BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12361 21. Wahlperiode 23.03.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 15.03.18 und Antwort des Senats Betr.: Herausnahme von Büchern aus dem Bestand der Bücherhallen Hamburg aus politischen Gründen „Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“ (Heinrich Heine) Die durch öffentliche Mittel der Freien und Hansestadt Hamburg subventionierten Bücherhallen Hamburg haben Ende Oktober 2015 „nach den Äußerungen von Akif Pirinçci auf der Pegida-Demonstration in Dresden entschieden , die Werke des Autors aus dem Bestand zu nehmen“. So äußert sich die Direktorin der Bücherhallen Hamburg, Frau Hella Schwemer-Martienßen, in einem der AfD-Bürgerschaftsfraktion vorliegendem Schreiben an einen Nutzer , der sich zuvor über die Herausnahme der sämtlichen Werke des Autors aus den Bibliotheken der Bücherhallen Hamburg beschwert hatte. Schwemer -Martienßen begründet den Schritt in dem Schreiben vom 21. August 2017 ferner damit: „Wir (Direktion, Lektorat, Mitglieder des Kollegiums) waren der Meinung, dass Akif Pirinçci eine Grenze überschritten und den demokratischen Konsens verlassen hatte. Damit folgten wir dem Vorgehen des Verlags Random House, der zuvor alle Verträge mit dem Autor gekündigt hatte.“ Hintergrund: Kein Werk des Autors Pirinçci ist verboten. Kein Werk von ihm erfüllt einen Straftatbestand. Der Autor hat gegenüber zahlreichen Medien Unterlassungen erzwungen, weil seine Aussagen auf der Pegida-Demonstration in einem falschen Kontext dargestellt wurden. Die Bücherhallen Hamburg sollen gemäß § 2 ihrer Satzung „der Förderung der Volksbildung“ dienen. Als gemeinnützige Organisation sollen die Bücherhallen der Allgemeinheit dienen, nicht einer bestimmten politischen oder gesellschaftlichen Strömung/Gesinnung. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Gemäß § 2 der Stiftungssatzung ist es Zweck der selbständigen privaten Stiftung Hamburger Öffentliche Bücherhallen (HÖB), ein leistungsfähiges System öffentlicher Bücherhallen in der Freien und Hansestadt Hamburg zu betreiben, das als Informationsspeicher und Informationsvermittler für alle bibliotheksüblichen Medien und als Partner der Bürgerinnen und Bürger und Bildungseinrichtungen bei der Verwirklichung von Lese-, Lern-, Orientierungs- und Bildungsinteressen dient und das dabei zugleich kultureller Ort und Mitträger der soziokulturellen Stadtteilarbeit ist. Zur Verwirklichung dieser Aufgabe erhält die Stiftung laufende staatliche Zuwendungen im Rahmen des von der Bürgerschaft beschlossenen Haushalts. Das Angebot der Bücherhallen umfasst einen Bestand von rund 1,7 Millionen Medien, der nach den für öffentliche Bibliotheken üblichen bibliotheksfachlichen Kriterien Drucksache 21/12361 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 zusammengesetzt ist und laufend überprüft und aktualisiert wird. Ein Auftrag zur Sammlung aller auf dem Buchmarkt erschienenen Titel besteht hingegen nicht. Über das Pflichtexemplarrecht, welches in Hamburg bei der Staatsbibliothek liegt, sowie die Bestände der Deutschen Nationalbibliothek als zentraler Archivbibliothek für alle Medienwerke in deutscher Sprache aus dem In- und Ausland ist die öffentliche Zugänglichkeit von Titeln gewährleistet, die sich nicht im Bestand der Bücherhallen befinden. Die Entscheidung über den Medienbestand zählt zu den Angelegenheiten der laufenden Geschäftsführung der Stiftung, die die gemäß der Stiftungssatzung vom Vorstand verantwortet wird („Der Vorstand leitet und verwaltet die Stiftung“). Konkret trifft das Lektorat der Stiftung auf Basis kennzahlengestützter Kriterien eine Auswahl aus den Neuerscheinungen und entscheidet darüber, welche Medien aus Platz- oder Aktualitätsgründen aus dem Bestand genommen werden. Jährlich werden rund 200.000 Medien neu aufgenommen und eine ähnliche Anzahl aus dem Bestand gelöscht. Eine Auflistung der in den letzten fünf Jahren gelöschten Titel ist nicht verfügbar. Die einvernehmliche Entscheidung des Stiftungsvorstands, die Titel des Autors Akif Prinḉci aus dem Bestand der Bibliothek zu nehmen, ist nachvollziehbar begründet und vom Stiftungsauftrag gedeckt. Ein Anlass zu einer Beanstandung durch den Stiftungsrat oder die Behörde für Kultur und Medien (BKM) besteht daher nicht. Das genaue Datum der Entscheidung wurde von der HÖB nicht erfasst und ist im Nachhinein nicht ermittelbar. Die BKM wurde am 21. August 2017 durch ein Schreiben eines Nutzers an mehrere Mitglieder des Stiftungsrates der Stiftung HÖB auf das Thema aufmerksam gemacht. Die BKM hat daraufhin den Vorstand der Stiftung HÖB um Beantwortung des Schreibens in eigener Zuständigkeit gebeten. Der Stiftungsrat hat sich später kurz zu dem Sachverhalt ausgetauscht, ein Anlass zur Beanstandung der Entscheidung des Vorstands bestand nicht. Dieses wurde dem Nutzer mit Schreiben der BKM mitgeteilt. Der Sachverhalt war außerdem Gegenstand der Eingabe Nummer 719/17. