BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1242 21. Wahlperiode 14.08.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulrike Sparr und Christiane Blömeke (GRÜNE) vom 06.08.15 und Antwort des Senats Betr.: Arzneimittel- und Pestizidrückstände im Hamburger Wasser Glyphosat ist das weltweit und auch in Deutschland am häufigsten verwendete Pestizid. 2012 wurden in Deutschland 6 Millionen kg reiner Wirkstoffmenge ausgebracht. Ende März wurde der Wirkstoff, auf dessen umweltgiftige Wirkung das Umweltbundesamt schon lange hinweist, von der WHOKrebsforschungsagentur IARC als „wahrscheinlich krebserregend“ für den Menschen eingestuft. Die Monografie des IARC zu der Einstufung liegt seit 30. Juli 2015 vor und liefert den wissenschaftlichen Beleg zu dieser Einschätzung . Aus der Antwort auf eine Schriftliche Kleine Anfrage (Drs. 20/10003) aus dem Jahr 2013 geht hervor, dass die Genehmigung für den Wirkstoff Glyphosat ursprünglich bis 2012 befristet war und von der EUKommission bis zum Jahr 2015 verlängert wurde. Der Stoff gelangt über das Grundwasser ins Trinkwasser und ist auch schon in Muttermilch nachgewiesen worden („Glyphosat in Muttermilch - „Wahrscheinlich krebserregend“, „tageszeitung“ vom 26.6.2015). Arzneimittelwirkstoffe gelangen mit dem Abwasser in die Kläranlage. Die meisten Wirkstoffe passieren herkömmliche Kläranlagen, ohne aus dem Abwasser entfernt zu werden. Auf diese Weise gelangen Arzneimittel und Abbauprodukte mit dem Kläranlagenabfluss in die Vorfluter, das heißt in die Oberflächengewässer. Ausgehend von den Oberflächengewässern können Arzneimittelreststoffe in geringeren Konzentrationen auch ins Grundwasser gelangen. Vereinzelt werden bereits auch im Trinkwasser Wirkstoffspuren gefunden. Auffällig sind hier insbesondere das Schmerzmittel Diclofenac, Antibiotika und hormonelle Substanzen. Die sogenannte vierte Reinigungsstufe wird als Möglichkeit diskutiert, Arzneimittel aus dem Abwasser zu entfernen, bevor dieses einen Vorfluter erreicht. Aufgrund der hohen Kosten einer Nachinstallation in bestehenden Kläranlagen und aufgrund des steigenden Energiebedarfes und mangelnder Effizienz wird die Sinnhaftigkeit einer vierten Reinigungsstufe angezweifelt. Weiterhin werden Klärmaßnahmen mit Pflanzenfilter als »biologische vierte Stufe« diskutiert, um Arzneimittelrückstände aus dem Abwasser zu entfernen . Ein aktuelles Projekt der Deutschen Bundesstiftung Umwelt zeigt, dass Pflanzenfilter mit Pflanzenkohle als Adsorbens im Filtersubstrat die untersuchten Arzneimittelwirkstoffe erfolgreich zurückhalten (DBU-Fachinfo Nummer 1; April 2015). Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie hat sich der Gebrauch oder der Absatz von Pestiziden allgemein in den vergangenen 20 Jahren in Deutschland und insbesondere in Ham- Drucksache 21/1242 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 burg entwickelt? (Bitte um Ergänzung der Zeitreihe bis 2015 in Drs. 20/10003.) Der bundesweite Inlandsabsatz an Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen sowie der Absatz von Glyphosat für die Jahre 2013 und 2014 sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen : Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe (gesamt ohne inerte Gase) Glyphosat 2013 32.551 t 5.065 t 2014 noch nicht veröffentlicht noch nicht veröffentlicht (Quelle: BVL Stand August 2015) 2. Liegen mittlerweile spezifische Erkenntnisse für den Absatz und Einsatz an Glyphosat für Hamburg vor? Wenn ja, wie lauten diese? Wenn nein, wie können diese erlangt werden? Nein. Eine regionale Aufschlüsselung der Angaben zu 1. für Hamburg ist aufgrund einer nach wie vor nicht vorhandenen Datengrundlage nicht möglich. Darüber hinaus gibt es keine gesetzliche Grundlage für eine Meldepflicht. 