BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1241 21. Wahlperiode 14.08.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Thering (CDU) vom 06.08.15 und Antwort des Senats Betr.: Neue Zeltstadt mit bis zu 420 Plätzen für Flüchtlinge auf dem Ohlstedter Platz Mit einem Handzettel hat der Senat am 6.8.2015 begonnen, die Anwohner in Wohldorf-Ohlstedt über die Errichtung einer Zeltstadt auf dem Ohlstedter Platz zu informieren. Die Vorarbeiten zu dieser Maßnahme sollen bereits am 7.8.2015 begonnen werden. Eine Belegung der Zelte, die laut Handzettel eine Kapazität von bis zu 420 Plätzen haben sollen, soll dann bis „spätestens Mitte August“ erfolgen. Diese Maßnahme und das Vorgehen zeigen leider, dass der Senat aus seinen Fehlern der letzten Monate nicht das Geringste gelernt hat. Auch die jüngsten Vorfälle in Jenfeld scheinen den Senat nicht zu einer Änderung seines Vorgehens in Sachen Information und Transparenz bewegen zu können. Die Bürger in Wohldorf-Ohlstedt werden einen Tag vor Beginn der Baumaßnahmen informiert, sofern sie ihren Briefkasten am selben Tag leeren beziehungsweise in den Sommerferien nicht verreist sind, dass am Tag darauf die Arbeiten für eine neue Zeltstadt mit bis zu 420 Plätzen beginnen. Dieses Vorgehen hat nichts mit Transparenz oder Bürgerbeteiligung zu tun. So wird Vertrauen nicht geschaffen, sondern zerstört. Auch bleibt der Senat auf seinem Handzettel wichtige Antworten schuldig, zum Beispiel wie in der Zeltstadt am Ohlstedter Platz eine bessere medizinische Versorgung sichergestellt werden soll, um katastrophale Zustände wie in Jenfeld auszuschließen. Die Infrastruktur in der näheren Umgebung am Ohlstedter Platz ist zudem nicht für eine solche Vielzahl an Personen ausgelegt. So gibt es zum Beispiel keinen Nahversorgungsmarkt in der Nähe. Auch die soziale Infrastruktur von Kitas, Sportvereinen und Schulen ist nur begrenzt vorhanden beziehungsweise an ihren Kapazitätsgrenzen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Aufgrund der anhaltend hohen Zugangszahlen von Flüchtlingen nach Hamburg bleibt es weiter erforderlich, zur Abwendung von Obdachlosigkeit ausreichende Kapazitäten für die Unterbringung dieser Menschen zu schaffen. Damit geht einher, dass beständig weitere Flächen geprüft und bei einer festgestellten Realisierbarkeit von Unterkünften unmittelbar genutzt werden müssen. Der Ohlstedter Platz stand zum Entscheidungszeitpunkt als geeignete Fläche mit geringem Herstellungsaufwand und damit schneller Nutzbarkeit zur Verfügung. Am Ohlstedter Platz waren die Versor- Drucksache 21/1241 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 gungsanschlüsse nutzbar zu machen. In geringem Umfang waren Grünrückschnitte erforderlich. Siehe hierzu auch Drs. 21/1110, 21/1067, 21/1008, 21/977, 21/924, 21/847, 21/798. Die Entscheidung über die Nutzung von Flächen fällt abhängig von der Bewertung einer grundsätzlichen Eignung und der festgestellten Möglichkeit einer tatsächlichen Realisierung. Für den Ohlstedter Platz ergab sich diese Situation erst, nachdem die Bundeswehr ein Amtshilfeersuchen positiv entschieden und nach eigener Inaugenscheinnahme des Platzes am 5. August 2015 mitgeteilt hatte, dass ein Aufbau der Bundeswehrzelte an diesem Standort möglich ist. Am 6. August 2015 erfolgte die Information der Anwohner. Dies war der frühestmögliche Zeitpunkt für eine verlässliche Information der Anwohner. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wann hat wer entschieden, dass auf dem Ohlstedter Platz eine Zeltstadt für bis zu 420 Flüchtlinge errichtet wird? 2. Wann wurde mit den Überlegungen zu dieser Maßnahme begonnen und warum wurden die Anwohner zu keinem Zeitpunkt eingebunden? 3. Warum wurden die Anwohner erst einen Tag vor dem Beginn der Vorarbeiten per Handzettel informiert (sofern sie ihren Briefkasten am selben Tag geleert haben beziehungsweise in den Sommerferien nicht verreist waren)? Hält der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde diese Informationspolitik für ausreichend? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum hält er beziehungsweise sie dann, insbesondere auch nach den jüngsten Erfahrungen in Jenfeld, an dieser Praxis fest? 4. Warum sollen Zelte für bis zu 420 Flüchtlinge an genau diesem Standort aufgestellt werden? Aus welchen Restriktionen vor Ort ergibt sich diese Maximalzahl? 5. Schließt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde aus, dass zu einem späteren Zeitpunkt noch mehr Zelte aufgestellt werden? Wenn nein, warum nicht und welche Überlegungen für eine Aufstockung gibt es bereits? 6. Welche Vorarbeiten sind für die Errichtung der Zeltstadt notwendig? 7. Wie viele Zelte mit welcher jeweiligen Kapazität werden wann auf dem Ohlstedter Platz aufgestellt? Die Anzahl der aufzustellenden Zelte ergibt sich aus der vorhandenen Fläche vor Ort. Am Ohlstedter Platz war damit die Aufstellung von 41 Zelten mit einer Kapazität von je zehn Übernachtungsplätzen möglich. