BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12401 21. Wahlperiode 27.03.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Feineis (AfD) vom 20.03.18 und Antwort des Senats Betr.: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, von denen viele bereits volljährig sind In seinem Bericht über die Inobhutnahme und Betreuung unbegleiteter minderjähriger Ausländer (UMA) für Januar 2018 gibt der Landesbetrieb Erziehung und Beratung an, dass im Jahr 2017 von 652 in Obhut genommenen Personen 249 nicht minderjährig gewesen seien, was immerhin einem Anteil von 38,2 Prozent entspricht. Die Unterbringung und Versorgung kostet laut Medienberichten pro Person jährlich fast 60.000 Euro. Minderjährige Ausländer sind gemäß § 12 AsylG nicht handlungsfähig im Sinne dieses Gesetzes und unterfallen automatisch der Obhut der Jugendämter . Es wird, da die Ausländer keinen Asylantrag stellen können, nicht einmal geprüft, ob sie einen Anspruch auf Asyl und somit eine tatsächliche Bleibeberechtigung hätten. Nach § 41 Sozialgesetzbuch VIII kann auch über das vollendete 18. Lebensjahr hinaus Jugendhilfe gewährt werden, in Ausnahmefällen sogar bis zum 27. Lebensjahr. Dass diese Regelung für Deutsche und Ausländer so besteht, ist Folge der UN-Kinderrechtskonvention, die eine Ungleichbehandlung deutscher und nicht deutscher Kinder verbietet. Die Hürden für eine Abschiebung sind bei Minderjährigen erheblich höher als bei Volljährigen, was dazu führte, dass 2016 kein einziger unbegleiteter minderjähriger Flüchtling aus Deutschland abgeschoben wurde. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das SGB VIII stellt Minderjährige unter einen besonderen Schutz des Staates. Im Rahmen vorläufiger Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen sollen diese vom Jugendamt in Obhut genommen werden, wenn sie darum bitten, oder eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert. Diese Obhut des Jugendamtes endet mit der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorgeberechtigten, oder der Gewährung einer im Einzelfall geeigneten stationären Jugendhilfeleistung. Bei der Gewährung vorläufiger Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen steht allein die Sicherung des Kindeswohls im Vordergrund, das SGB VIII unterscheidet hierbei nicht nach Herkunft oder Aufenthaltsstatus der Schutzbedürftigen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: Drucksache 21/12401 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Wie hoch ist die Anzahl der zurzeit in der Obhut des Landesbetriebes Erziehung und Beratung stehenden Personen insgesamt? 2. Wie viele hiervon sind Ausländer? Wie viele hiervon sind Flüchtlinge? 3. Welches sind die Herkunftsländer der ausländischen In-Obhut-Genommenen ? Anfang März waren insgesamt 149 Minderjährige in der Obhut des Landesbetriebs Erziehung und Berufsbildung. Inobhutnahmen gesamt davon unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) Afghanistan 29 27 Ägypten 2 2 Albanien 3 3 Algerien 1 Äthiopien 1 1 Bulgarien 1 Deutschland 33 Eritrea 12 12 Gambia 3 3 Ghana 3 3 Guinea 11 11 Irak 2 2 Iran 3 2 Italien 1 Kongo 1 1 Libanon 1 1 Marokko 4 4 Mazedonien 1 1 Moldawien 5 3 Niederlande 1 Polen 1 Portugal 1 Serbien u. Montenegro 1 1 Sierra Leone 1 1 Somalia 10 10 Syrien 10 10 Tunesien 1 Türkei 1 Ungarn 1 keine Angabe 4 2 149 100 4. Wie viele der ausländischen Personen sind bereits volljährig und aus welchem Grund sind sie jeweils noch in der Obhut des Landesbetriebs? Inobhutnahmen von volljährige Personen sind rechtlich ausgeschlossen. 