BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12576 21. Wahlperiode 10.04.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 04.04.18 und Antwort des Senats Betr.: Antisemitismusrelativierung beim NDR – Was sagt der Senat? Am 25. Januar 2018 erschien auf der Webseite des NDR-Freitagsforums der Artikel „Antisemitismus: Muslime unter Generalverdacht“. Der Beitrag stammt aus der Feder der Journalistin Canan Topcu und widmet sich der Frage, ob Antisemitismus strukturell im Islam angelegt sei. Im Rahmen ihrer Analyse kommt Topcu zu dem Schluss, der unter Muslimen weitverbreitete Judenhass sei nicht im Islam, sondern vielmehr historisch wie politisch begründet. Ferner weißt Topcu darauf hin, dass Ressentiments gegen jüdische Menschen kein genuin islamisches Phänomen, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem seien, das genauso häufig bei Christen vorkomme. Der Befund, Antisemitismus sei dem Islam nicht immanent, ist nachweislich falsch. Allein im Koran, der heiligsten Quelle des Islam, findet sich eine Vielzahl von Versen, die explizit gegen Juden gerichtet sind. Die in ihnen postulierten Gebote fordern Muslime gleichermaßen dazu auf, Juden im Alltag zu meiden (Koran 2:120, 5:51), weisen darauf hin, dass deren Herzen verhärtet seien (Koran 2:67-74, 5:13), bezichtigen sie des Mordes an Allahs Propheten (Koran 2:85) sowie gegenüber Gott eidbrüchig zu sein (4:155, 5:13); auch klagen sie die Juden an, Allahs Gebote verfälscht zu haben (Koran 4:46-49, 5:13) und diffamieren sie als Betrüger, die anderen Leuten ihr Geld rauben (Koran 9:34). An anderer Stelle fordert Allah die Gläubigen dazu auf, Juden gewaltsam zu bekämpfen (Koran 9:29) und erklärt, sie verflucht zu haben (Koran 9:30). Schließlich sagt Allah, „heuchlerische“ Juden zur Strafe für ihren Frevel in Affen und Schweine verwandelt zu haben (Koran: 5:60). An dieser Stelle sei auf das Zitieren der Hadithe verzichtet, wohl aber darauf hingewiesen, dass der islamische Prophet Mohammed 627 das erste Pogrom gegen den jüdischen Stamm Banū Quraiza ins Werk setzte – ein Ereignis , das in der islamischen Historiographie bis heute überaus lebendig ist und jahrhundertlang als Beleg für die Stärke des Propheten galt. Unabhängig davon, dass es verschiedene Traditionen der Koranexegese gibt, bleibt unbestritten, dass Antisemitismus strukturell in den islamischen Quellen angelegt ist und Millionen Muslime die entsprechenden Verse heutzutage überaus ernst nehmen. Um zu ergründen, wie tief Antisemitismus heutzutage in der arabischen Welt verwurzelt ist, wo das Wort „Jude“ als pejorativer Begriff gebraucht wird, kann man die Ergebnisse der ADL-Studie „Global 100“ heranziehen, auf die auch der Antisemitismusbericht der Bundesregierung von 2017 Bezug nimmt. Ihnen zufolge erklärten im Irak 92 Prozent der Befragten, jüdische Menschen abzulehnen, wohingegen dieser Wert im Westjordanland und Gaza mit 93 Drucksache 21/12576 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Prozent nur unwesentlich höher lag.1 Ferner wurde deutlich, dass der Mittlere Osten und Nordafrika als judenfeindlichste Regionen der Welt gelten; insgesamt 74 Prozent der autochthonen Bevölkerung vertreten hier antisemitische Ressentiments.2 In allen Ländern dieser Regionen ist der Islam die dominante Religion. Nicht zufällig heißt es im Antisemitismusbericht der Bundesregierung : „Ein hohes Maß an antisemitischen Einstellungen stellten die Autoren des Antisemitismus-Berichts unter muslimischen Flüchtlingen aus etwa arabischen und nordafrikanischen Ländern fest.“3 Demgegenüber ist auch der islamisch geprägte Antisemitismus in Deutschland empirisch darstellbar. So gaben 81 Prozent der im Rahmen einer Studie des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung befragten Juden an, schon einmal von einer muslimischen Person oder Gruppe angegriffen worden zu sein, wohingegen 61 Prozent verbale Beleidigungen oder Belästigungen erlebt hatten.4 Man kann festhalten, dass Antisemitismus in Deutschland noch immer ein akutes Problem darstellt, das sich in den letzten Jahren vor allem durch den Zuzug von Muslimen aus der arabischen Welt und Nordafrika drastisch verschärft hat. In diesem Zusammenhang äußerte unlängst Rabbi Meyer H. May, Direktor des Simon-Wiesenthal-Centers, gegenüber der Zeitung „Die Welt“, antisemitische Muslime hätten deutsche Städte infiltriert; ferner wies er darauf hin, dass der Judenhass vor allem von islamischen Zuwanderern importiert werde.“5 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (GG) legt in seinem Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG fest, dass die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film gewährleistet werden. Eine Zensur findet nicht statt (Artikel 5 Absatz 1 Satz 3 GG). Im Übrigen umfasst das parlamentarische Fragerecht einen Anspruch auf Auskünfte, nicht jedoch auf meinungsbildende Stellungnahmen (vergleiche ThürVerfGH, Urteil vom 19. Dezember 2008 – 35/07), von denen der Senat deshalb auch im vorliegenden Fall absieht. Zum Landesprogramm zur Förderung demokratischer Kultur, Vorbeugung und Bekämpfung von Rechtsextremismus, Hamburg – Stadt mit Courage siehe Drs. 20/9849. Dieses wird laufend weiterentwickelt und fortgeschrieben. Zu Informationen über Beratungsstellen und Präventionsprojekte siehe http://www.hamburg.de/gegenrechtsextremismus /. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat – insbesondere vor dem Hintergrund obiger Zusammenhänge – den von Canan Topcu erhobenen Befund, Antisemitismus sei nicht im Islam begründet? 2. Hält der Senat Topcus Befund für zutreffend (falls der Senat davon absehen möchte, Bewertungen abzugeben)? 3. Welchen Beitrag leistet der Text „Antisemitismus: Muslime unter Generalverdacht “ aus Sicht des Senats zum politischen Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland? 1 Confer Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus. Deutscher Bundestag. 18. Wahlperiode. Unterrichtung durch die Bundesregierung. Bundestagsdrucksache 18/11970. S. 215; S. 6. ADL Global 100. An Index of antisemitism. Seite 6. 2 Confer ADL Global 100. An Index of antisemitism. Seite 6. 3 Confer I BT.-Drs. 18/11970. Seite 219. 4 Jüdische Perspektiven auf Antisemitismus in Deutschland. Ein Studienbericht für den Expertenrat Antisemitismus. Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, Andreas Zick, Andreas Hövermann, Silke Jensen, Julia Bernstein, Bielefeld, April 2017, Seite 21. 5 „Manche von denen haben deutsche Städte infiltriert“. „Die Welt“ online. 23.3.2018. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12576 3 4. Warum werden Beiträge, die islamisch geprägten Antisemitismus relativieren , vom NDR veröffentlicht? 5. Hat der Senat im Vorfeld von der Veröffentlichung des Artikels durch den NDR gewusst? Falls ja, was war ihm dabei im Einzelnen bekannt? 6. Teilt der Senat die von Rabbi Meyer H. May geäußerte Auffassung, die Einwanderung muslimischer Migranten führe zu einer Verschärfung des Antisemitismus in Deutschland? Siehe Vorbemerkung.