BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12402 21. Wahlperiode 27.03.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Jens Wolf (CDU) vom 20.03.18 und Antwort des Senats Betr.: Zweckentfremdung durch „Ferienwohnungen“ Die Freie und Hansestadt Hamburg erfreut sich als Wohnort und Touristenstadt gleichermaßen großer Beliebtheit. Allerdings ist das Angebot an Wohnraum begrenzt. Das Hamburger Wohnraumschutzgesetz (HmbWoSchG) schafft einen solchen Ausgleich im Hinblick auf die Nutzung des knappen Wohnraumes. Die auslaufende Rechtsverordnung, die zusammen mit den §§ 9 fortfolgende HmbWoSchG der Zweckentfremdung von Wohnraum entgegenwirken soll, wird voraussichtlich verlängert werden (https://www.abendblatt.de/hamburg/article213316367/Rot-Gruen-will-weiterstrenge -Regelungen-zum-Wohnraumschutz.html), aber diese gesetzliche Regelung reicht nicht aus, wenn es keine wirksamen Kontrollen beziehungsweise eine ernstzunehmende Aufdeckungsgefahr gibt. Dabei kommt den Behörden gemäß § 1 Absatz 2 HmbWoSchG die maßgebliche Aufgabe zu, auf die „ordnungsgemäße Nutzung von Wohnraum hinzuwirken und die dazu erforderlichen Maßnahmen zu treffen“. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das Angebot von Ferienwohnungen über Internetplattformen wurde bereits bei der Änderung des Hamburgischen Wohnraumschutzgesetzes im Jahr 2013 berücksichtigt . Dabei wurden eine Auskunftspflicht und eine Löschpflicht für Diensteanbieter im Sinne des Telemediengesetzes eingeführt. Außerdem wurde geregelt, dass Angebot und Werbung im Vorfeld einer rechtswidrigen Zweckentfremdung ordnungswidrig sind. Dadurch wurde, nach Maßgabe des Telemediengesetzes, eine Verantwortlichkeit auch von Diensteanbietern begründet, siehe im Übrigen Drs. 20/5902. § 9 Absatz 2 Satz 3 Nummer 2 des Hamburgischen Wohnraumschutzgesetzes (HmbWoSchG) i.V.m. der Gefährdungslagenverordnung, deren Verlängerung durch den Senat am 20. März beschlossen wurde, untersagt die Überlassung von Wohnraum an wechselnde Nutzer zum Zwecke des nicht auf Dauer angelegten Gebrauchs. Darunter fällt insbesondere die Überlassung als Ferienwohnung. Neben der Überlassung selbst untersagt die Vorschrift zudem eine entsprechende Nutzung. Davon gibt es zwei Ausnahmen: Ohne Genehmigung erlaubt ist eine solche Nutzung, wenn sie in der Hauptwohnung des Nutzungsberechtigten (beispielsweise des Mieters ) stattfindet und dabei entweder weniger als die Hälfte der Gesamtwohnfläche umfasst oder weniger als sechs Monate im Jahr stattfindet (§ 9 Absatz 2 S. 4 und 5 HmbWoSchG, Nummer 9.2.2.1 der Fachanweisung zur Durchführung des Hmb- WoSchG, siehe http://www.hamburg.de/contentblob/4325148/3a7b4e1aaed5d52af4aacc248a12393d/ data/d-fachanweisung-wohnraumschutz.pdf. Drucksache 21/12402 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Vollzugsschwierigkeiten ergeben sich daraus, dass auf Onlineplattformen nicht immer erkennbar ist, wer eine Ferienwohnung anbietet und wo diese belegen ist. Auskunftsersuchen gegenüber Onlineplattformen sind durch die Bezirke nur schwierig durchzusetzen. Zudem berufen sich Anbieter von Ferienwohnungen häufig auf eine der gesetzlichen Ausnahmen vom Zweckentfremdungsverbot. Eine Prüfung der Voraussetzungen der Ausnahmen ist mit hohem Aufwand für die Bezirke verbunden. Die zuständige Fachbehörde prüft laufend neue Möglichkeiten, den Vollzug des Hamburgischen Wohnraumschutzes in Bezug auf Ferienwohnungen weiter zu verbessern. Bei festgestellten Verstößen wird zunächst auf freiwilliges rechtskonformes Verhalten des Verantwortlichen hingewirkt. Wenn eine Beseitigung auf diesem Weg nicht erfolgt, wird ein Wohnnutzungsgebot erlassen. Wenn dieses nicht befolgt wird, kann es mittels Zwangsmaßnahmen, insbesondere Zwangsgeld, erzwungen werden. Die Entscheidung , ob ein Bußgeld festgesetzt wird, wird im Einzelfall getroffen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Die Überlassung von Wohnraum an wechselnde Benutzer zum Zwecke eines lediglich vorübergehenden Gebrauches ist untersagt (vergleiche § 9 Absatz 2 Nummer 2 HmbWoSchG i.V.m. § 9 Absatz 1 i.V.m. Rechtsverordnung ). In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2015, 2016 und 2017 eine solche Zweckentfremdung dennoch festgestellt? Bitte nach Bezirken und Jahren aufschlüsseln. 