichen Zusammenhang mit den jeweiligen Versammlungen polizeiliche Maßnahmen gegen die Teilnehmer der sogenannten Merkel-muss-weg-Versammlungen durchgeführt ? Wenn ja, welche? Bei Versammlungen sowie bei deren Vor- und Nachlauf wird eine Vielzahl von polizeilichen Maßnahmen getroffen, um allen Versammlungsteilnehmern die Ausübung ihres Grundrechts auf Versammlungsfreiheit zu ermöglichen. Sie erfolgen in einem Gesamtkonzept und werden nicht vollumfänglich gesondert erhoben. Darüber hinaus ist aufgrund einer Gemengelage, die sich aus dem räumlich-zeitlichen Zusammenhang jeweils mehrerer Versammlungen und einer Vielzahl von Personen ergibt, eine versammlungsbezogene Zuordnung von Maßnahmen im Sinne der Fragestellung vielfach nicht möglich. Zugeordnet werden können eingeleitete Ermittlungsverfahren; im Übrigen siehe Antwort zu 10. 10. Wurden im räumlich-zeitlichen Zusammenhang mit den jeweiligen sogenannten Merkel-muss-weg-Versammlungen Ermittlungsverfahren gegen Teilnehmer/-innen der genannten Versammlung eingeleitet? Wenn ja, welche? Ja, die Polizei hat mit Stand 14. März 2108 sechs Ermittlungsverfahren im Sinne der Fragestellung eingeleitet. Vier Verfahren wegen Verdachts des Verstoßes gegen das VersG sowie je ein Verfahren wegen Verdachts der Körperverletzung und der Volksverhetzung. 11. Anlässlich der Versammlung am 05.03.2018 twitterte die Polizei Hamburg : „Aktuell nehmen ca. 350 Personen an der Versammlung am Dag- Hammarskjöld-Platz teil. Im Umfeld befinden sich ca. 1000 Personen Protestklientel.“ Aus welchem Grund werden Gegendemonstranten/ Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12331 3 -innen, die ihr Recht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen, als „Protestklientel “ bezeichnet? Wie bewertet den Senat – vor dem Hintergrund, dass die Bezeichnung von vielen als abwertend empfunden wird – den Tweet der Polizei? Ist der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde der Auffassung, dass bei dem Tweet das Neutralitätsgebot ausreichend berücksichtigt wurde? Die Polizei hat in diesem Zusammenhang die Bezeichnung „Protestklientel“ verwandt, da unterschiedliche Gruppen von Personen zusammengefasst werden mussten. Darunter zu subsumieren waren sowohl Versammlungsteilnehmer als auch Gruppen und Einzelpersonen aus dem Umfeld, die keiner Versammlung zuzuordnen waren, aber sehr wohl durch ihre Äußerungen oder ihr Verhalten eine Ablehnung gegenüber der Versammlung am Dag-Hammarskjöld-Platz deutlich gemacht haben. Der Senat sieht das Neutralitätsgebot hierdurch nicht verletzt. 12. Im Internet kursiert ein Foto, das am 26.02.2018 am Gänsemarkt im Umfeld der „Merkel-muss-weg“-Versammlung aufgenommen wurde. Auf dem Foto ist zu sehen, wie der „szenekundige Beamte“ Peter G. einen bekannten Neonazi per Handschlag begrüßt. Die Polizei Hamburg hat mittlerweile bestätigt, dass sich der Beamte dienstlich am Gänsemarkt befand, er das Gespräch mit einem ihm bekannten „HSV-Fan“ gesucht habe und eine Begrüßung per Handschlag den üblichen Umgangsformen entspräche. a. War zum Zeitpunkt dieser Stellungnahme die Identität der Person, die von dem Beamten begrüßt wurde, bekannt? Wenn ja, aus welchem Grund wird ein bekannter Neonazi verharmlosend als „HSV-Fan“ bezeichnet? Wenn nein, hält der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde auch nach Kenntnis über die Identität der Person an der Einordnung , dass es sich um einen üblichen Vorgang handelt, fest? b. Sieht der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde bei diesem Vorgang das Neutralitätsgebot ausreichend berücksichtigt? Der Polizei war die Identität der in Rede stehenden Person zum Zeitpunkt der Stellungnahme bekannt. Die Person wurde allerdings nicht explizit als „HSV-Fan“ bezeichnet, sondern als „aus seiner (Peter G´s.) dienstlichen Tätigkeit als Szenekundiger Beamter (SKB) beim HSV bekannt“. Der dienstliche Auftrag des SKB vor Ort bestand unter anderem darin, eine etwaige Beteiligung von Personen aus dem Fußballumfeld aufzuklären. Dabei erkannte der SKB die ihm aus seiner dienstlichen Tätigkeit bekannte Person und trat mit dieser in ein Gespräch, um weitere Erkenntnisse entsprechend seines Auftrags zu erlangen. Da auch der SKB aufgrund seiner jahrelangen Tätigkeit in dieser Szene persönlich und namentlich bekannt ist, ist die Form der durch den Beamten gewählten Kontaktaufnahme nicht ungewöhnlich, sondern entspricht den üblichen Umgangsformen. Das Neutralitätsgebot erfordert es nicht, allgemein im Umgang zwischen Personen übliche Umgangsformen nicht wahrzunehmen .