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Stiftung HÖB wie folgt: 1. Wann wurde die Entscheidung getroffen, sämtliche Bücherbestände des Autors Akif Pirinçci aus den Bibliotheken der Bücherhallen Hamburg zu entfernen? Bitte das genaue Datum der Entscheidung angeben. 2. Innerhalb welches Gremiums wurde die Entscheidung getroffen und wer war an der Entscheidung beteiligt? Bitte das Gremium und die an der Entscheidung beteiligten Mitglieder mit vollständigen Namen und ihren jeweiligen Funktionen benennen. 3. Wurde die Entscheidung einvernehmlich ohne Wahl getroffen oder kam es zu einer Abstimmung? Bitte ausführlich erläutern und gegebenenfalls das Abstimmungsergebnis angeben. 4. Welche Gremien, welche Funktionsträger entscheiden allgemein darüber , Buchbestände spezifischer Autoren (auch gesamte Werke) aus dem Bestand der Bücherhallen herauszunehmen? Bitte unter Bezug auf die gültigen Rechtsgrundlagen (zum Beispiel die Stiftungssatzung) ausführlich erläutern. 5. Aufgrund welcher Rechtsgrundlage wird die Herausnahme von Büchern aus dezidiert politischen Gründen legitimiert, wie es im Fall Akif Pirinçci erfolgte und von der Direktorin der Bibliothek bestätigt wurde? Bitte die Rechtsgrundlagen und entsprechenden Passagen benennen. 6. Welche Werke wurden in den vergangenen fünf Jahren aus dem Bestand der Bücherhallen herausgenommen? Bitte aufschlüsseln nach „einzelnen Werken eines Autors“ und „sämtlichen Werken eines Autors“, die zum jeweiligen Zeitpunkt im Bestand der Bücherhallen noch gelistet waren. Siehe Vorbemerkung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12361 3 7. Wurden Einzel- oder Gesamtwerke von Autoren, die dem linken politischen Lager zuzurechnen sind, herausgenommen? Dieses ist kein für Bestandsentscheidungen relevantes Kriterium. 8. Mit welchen Beträgen wurden die Bücherhallen Hamburg in den vergangenen fünf Jahren durch die Freie und Hansestadt Hamburg subventioniert ? Bitte aufschlüsseln für die Jahre 2014 bis 2018. Die bewilligten Förderungen wurden über das Transparenzportal veröffentlicht (siehe http://transparenz.hamburg.de/). 9. Werden die Bücherhallen Hamburg vollständig durch Mittel der Freien und Hansestadt Hamburg getragen? Wenn nein: Welchen Anteil an der Finanzierung der Bücherhallen Hamburg macht die öffentliche Förderung aus? Das Angebot der Stiftung HÖB wird ganz überwiegend aus staatlichen Mitteln finanziert . Die institutionelle Förderung machte 2017 circa 86 Prozent des Betriebshaushaltes aus. 10. Auf welchen Rechtsgrundlagen werden die öffentlichen Mittel gewährt? Bitte umfassend erläutern. Die Gewährung von Zuwendungen erfolgt gemäß § 46 Landeshaushaltsordnung sowie der hierzu erlassenen Verwaltungsvorschriften (siehe http://www.hamburg.de/ fb/haushaltsrecht/). 11. Gibt es eine Ziel- und Leistungsvereinbarung oder eine Fördervereinbarung /-richtlinie, an die die Gewährung öffentlicher Mittel geknüpft ist? Bitte umfassend erläutern. Das Instrument der Ziel- und Leistungsvereinbarung wurde auf Empfehlung des Rechnungshofes aufgegeben, die institutionelle Förderung erfolgt auf Basis des Zuwendungsantrags sowie der von der Stiftung vorgelegten Unternehmens- und Finanzplanung. 12. Würde die Herausnahme von Büchern aus dem Bibliotheksbestand aus politischen Gründen, wie es die Direktorin Schwemer-Martienßen im Fall des Autors Pirinçci bestätigt, seitens der Freien und Hansestadt Hamburg gegen die Gewährung von öffentlichen Mitteln (auch teilweise) verstoßen ? Die Herausnahme der benannten Medien ist vom Auftrag der Stiftung gedeckt (siehe Vorbemerkung) und steht im Einklang mit der Gewährung der staatlichen Förderung. 13. Wie bewertet die Behörde für Kultur und Medien die Herausnahme der gesamten Werke des Autors Pirinçci aus politischen Gründen durch die Leitung der Bücherhallen Hamburg? Die BKM verweist auf die fachliche Zuständigkeit des Vorstands der selbständigen Stiftung HÖB. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 14. Welche Personen innerhalb der Behörde für Kultur und Medien sind für die Gewährung der öffentlichen Mittel für die Bücherhallen Hamburg verantwortlich? Bitte die Personen mit vollständigen Namen angeben sowie ihre Funktion benennen. Die Zuwendungsbewilligung erfolgt entsprechend der allgemeinen Zuständigkeitsverteilung der BKM im Rahmen des von der Bürgerschaft beschlossenen Fachhaushalts. 15. Wie und wann haben die verantwortlichen Personen aus der Behörde für Kultur und Medien von der Herausnahme der kompletten Werke des Autors Pirinçci erfahren und welche Maßnahmen wurden anschließend ergriffen? Siehe Vorbemerkung. Drucksache 21/12361 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 16. Handelt es sich bei den Verantwortlichen aus Frage 13. um Landesbeamte der Freien und Hansestadt Hamburg? Siehe Antwort zu 13.