BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12366 21. Wahlperiode 23.03.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Jörg Hamann (CDU) vom 15.03.18 und Antwort des Senats Betr.: City-Hof – Verstößt der Senat vorsätzlich gegen Recht und Gesetz? Nach den Presseveröffentlichungen zum Entwurf der Senatsdrucksache Nummer 2018/00584 „City-Hof“ ist es „zwingende Voraussetzung für den Abriss eines denkmalgeschützten Gebäudes“, dass überwiegende öffentliche Interessen bestehen. Dazu gehören „insbesondere Belange des Wohnungsbaus “. Ich frage den Senat: 1. Ist es, wie in der Senatsdrucksache ausgeführt, richtig, dass „Wohnungen bei Erhalt des City-Hofs nicht genehmigt werden“ können? Wenn ja, aufgrund welcher Prüfungen und Gutachten kommt der Senat zu diesem Ergebnis? Bitte Prüfungen und Gutachten beifügen. Nach § 2 Nummer 2.1.1 der Verordnung über den Bebauungsplan Hamburg-Altstadt 47/Neustadt 49, festgestellt am 05.07.2011, in dessen Geltungsbereich das Bauvorhaben liegt, gilt unter anderem folgende lärmtechnische Anforderung an die Wohnungen : Bei Lärmpegeln oberhalb von 60 dB(A) nachts (22 – 6 Uhr) sind Schlaf- und Kinderzimmer zu lärmabgewandten Gebäudeseiten zu orientieren. Als Maßstab zur Quantifizierung des Begriffes „lärmabgewandt“ wird seitens der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen die Einhaltung des Immissionsgrenzwertes der Sechzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (16. BImSchV – Verkehrsanlagenlärmschutzverordnung) für gemischte Baugebiete in Höhe von 54 dB(A) nachts herangezogen. In welchem Umfang Wohnnutzung unter Einhaltung der dargestellten Bestimmung bei Erhalt des City-Hofs möglich wäre, könnte nur bei genauer technischer Durchplanung geklärt werden, da die offene städtebauliche Situation per se keine lärmabgewandten Gebäudeseiten erzeugt. Die Einhaltung von 54 dB(A) nachts ist lediglich punktuell in wenigen Bereichen des Erdgeschosses bis zum 2. Obergeschoss gegeben. Dies zeigt ein im Auftrag des Investors erstelltes schalltechnisches Gutachten, welches für die Beurteilung herangezogenen worden ist. 2. Ist es richtig, dass im Wettbewerbsverfahren Investoren auch bei einem Erhalt und einer Modernisierung der Gebäude den Bau von Wohnungen in ihren Planungen vorgesehen haben? Wie viele Wohnungen wurden von den Investoren bei Erhalt und Modernisierung der Gebäude in Aussicht gestellt? Wie viele Wohnungen sollen nach dem jetzigen Nutzungskonzepts des Neubaus errichtet werden? Im Investorenwettbewerb gelangte das Bieterkonsortium von MATRIX Immobilien GmbH und HOCHTIEF Building GmbH, welches eine Bestandslösung vorschlug, in die engere Wahl. Es sah 11.768 qm Bruttogeschossfläche (BGF) Wohnen vor (24,46 Drucksache 21/12366 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Prozent der Gesamt-BGF); eine Gesamtzahl von Wohnungen wurde nicht genannt. Das Konsortium hat sich jedoch aus formalen Gründen nicht für das weitere Verfahren qualifiziert; insofern stand diese Bestandslösung gar nicht zur Wahl. Im Entwurf von Aug. Prien sind 12.706 qm BGF Wohnen geplant, was circa 132 Wohnungen entspricht. 3. Stellt der beabsichtigte Wohnungsbau bei dem Neubauentwurf hier den entscheidenden und überwiegenden Abwägungsaspekt bei der Abrissgenehmigung dar? Wenn nein, welche Aspekte wurden innerhalb der Abwägung in welchem Maß und Umfang berücksichtigt? Welche Gründe und Aspekte sprechen hier innerhalb der Abwägung gegen einen Abriss? Der Wohnungsbau stellt einen gewichtigen Belang im gesamten Abwägungsprozess dar; darüber hinaus wurden jedoch auch andere Belange (insbesondere städtebaulicher Art) in die Abwägung mit eingestellt. Hierzu gehören: - Der vom Bestand nicht gewährleistete Abschluss des Stadtgrundrisses zum Wallring hin - Die derzeit nicht funktionierende, introvertierte Passage, die nach Süden hin keinen Abschluss findet - Dadurch mitbedingt, die geringe Belebung der Erdgeschosszone - Das Fehlen einer Platzkante für den Platz an der Burchardstraße - Die den technischen Bestimmungen nicht mehr entsprechende unterirdische Parkgarage Dem gegenüber bietet eine Neubebauung die Möglichkeit, die Erdgeschossnutzungen wieder dem öffentlichen