BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12577 21. Wahlperiode 10.04.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Detlef Ehlebracht (AfD) vom 04.04.18 und Antwort des Senats Betr.: Köhlbrandbrücke oder -tunnel Die Köhlbrandbrücke, 1974 eröffnetes Wahrzeichen unserer Hansestadt, „ist in die Jahre gekommen“, so ist aktuell in den Medien zu lesen. Bekanntlich beschäftigen sich die zuständigen Stellen bereits seit einiger Zeit mit der Nachfolgeproblematik und dabei tauchen immer wieder bemerkenswerte Zusammenhänge auf. Insbesondere scheint bei den Überlegungen zur künftigen Lösung des Problems mal wieder der Denkmalschutz gar keine Rolle zu spielen – und das ob der großartigen überregionalen und weltweiten Bedeutung der Köhlbrandbrücke. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang , dass beim Umgang mit dem Denkmal „Alter Elbtunnel“ für die Sanierung eine wirtschaftliche Betrachtung demgegenüber offensichtlich nicht stattgefunden hat. Gleichwohl ist im Hinblick auf die Köhlbrandbrücke eine lebhafte Auseinandersetzung über die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile von Brücke oder Tunnel zu verzeichnen. Dies vorausgeschickt, frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Hamburg Port Authority AöR (HPA) wie folgt: 1. Wie hoch werden die Kosten für die vollständige Sanierung des alten Elbtunnels insgesamt sein? Bitte eine ungefähre, realistische Angabe aus aktueller Einschätzung – und nicht die Antwort, die Angabe wäre nicht möglich, da die Baumaßnahme noch nicht abgerechnet sei. Die derzeitige Kostenprognose für das Gesamtprojekt liegt bei 116 Millionen Euro. 2. Welche Kosten sind bisher für Wartungs- und Unterhaltungsmaßnahmen für die Köhlbrandbrücke angefallen? Bitte – wenn möglich – für die einzelnen Jahre seit der Eröffnung aufführen. Aussagekräftige Angaben zu den Kosten können erst ab dem Jahr 2003 abgegeben werden, da eine digitale Erfassung erst seitdem erfolgt. Grundinstandsetzung und betrieblicher Aufwand für die Köhlbrandbrücke ab 2003 Angaben in T€ Mittel wert 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2003- 2017 Betrieblicher Aufwand 209 110 317 93 154 261 523 203 175 216 593 694 1232 823 1765 491 Grundinstand - setzung 1.550 1.413 2.26 1.203 1.295 409 2.706 11.070 10.233 1.742 4.248 6.356 10.434 10.429 0 4.221 Gesamt 1.759 1.523 543 1.295 1.449 669 3.229 11.274 10.408 1.958 4.841 7.050 11.666 11.252 1.765 4.712 Drucksache 21/12577 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Welche Kosten sind bisher für Wartungs- und Unterhaltungsmaßnahmen der 1974 eröffneten drei Elbtunnelröhren angefallen? Bitte – wenn möglich – für die einzelnen Jahre seit der Inbetriebnahme aufführen. Kosten für Wartungs- und Unterhaltungsarbeiten am neuen Elbtunnel werden aufgrund der Straßenbaulast durch die Bundesrepublik Deutschland getragen. Das kameralistische Haushaltssystem des Bundes lässt dabei prinzipiell keine Auswertung auf einzelne Straßenabschnitte, Bauwerke oder Teilbauwerke zu. Folgende Ausgaben wurden seitens des Bundes für den Bereich des Elbtunnels seit dem Jahr 2013 insgesamt geleitstet: Jahr Wartung (Mio. €) Unterhalt (Mio. €) 2013 5,5 2,4 2014 5,4 4,3 2015 5,1 2,7 2016 5,5 2,5 2017 5,4 4,5 Daten für weiter zurückliegende Jahre liegen nicht vor. Die künftig zu erwartenden Kosten für Wartung und Unterhaltung bewegen sich, unter Berücksichtigung der üblichen Preissteigerungen, im oben genannten Rahmen und werden im Rahmen der Haushaltsansätze des Bundes aufgefangen. 4. Wann wird der Austausch der Gummidichtungen der seinerzeit eingeschwommenen und abgesenkten Elemente des Elbtunnels erforderlich, welches Verfahren wird man dabei anwenden und mit welchen Kosten rechnet man dafür? Die Abdichtung der eingeschwommenen Elemente besteht aus zwei separaten „Gummidichtungen“, dem außen umlaufenden Profil, das den Spalt zwischen den Elementen abdichtet und der endgültigen Dichtung im trockenen Tunnelinnern. Die äußere Abdichtung war nur während der Montage der Tunnelelemente notwendig und muss daher nicht erneuert werden. Im Rahmen der veranschlagten Lebenszeit des Elbtunnels ist eine planmäßige Erneuerung der inneren Abdichtung ebenfalls nicht notwendig. 