2. Aus § 15 Absatz 3 HmbWoSchG folgt, dass Ordnungsgelder in Höhe von bis zu 50.000 Euro verhängt werden können. In welchen der oben genannten Fälle wurden Ordnungsgelder verhängt? Welche Höhe hatten diese jeweils? Folgende Verstöße wurden seitens der Bezirke statistisch erfasst: Jahr Bezirk Verstöße gegen § 9 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 HmbWoSchG 2015 Hamburg-Mitte 12 Altona 13 Eimsbüttel 20 Hamburg-Nord 24 Wandsbek 0 Harburg 14 2016 Hamburg-Mitte 1 Altona 25 Eimsbüttel 32 Hamburg-Nord 13 Wandsbek 16 Harburg 7 2017 Hamburg-Mitte 2 Altona 30 Eimsbüttel 15 Hamburg-Nord 15 Wandsbek 71 Harburg 95 Die Angaben beziehen sich auf den jeweiligen Berichtszeitraum, können aber auch in Vorjahren eingeleitete Verfahren betreffen, die erst im Berichtsjahr statistisch erfasst wurden, sowie Fälle, deren Abschluss erst im Folgejahr erfolgt ist. Prioritär werden Maßnahmen ergriffen, um eine Wohnnutzung wieder herzustellen. Bußgelder kommen zu generalpräventiven Zwecken zum Einsatz. Das Bezirksamt Eimsbüttel hat im Jahr 2015 in einem Fall ein Bußgeld in Höhe von 4.000,00 Euro festgesetzt, zudem wurden zwei Bußgelder in Höhe von 4.000 Euro und 6.500 Euro rechtskräftig. Weitere Bußgelder wurden im Berichtszeitraum nicht festgesetzt. Im Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12402 3 Bezirksamt Bergedorf wurden in den Jahren 2015 und 2016 keine Verstöße statistisch erfasst, im Jahr 2017 ist kein Verstoß bekannt geworden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Welche Stelle beziehungsweise welcher Bereich ist zuständig, die Zweckentfremdung von Wohnraum durch Überlassung an wechselnde Benutzer zum Zwecke eines lediglich vorübergehenden Gebrauches zu überwachen? Welche Personalausstattung war in den Jahren 2015, 2016, 2017 jeweils vorhanden? Bitte jeweils zum Stichtag 1. Januar angeben. Nach der Anordnung über Zuständigkeiten im Wohnungswesen vom 1. April 2008 sind für die Durchführung des Hamburgischen Wohnraumschutzgesetzes die Bezirke zuständig. Die Bezirke haben diese Aufgabe den Wohnraumschutzdienststellen zugewiesen, die jeweils in den Fachämtern für Verbraucherschutz, Gewerbe und Umwelt in den Dezernaten für Wirtschaft, Bauen und Umwelt angesiedelt sind. Im Übrigen siehe Drs. 20/13444. Die Wohnraumschutzdienststellen bearbeiten die Bereiche Zweckentfremdung und Wohnungspflege. Zur Zweckentfremdung gehört die Bearbeitung von Ferienwohnungen . Die Gesamtzahl der Stellen in den jeweiligen Bezirken, die mit der Bearbeitung von Ferienwohnungen befasst sind, kann nicht gesondert ausgewiesen werden. Die zuständige Fachbehörde finanziert Stellen im Umfang von zwei vollzeitäquivalenten Stellen, die ausschließlich mit der Bearbeitung von Ferienwohnungen befasst sind. Diese Stellen enthalten keinen Leitungsanteil. Die Wohnraumschutzdienststellen umfassen folgende vollzeitäquivalenten Stellen (VZÄ): Zum 01.01.2015: Bezirk Wohnraumschutz gesamt Zweckentfremdung Von der zuständigen Fachbehörde finanzierte Stellen: Leitungsanteil Hamburg- Mitte 4 2 1 0,4 Altona 4,5 2,5 0,5 1 (besetzt: 0) Eimsbüttel 3,5 (besetzt: 3) 2,5 0,5 0,5 Hamburg- Nord 4 2 0 nicht bezifferbar Wandsbek 1,05 nicht differenziert erfasst 0 0,05 Bergedorf 0,2 Harburg 1,5 0,5 0 0,5 Zum 01.01.2016: Bezirk Wohnraumschutzgesamt Zweckentfremdung Von der zuständigen Fachbehörde finanzierte Stellen: Leitungsanteil Hamburg- Mitte 4 2 0 0,4 Altona 4,5 2,5 (besetzt: 2) 0,5 (besetzt: 0) 1 Eimsbüttel 3 (besetzt: 2) 1,5 0 0,5 Hamburg- Nord 4 2 0 nicht bezifferbar Drucksache 21/12402 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Bezirk