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 8. Bis wann sollen die Zelte auf dem Ohlstedter Platz stehen bleiben? Bis zu welchen Temperaturen möchte der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde eine Belegung aufrechterhalten? 9. Schließt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde aus, dass die Zelte länger als geplant stehen bleiben? Wenn nein, warum nicht, wovon hängt dies ab und bis wann können die Zelte an diesem Standort maximal stehen bleiben? 10. Welche Rückbau- und Renaturierungsmaßnahmen werden nach Abbau der Zelte notwendig, welche Kosten entstehen dadurch und wer trägt diese? 11. Sollen nach Abbau der Zelte an selber Stelle Container und/oder Festbauten für die Unterbringung von Flüchtlingen aufgestellt beziehungsweise errichtet werden? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1241 3 Wenn ja, wann, in welcher Form, mit welchen Kapazitäten und zu welchen Kosten? Die Dauer der Nutzung ist abhängig vom Bedarf, der nach den Zugangs-/Unterbringungszahlen und den Unterbringungsalternativen zu beurteilen ist. Die zuständigen Behörden haben das Ziel, bis zum Winter die Zeltunterbringung aufzulösen. Die Modalitäten des Rückbaus werden zeitnah zum Abbauzeitpunkt entschieden. Angaben zu Kosten können entsprechend erst nach Abschluss eines Rückbaus gemacht werden. Ein Ersatz durch Festbauten oder Container auf dem Ohlstedter Platz ist derzeit nicht geplant. 12. Wie viele Betreuer sind für die bis zu 420 Flüchtlinge täglich vor Ort eingeplant , von wann bis wann sind diese vor Ort und hält die zuständige Fachbehörde dieses Betreuungsverhältnis für ausreichend? 13. Welcher Herkunft sollen die rund 420 Flüchtlinge genau sein? Worauf wird dabei bei der Belegung geachtet? Bitte genau nach Herkunftsländern aufgliedern. Das angestrebte Betreuungsverhältnis durch den Betreiber f & w entspricht dem Betreuungsverhältnis für alle Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen Die Zuweisung von Flüchtlingen in die Einrichtung Ohlstedter Platz ergibt sich aus den Unterbringungsbedarfen der eintreffenden Menschen. Die aktuelle Situation lässt eine vorherige detaillierte Festlegung von Herkunftsländern nicht zu. 14. Wie wird eine ausreichende medizinische Versorgung aller Flüchtlinge in den Zelten gewährleistet? Wie viel medizinisches Personal ist täglich vor Ort? 15. Kann der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde ausschließen, dass sich in der Zeltstadt auf dem Ohlstedter Platz die katastrophalen Zustände, insbesondere im Hinblick auf die Gesundheit, wie in der Zeltstadt in Jenfeld, wiederholen? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Die zuständigen Behörden passen die Strukturen der gesundheitlichen Versorgung der eintreffenden Flüchtlinge fortlaufend den veränderten Bedingungen an. Siehe hierzu auch Drs. 21/1132. Mit diesen Maßnahmen wird angestrebt, Infektionen zeitgerecht zu erkennen und eine Weiterverbreitung zu verhindern. 16. Wie wird die Sicherheit in der Zeltstadt und Umgebung gewährleistet? Von wann bis wann sind wie viele Sicherheitsleute vor Ort und wie viel bezahlt die Freie und Hansestadt Hamburg dafür an das private Wachunternehmen ? Im Innenbereich wird ein privater Wachdienst im 24-Stunden-Schichtdienst eingesetzt, der insgesamt bis zu zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umfasst. Nach erfolgter Fertigstellung der Umzäunung ist durch den Betreiber eine Reduzierung vorgesehen. Eine Abrechnung über die Kosten liegt nicht vor. Im Außenbereich ist eine zusätzliche Bestreifung durch die Polizei vorgesehen. 17. Hält der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Infrastruktur in der näheren Umgebung für ausreichend? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht, warum werden trotzdem bis zu 420 Flüchtlinge an dieser Stelle untergebracht und welche Maßnahmen zur Stärkung der Infrastruktur ergreift der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde ? Bitte dabei auf die Situation eines fehlenden Nahversorgungsmarktes genauso eingehen wie auf die soziale- und Verkehrsinfrastruktur. Bei den Erstaufnahmeeinrichtungen handelt es sich um Unterkünfte, in denen die Menschen eine begrenzte Zeit verbleiben. Die Priorität muss angesichts der derzeitigen Zugangssituation in erster Linie auf die Vermeidung von Obdachlosigkeit gelegt Drucksache 21/1241 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 werden. Die Versorgung der Personen mit allen wesentlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens ist in den Einrichtungen gewährleistet. Vor diesem Hintergrund ist es insbesondere für die Erstaufnahmeeinrichtungen vertretbar, diese auch bei nicht optimalen infrastrukturellen Bedingungen einzurichten. Das gilt für den Ohlstedter Platz wie für andere bereits bestehende Erstaufnahmeeinrichtungen in Hamburg.