BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12442 21. Wahlperiode 29.03.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Gamm und Michael Westenberger (CDU) vom 23.03.18 und Antwort des Senats Betr.: Ist Hamburgs Industrie bedroht? Was folgt aus der Erarbeitung der Technischen Anweisung (TA) „Abstand“ durch einen Arbeitskreis auf Bundes- und Länderebene und welche Rolle spielt dabei der Senat? Der Arbeitskreis TA Abstand des Bundes und der Länder erarbeitet zurzeit eine neue Verwaltungsvorschrift, die TA Abstand. In der Verwaltungsvorschrift soll offenbar der „angemessene Sicherheitsabstand im Sinne des § 3 Absatz 5c BImSchG“ für industrielle Anlagen festgelegt werden. Die Einführung und Anwendung dieser Technischen Anweisung (TA) könnte je nach Ausgestaltung erhebliche Auswirkungen auf bestehende Industrie-, Gewerbe - und Hafenanlagen in Hamburg sowie auf zukünftige Investitionen in Modernisierungen, Erweiterungen und Neuanlagen haben. Daher kann diese neue TA die zukünftig wirtschaftliche Attraktivität und Leistungsfähigkeit der Stadt Hamburg maßgeblich beeinflussen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Im Zusammenhang mit der nationalen Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie wurde mit § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) eine Ermächtigungsnorm zum Erlass einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift über angemessene Sicherheitsabstände gemäß § 3 Absatz 5 c BImSchG neu in das BImSchG aufgenommen. Zuständig für den Erlass einer solchen allgemeinen Verwaltungsvorschrift ist die Bundesregierung, die diese nach Anhörung der beteiligten Kreise mit Zustimmung des Bundesrates erlässt. Die Bundesregierung plant auf dieser Grundlage, eine Technische Anleitung Abstand (TA Abstand) als allgemeine Verwaltungsvorschrift zu erlassen, die insbesondere näher konkretisieren soll, nach welchen Maßstäben der angemessene Sicherheitsabstand gemäß § 3 Absatz 5 c BImSchG zu ermitteln ist. Der Bundesrat hat die Bundesregierung mit Beschluss vom 17. Juni 2016 gebeten, die TA Abstand schnellstmöglich zu erlassen (BR.-Drs. 237/16). Die Bundesregierung wird bei der Erarbeitung der TA Abstand von einem Bund- Länder-Arbeitskreis bestehend unter anderem aus Vertretern der obersten Immissionsschutzbehörden der Länder und Vertretern der Fachkommission Bau beraten. In dem Bund-Länder-Arbeitskreis sind für Hamburg Vertreter der Behörde für Umwelt und Energie und der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen beteiligt, letztere wurden von der Fachkommission Städtebau der Bauministerkonferenz benannt. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) hat am 29. September 2017 einen ersten Entwurf eines Eckpunktepapiers vorgestellt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: Drucksache 21/12442 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Welche Behörden sind für das Land Hamburg an der Entwicklung der TA Abstand beteiligt? 2. Welche Behörde ist hierbei federführend und warum wurde die Federführung so festgelegt? 3. Mit welchen Zielvorgaben sind Mitarbeiter in den Arbeitskreis TA Abstand geschickt worden und wie erfolgt die Abstimmung der Ziele im Rahmen des laufenden Arbeitsverfahrens? Siehe Vorbemerkung. Federführend ist die Behörde für Umwelt und Energie. Die Federführung ergibt sich aus Abschnitt I Nummer 1 der Anordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Amtlicher Anzeiger 2005, S. 1811). Die Vertreter der Hamburger Behörden verfolgen in den Beratungen das Ziel, ein gedeihliches Nebeneinander von schutzwürdigen Nutzungen und Hafen- beziehungsweise Gewerbebetrieben zu ermöglichen. 4. Wie sieht der Zeitplan zur Erarbeitung einer neuen TA Abstand aus? Nach einem vorläufigen Zeitplan des BMUB ist eine Bundesratsbefassung für Anfang 2019 vorgesehen. 5. Zu welchem Zeitpunkt soll die Bürgerschaft über die erzielten Verhandlungsergebnisse informiert werden? 6. Beabsichtigt der Senat, die Bürgerschaft an der anschließenden Positionsfindung zu beteiligen? Wenn ja, wann und in welcher Form soll das erfolgen? Wenn nein, weshalb soll die Bürgerschaft nicht beteiligt werden? Es gibt keine „Verhandlungsergebnisse“. Die Bundesregierung legt die TA Abstand in dem gesetzlich vorgesehenen Verfahren vor. Eine Beteiligung der Bürgerschaft ist im Rahmen des Bundesratsverfahrens nicht vorgesehen. Vergleiche Artikel 51 Absatz 1 GG. 7. Welche Bedeutung hat nach Ansicht des Senats der Begriff „angemessener Sicherheitsabstand“ im Sinne des § 3 Absatz 5c BImSchG? 8. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat darüber vor, inwieweit die Einschätzung des Senats zu Frage 7. von den anderen Bundesländern und dem Bund geteilt werden? Der Begriff „angemessener Sicherheitsabstand“ ist in § 3 Absatz 5c BImSchG gesetzlich definiert und setzt die europarechtlichen Anforderungen der Seveso-III-Richtlinie um. 9. Teilt der Senat die Auffassung, dass der Erlass einer TA Abstand – nach vorheriger eindeutiger rechtlicher Einordnung des Begriffes „angemessener Sicherheitsabstand“ – nur sinnvoll ist, wenn hierdurch die industrielle Tätigkeit und der Ausbau der Industriestandorte weiterhin ermöglicht werden und der Vollzug der Vorschriften für alle Beteiligten erleichtert wird? Wenn ja, mit welchen Ziel- beziehungsweise Verhandlungsvorgaben soll das erreicht werden? Wenn nein, welche Auffassung vertritt der Senat stattdessen und welche Argumente sind für ihn ausschlaggebend? 10. Hält der Senat es grundsätzlich für sinnvoll, die Abstandsermittlung zukünftig auf der Basis von zu definierenden Abstandsklassen vorzunehmen ? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12442 3 a. Wenn ja, welche Abstandsklassen soll es nach Vorstellung des Senats zukünftig geben und wie sehen für diese Klassen die entsprechenden Abstände im Detail aus (in Metern je Klassentyp)? b. Wenn ja, sollen dabei auch typisierende Abstände für einzelne Anlagen und Stoffe berücksichtigt werden (sofern diese ermittelt werden können)? c. Wenn nein, was spricht gegen die Einführung von standardisierten Abstandsklassen? 11. Teilt der Senat die Auffassung, dass – im Sinne eines möglichst einfachen Verfahrens – Klassen für den angemessenen Sicherheitsabstand nur für standardisierbare Anlagentypen gebildet werden sollen, die vielfach in stofflich und prozesstechnisch vergleichbarer Form vorkommen und für die Abstandsklassen sinnvoll definiert werden können? 12. Mittels welcher Methodik soll nach Ansicht des Senats zukünftig (im Rahmen der TA Abstand) die Ermittlung des angemessenen Sicherheitsabstands betrieben werden? 13. Welche Auswirkungen wird die neue TA Abstand auf welche Altanlagen in Hamburg haben? Bitte eine allgemeine Einschätzung sowie eine Einschätzung auf der Basis des gegenwärtigen Verhandlungsstands. 14. Welche Auswirkungen sollte die neue TA Abstand nach Zielvorstellungen des Senats auf bestehende Anlagen in Hamburg haben? 15. Welche Auswirkungen wird die neue TA Abstand auf Altanlagen haben, wenn es zu baulichen Änderungen und/oder Erweiterungen kommt? 16. Welche Abstandsklassen sollen nach Ansicht des Senats zukünftig für die im Hamburger Hafen betriebenen Anlagen gelten? a. Welche Abstände sind für Anlagen im Hamburger Hafen zukünftig relevant? b. Welche Abstände sind bei Umbauten relevant? (Bitte betroffene Anlagen mit Abstandsklassen und Abstandswerten im Detail aufführen .) c. Welche Auswirkungen hätte die neue TA Abstand auf die Arbeit des Deutschen Maritimen Zentrums? 17. Welche Abstandsklassen sollen nach Ansicht des Senats zukünftig für die außerhalb des Hamburger Hafens betriebenen Anlagen gelten? a. Welche Abstände sind für diese zukünftig relevant? b. Welche Abstände sind bei Umbauten relevant? Bitte betroffene Anlagen mit Abstandsklassen und Abstandswerten im Detail aufführen . 18. Ist es richtig, dass es zukünftig ein Referenzmodell zur Ermittlung des angemessenen Sicherheitsabstandes geben soll und wenn ja, wie sieht dieses Modell aus? 19. Ist dem Senat bekannt, dass Altgutachten im Rahmen der Ermittlung von angemessenen Sicherheitsabständen keinen Fortbestand genießen sollen ? a. Wie beurteilt der Senat diesen Sachverhalt? b. Welche Auswirkungen hätte dies auf Hamburger Anlagen? Die Bundesregierung hat noch keinen Entwurf der TA Abstand vorgelegt. Insofern hat sich der Senat mit diesen Fragen noch nicht befasst. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Antwort zu 1. bis 3. Drucksache 21/12442 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 20. Was sollen nach Ansicht des Senats Schutzobjekte im Sinne der TA Abstand sein und welche Definitionen legt der Senat diesen Schutzobjekten zugrunde? Der Begriff „benachbarte Schutzobjekte“ ist in § 3 Absatz 5d BImSchG gesetzlich definiert. Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind danach ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.