Wohnraumschutzgesamt Zweckentfremdung Von der zuständigen Fachbehörde finanzierte Stellen: Leitungsanteil Wandsbek 2,05 nicht differenziert erfasst 0 0,05 Bergedorf 0,6 0,2 0 0 Harburg 1,5 0,5 0 0,5 Zum 01.01.2017: Bezirk Wohnraumschutzgesamt Zweckentfremdung Von der zuständigen Fachbehörde finanzierte Stellen: Leitungsanteil Hamburg- Mitte 4 2 0 0,4 Altona 4,5 2,5 0,5 1 Eimsbüttel 3 1,5 0 0,5 Hamburg- Nord 4 2 0 nicht bezifferbar Wandsbek 2,05 nicht differenziert erfasst 0 0,05 Bergedorf 0,6 0,2 0 0 Harburg 2,25 0,5 0,75 0,5 4. Über Internetplattformen wie beispielsweise „Airbnb“ und „booking.com“ wird vermehrt Wohnraum als „Ferienwohnung“ angeboten. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um solchen Zweckentfremdungen entgegenzuwirken ? In wie vielen Fällen der festgestellten Zweckentfremdung bestand ein Zusammenhang zu Internetvermittlungsplattformen? Im Bezirk Hamburg-Mitte sind acht Fälle aus dem Jahr 2015 bekannt und ein Fall aus dem Jahr 2016, die in einem Zusammenhang mit Diensteanbietern im Sinne des Telemediengesetz stehen. Darüber hinaus wird ein solcher Zusammenhang statistisch nicht erfasst und kann nicht nachträglich ermittelt werden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung , Antworten zu 1. und 2. sowie Drs. 21/1908. 5. Gemäß § 15 Absatz 4 HmbWoSchG besteht eine Pflicht für Dienstanbieter , „auf Verlangen der Behörde“ Angebote und Werbung, die ordnungswidrig sind, zu entfernen. In welchen konkreten Fällen kam es zu einer solchen Aufforderung? Wie schnell wurden die Aufforderungen jeweils umgesetzt? Maßnahmen nach § 15 Absatz 4 wurden bislang nicht durchgeführt. Soweit in der Wohnraumschutzbilanz 2015 abweichende Angaben für die Bezirke Hamburg-Mitte und Hamburg-Nord gemacht wurden, müssen diese Zahlen nach erneuter Bewertung korrigiert werden. 6. Welche Schlüsse werden aus der kürzlich ergangenen Entscheidung des VG Berlin (Az. 6 K 676.17) für das behördliche Vorgehen gezogen? Wurden bereits überhaupt Auskunftsgesuche gestellt? Wenn ja, in welchen Fällen und wem gegenüber? Bitte nach den Jahren 2015, 2016, 2017 aufschlüsseln. Der Senat sieht von einer Bewertung der Gerichtsentscheidung ab. Die Bezirksämter können von Anbietern von Telemediendiensten gemäß § 13 Absatz 1 HmbWoSchG Auskünfte zu Informationen verlangen, die für die Ermittlungen nach dem HmbWoSchG benötigt werden. Solche Auskünfte sind allerdings gegenüber anderen Erkenntnisquellen nachrangig und nach dem Gesetz nur dann durchzuführen , wenn und soweit der Sachverhalt dadurch einfacher oder zügiger aufgeklärt wer- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12402 5 den kann. Dieses Auskunftsrecht wird erforderlichenfalls auch gerichtlich durchgesetzt . Schwierigkeiten bereitet eine Durchsetzung gegenüber ausländischen Diensteanbietern . Im Bezirk Hamburg-Mitte gab es im Jahr 2015 acht Auskunftsverlangen, im Jahr 2016 ein Auskunftsverlangen. Im Bezirk Hamburg-Nord gab es im Jahr 2015 drei Auskunftsverlangen , im Bezirk Eimsbüttel im Jahr 2015 ein Auskunftsverlangen. Die Auskunftsverlangen richteten sich unter anderem gegen Wimdu, Airbnb und FeWo-direkt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 7. Wie werden Ermittlungen bezüglich der Zweckentfremdung von Wohnraum ansonsten angestellt? Die zuständigen Mitarbeiter nutzen die im Hamburgischen Wohnraumschutzgesetz und im darüber hinaus anwendbaren Verwaltungsrecht vorgesehenen Handlungsmöglichkeiten . Dazu gehören neben Hinweisen aus der Bevölkerung, zum Beispiel von Nachbarn, Mietervereinen oder Feriengästen, Ermittlungen vor Ort sowie sonstige Recherchen. Daraus entstehende Ermittlungsansätze werden durch die Ermittlung des Eigentümers, Anhörungen von Beteiligten und Befragung von Dritten, durch Inaugenscheinnahme zum Beispiel von Dokumenten, die Auswertung von Belegungskalendern und Wohnungsbesichtigungen sowie weitere Recherchen fortgesetzt.