3. Wie haben sich die Rückstandswerte für Glyphosat und/oder seine Abbauprodukte im Hamburger Wasser (Oberflächen-, Grund- und Trinkwasser ) in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? (Bitte um Ergänzung der Zeitreihe bis 2015 in Drs. 20/10003.) Wie viele Proben wurden in den Jahren 2013 – 2015 untersucht? Zu welchem Ergebnis kamen die Untersuchungen? Lassen sich zum heutigen Stand Aussagen zu der Belastung von Trinkwasser mit Glyphosatrückständen treffen? Im Zeitraum von 2013 bis Juli 2015 wurden in Hamburger Oberflächengewässern 314 Proben von 34 Messstellen auf Glyphosat untersucht. Davon überschritten 244 Proben die Bestimmungsgrenze von 0,025 µg/l. Seit 1993 bis heute ist das Grundwasser an 67 Messstellen auf Glyphosat untersucht worden. Die insgesamt 80 Analysen ergaben lediglich einen positiven Befund (siehe nachstehend). Im Zeitraum von 2013 bis 2015 wurden im Jahr 2014 29 Grundwassermessstellen des Untersuchungsprogramms oberflächennahes Grundwasser (UPOG) auf Glyphosat analysiert. Von den insgesamt 30 Proben überschritt ein Messwert mit 0,054 µg/l die Bestimmungsgrenze von 0,025 µg/l. 2013 wurden 135 Untersuchungen, 2014 wurden 139 und 2015 wurden bisher 33 Untersuchungen auf Glyphosat und AMPA im Trinkwasser vorgenommen. Die Stoffe wurden nicht nachgewiesen. Es liegt kein Nachweis von Glyphosat oder AMPA im Trinkwasser vor. Dies gilt auch für den Zeitraum vor 2013. 4. Wie bewertet der Senat die neuen Erkenntnisse der WHO-Krebsforschungsagentur IARC und deren neuer Einstufung von Glyphosat als für den Menschen „wahrscheinlich krebserregend“? Welche Maßnahmen sind aus den neuen Erkenntnissen abzuleiten? Eine Bewertung ist vor dem Hintergrund des noch nicht abgeschlossenen Prüfverfahrens durch das Bundesinstitut für Risikobewertung nicht möglich. 5. Das Hamburger Trinkwasser wird überwiegend aus Grundwasser (auch aus dem Umland) gewonnen und steht von daher potenziell in der Gefahr, Glyphosatrückstände zu enthalten. Sind dem Senat Methoden bekannt, mit denen Trinkwasser von Glyphosat frei gehalten werden kann? Wenn ja, welche? Das Trinkwasser ist frei von Kontaminationen mit Glyphosat oder AMPA. Der Senat hat sich daher nicht mit Aufbereitungsmethoden befasst. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1242 3 6. In welchen Gesetzen und Verordnungen sind Grenzwerte für Arzneimittelrückstände (zum Beispiel Schmerzmittel, Antibiotika, hormonelle Substanzen ) in Wasser, insbesondere im Trinkwasser, geregelt? 7. Welche Grenzwerte bestehen bezüglich Arzneimitteln für Rückstandswerte im Wasser, insbesondere im Trinkwasser? Durch wen werden diese Werte in Hamburg gemessen? Sind die Grenzwerte in den letzten Jahren verändert worden? 8. Sind dem Senat Untersuchungen des Hamburger Trinkwassers auf Arzneimittelrückstände bekannt? Wenn ja, zu welchen Ergebnissen kommen diese Untersuchungen? Das Trinkwasser wird regelmäßig auch auf Arzneimittel untersucht. Im Trinkwasser wurden keine Arzneimittel nachgewiesen. Für Trink-, Oberflächen- und Grundwasser gibt es keinen Grenzwert für Arzneimittel und Metabolite oder Abbauprodukte von Arzneimitteln. Das zuständige Gesundheitsamt kann nach § 9 Absatz 6 Trinkwasserverordnung für chemische Stoffe, die eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit besorgen lassen und für die kein Grenzwert aufgeführt ist, eine einzuhaltende Konzentration festlegen . 9. Unternimmt der Senat Anstrengungen, um mittels Klärmaßnahmen mit Pflanzenfiltern (»biologische vierte Stufe«) Rückstände von Arzneimitteln im Hamburger Wasser zu reduzieren? a. Falls nein: Warum nicht und welche Alternativen stehen zur Verfügung oder sind in der Erprobung? Nein. Eine vierte Reinigungsstufe ist weder gesetzlich gefordert noch aufgrund entsprechender Grenzwertfestlegung für bestimmte Abwasserparameter notwendig. Pflanzenfilter als biologische vierte Reinigungsstufe sind grundsätzlich nur schwer steuerbar und haben einen großen Platzbedarf. Als Alternative für eine vierte Reinigungsstufe kommen folgende Verfahren und deren Kombination in Betracht: 1. Ozonung 2. Adsorption an pulverisierter Aktivkohle (PAK) 3. Adsorption an granulierter Aktivkohle (GAK)