5. Wie häufig konnten in Hamburg in den Jahren 2016 und 2017 von unbegleiteten minderjährigen Ausländern keine Ausweispapiere vorgelegt werden? In wie vielen Fällen stellten sich Ausweispapiere als Fälschungen heraus? Diese Angaben werden statistisch nicht erfasst, siehe auch Drs. 21/11521 und 21/11631. 6. In wie vielen Fällen sind in Obhut genommene Ausländer in den Jahren 2016 und 2017 durch Erreichen der Volljährigkeit aus der Obhut heraus- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12401 3 genommen worden und fortan zu „normalen“ Asylbewerbern oder Flüchtlingen geworden? Die Anzahl der mit Erreichen der Volljährigkeit in die öffentlich-rechtliche Unterbringung wechselnden UMA wird beim Landesbetrieb Erziehung und Beratung nicht statistisch erfasst. Für Hinweise auf den Verbleib der UMA müssten pro erfragtem Jahr jeweils über 500 Akten überprüft werden. 7. Wurden im Jahr 2017 unbegleitete minderjährige Ausländer aus Deutschland ausgewiesen oder abgeschoben? 8. Wie viele ehemalige unbegleitete minderjährige Ausländer wurden in den Jahren 2016 und 2017 aus Deutschland ausgewiesen oder abgeschoben ? Wie viele reisten freiwillig aus? Ob es sich bei einer Person um einen unbegleiteten minderjährigen Ausländer handelt , ergibt sich in jedem Hamburger Einzelfall aus der Ausländerakte. Darüber hinaus ist dieses Merkmal im ausländerbehördlichen Fachverfahren nur hinterlegt, sofern ein Asylantrag gestellt wurde. Vorbehaltlich einer vollständigen und korrekten Erfassung wurde im Jahr 2017 ein unbegleiteter minderjähriger Ausländer ausgewiesen. Der Ausweisung lagen drei rechtskräftige Verurteilungen zugrunde, ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Absatz 2 Nummer 2 Aufenthaltsgesetz lag vor. Zu Abschiebungen in Hamburg siehe Drs. 21/11631. Darüber hinaus liegen dem Senat keine Daten vor. Das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat teilt grundsätzlich mit, es sei grundsätzlich nicht verpflichtet, und auf freiwilliger Grundlage aufgrund der anhaltenden Arbeitsbelastung aktuell nicht in der Lage, Parlamentarische Anfragen aus Hamburg zu beantworten. 9. Wie hoch waren in den Jahren 2016 und 2017 die Kosten, die für unbegleitete minderjährige Ausländer nach Sozialgesetzbuch VIII anfielen? Bitte getrennt nennen. Bitte auch nennen, wie hoch der jährliche Betrag durchschnittlich pro Person war. Zu den Jahreskosten für unbegleitete minderjährige Ausländer im Jahr 2016 Drs. 21/8434 und im Jahr 2017 Drs. 21/12244. Die durchschnittlichen Kosten für einen Platz in der Erstversorgung von UMA betragen 56.200 Euro. Die Verweildauer in der Erstversorgung dauert bis zu sechs Monaten . In der Folgeunterbringung im Rahmen der Hilfe zur Erziehung ist die Auswahl der Betreuungseinrichtung vom Alter und dem individuellen Betreuungsbedarf des Minderjährigen abhängig. Die jährlichen Kosten für einen Betreuungsplatz liegen zwischen 18.900 Euro und 52.900 Euro. 10. Wie hoch sind die Kosten im Gegensatz dazu für einen volljährigen Asylbewerber durchschnittlich im Jahr? Die durchschnittlichen Kosten für einen Platz in der Erstaufnahme liegen bei 30.000 Euro pro Person im Jahr. Die Kosten für die Folgeunterbringung einer Einzelperson in der örU liegen jährlich bei 7.044 Euro, nicht enthalten sind hierin die Kosten der Hilfe zum Lebensunterhalt.