Straßenraum zuzukehren, und so sowohl den Klosterwall als vor allem auch den Johanniswall zu beleben. Der geplante weitgefächerte Nutzungsmix wird Einzelhandelsbereiche verschiedener Größe, Gastronomienutzungen und eine Fläche mit kultureller Nutzung enthalten. Das Hotel stärkt die Innenstadt als zentralen Hotelstandort und führt zu einer zusätzlichen Belebung der Innenstadt außerhalb der klassischen Büronutzungszeiten. Mit der geplanten Verlängerung des Baufeldes nach Süden erhält der jetzige Raum der Burchardstraße wieder Platzcharakter; auch dieser Platz wird durch die außenraumwirksame Erdgeschossnutzung zusätzlich belebt. Mit der so gesteigerten Attraktivität des Straßenraumes werden die Wegebeziehungen zwischen Altstadt, Hauptbahnhof, Speicherstadt und HafenCity gestärkt; es entsteht eine für Fußgänger und Radfahrer ansprechende und relativ gering vom Straßenverkehr belastete Möglichkeit, Richtung Oberbaumbrücke oder Pumpen/Meßberg/Wandrahmsteg in die HafenCity zu gelangen. Damit wird auch zentralen Forderungen des räumlichen Leitbildes von 2007 und des Innenstadtkonzepts von 2014 Genüge getan. Im Rahmen des Neubaus wird auch eine neue, öffentliche, unterirdische Parkgarage entstehen, deren Kapazität über den Stellplatzbedarf des Neubaus hinausgeht. Die zusätzlichen Stellplätze führen zu einer Entlastung der Parkplatzsituation im Quartier. Die auf diese Weise frei werdenden Flächen wiederum eröffnen neue Möglichkeiten bei der Freiraumgestaltung des öffentlichen Raumes im Kontorhausviertel (Burchardplatz und Bereich der Burchardstraße östlich vor dem Chilehaus) und leisten dadurch einen weiteren Beitrag zur Belebung der Innenstadt. Im Rahmen eines Neubaus und der damit verbunden möglichen Neuordnung des öffentlichen Raumes können auch die Anforderungen an die Barrierefreiheit weitaus besser als im Bestand berücksichtigt werden. Gegen den Abriss spricht der gegebene Denkmalschutz. 4. Wie will der Senat verhindern, dass die Gründe, die hier in der Abwägung für einen Abriss des City-Hofs herangeführt werden, auch präjudizierend bei anderen Abrissgenehmigungen für Denkmäler vorgebracht Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12366 3 werden? Kann ein privater Antragsteller bei identischer Sachlage sich auf diese Gründe berufen und wird seinem Antrag stattgegeben? Öffentliche Belange können grundsätzlich auch von privaten Denkmaleigentümern geltend gemacht werden. Auch bei privaten Denkmälern muss allerdings im konkreten Einzelfall geprüft und entschieden werden, ob gemäß § 9 Absatz 2 des Denkmalschutzgesetzes (DSchG) überwiegende öffentliche Belange die Genehmigung eines Eingriffs in ein Denkmal verlangen. 5. Nach § 9 Absatz 2 des Denkmalschutzgesetz ist ein Antrag auf Abriss eines Denkmals zu erteilen, „sofern überwiegende öffentliche Interessen dies verlangen, dabei sind insbesondere Belange des Wohnungsbaus, der energetischen Sanierung, des Einsatzes erneuerbarer Energien und die Belange von Menschen mit Behinderungen oder Mobilitätsbeeinträchtigungen zu berücksichtigen“. Sofern diese vorstehenden Gründe gegeben sind, hat dann ein – privater oder öffentlicher – Antragsteller einen Anspruch auf Abriss eines Denkmals? Wenn nein, warum nicht? Gibt es noch andere Aspekte, die bei der Abwägung und Genehmigung des Abrissantrags eine Rolle spielen und die nicht im Gesetz aufgeführt sind? Sind diese Gründe nachrangig gegenüber den im Gesetz in § 9 Absatz 2 genannten Gründen? Wenn dies nicht der Fall ist, warum nicht und warum wurden diese Gründe dann nicht im Gesetz aufgeführt? Zur Vermeidung von Nachfragen bitte sämtliche Fragen auch beantworten. Ja, der Gesetzgeber hat bei diesem Gesetz eine gebundene Entscheidung vorgesehen . Unter dem Begriff „öffentliche Interessen“ in § 9 Absatz 2 DSchG können neben den „insbesondere“ aufgezählten Belangen des Wohnungsbaus, der energetischen Sanierung , des Einsatzes erneuerbarer Energien und die Belange von Menschen mit Behinderungen oder Mobilitätsbeeinträchtigungen eine Reihe weiterer Belange in die Abwägung eingestellt werden, so wie im vorliegenden Fall Belange des Städtebaus. Alle diese Belange stehen gleichrangig nebeneinander.