5. Welche Kosten sind bisher für Wartungs- und Unterhaltungsmaßnahmen der 4. Elbtunnelröhre angefallen und mit welchen Kosten rechnet man hier für die nächsten 30 Jahre? Siehe Antwort zu 3. 6. Welche Bedeutung und welcher Wert wird dem Denkmal Köhlbrandbrücke im Vergleich zum Denkmal „Alter Elbtunnel“ beigemessen? Bitte detailliert anhand einzelner Kriterien vergleichen. Alter Elbtunnel: Mit dem alten Elbtunnel wurde ein herausragendes, viel beachtetes und in anspruchsvoller Architektursprache gestaltetes Ingenieurbauwerk geschaffen, das einen bedeutenden Beitrag zur technischen Infrastruktur Hamburgs und zum für die Stadt lebenswichtigen Hafen leistete. Insofern besitzt der alte Elbtunnel eine hohe Bedeutung innerhalb der Stadt- und Wirtschaftsgeschichte sowie der Baugeschichte Hamburgs und als Zeugnis der Hamburger Verkehrsgeschichte. Die Eingangsbauwerke, insbesondere das stadtseitig gelegene, prägen das urbane Stadtbild des Hafenrandes deutlich . Die Bedeutung des Tunnels reicht weit über die Stadt hinaus, da es sich um den ersten großen Unterwassertunnel auf dem europäischen Festland handelt, der in seiner Anlage und Konstruktionsweise bis heute einzigartig ist. Die Arbeiten in einem anspruchsvollen Terrain unter Wasser und die Verwendung und Weiterentwicklung damals neuartiger technischer Verfahren machen ihn zu einer herausragenden ingenieurtechnischen Leistung. Da zur Bauzeit der Tunnelbau, vor allem unter Wasser, europaweit gerade erst seinen Anfang genommen hatte, trug der alte Elbtunnel durch Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12577 3 seinen Bau erheblich zum wissenschaftlichen Fortschritt bei. Somit ist der Tunnel auch ein Zeugnis von hohem technischem, wissenschaftlichem und verkehrsgeschichtlichem Wert. Ihm kommt nationale und internationale Bedeutung zu. Köhlbrandbrücke: Die Köhlbrandbrücke ersetzte eine alte Fährverbindung der beiden Freihafenteile beiderseits des Köhlbrands, sodass mit der Inbetriebnahme der Brücke im Jahr 1974 ein entscheidender Schritt in der Modernisierung des Hamburger Hafens vollzogen wurde : Die Expansion des Hafens, insbesondere des Containerhafens Waltershof im Westen seit den 1960er-Jahren, machte einen Ausbau der Haupthafenroute unausweichlich ; in dieser stellte die neue Hochbrücke über den Köhlbrand ein ebenso entscheidendes wie hafenbildprägendes Element dar. Bei Fertigstellung war sie die viertgrößte Schrägseilbrücke Europas, mit einer Pylon- Form, die noch für weit später errichtete Schrägseilbrücken beispielgebend war. Die Köhlbrandbrücke ist daher von hoher wirtschafts- und verkehrsgeschichtlicher sowie stadtbaugeschichtlicher Bedeutung sowie aufgrund ihrer starken optischen Präsenz und auffälligen Form ein charakteristischer Bestandteil des Stadtbildes. 7. Ist eine Weiterverwendung der Köhlbrandbrücke aus technischer Sicht ausgeschlossen oder wäre eine Sanierung mit der Perspektive einer weiteren Nutzung für zum Beispiel 30 Jahre machbar? Bitte die Antwort detailliert begründen, dabei soll die Kostenfrage ausdrücklich außer Betracht bleiben. Aufgrund der steigenden Verkehrsbelastung und des Bauwerkzustandes ist der Betrieb der Köhlbrandbrücke über das Jahr 2030 nicht mehr wirtschaftlich möglich. Aus technischer Sicht kann eine Sanierung die Lebensdauer nicht verlängern, da das Bauwerk bereits die heutigen und auch die zukünftig prognostizierten Anforderungen hinsichtlich Verkehrsmengen und Lastannahmen nicht erfüllt. 8. Die Golden-Gate-Brücke in San Francisco ist bereits über 80 Jahre alt und wird selbstverständlicherweise auch weiterhin erhalten. Die Köhlbrandbrücke hat gerade die Hälfte dieses Alters erreicht – inwiefern ist das dem Bürger verständlich zu machen? 9. Welche Lebensdauer wird aus heutiger Sicht einem Brückenneubau beigemessen ? Inwiefern ist die Lebensdauer von der Konstruktion der Brücke abhängig? Technische Daten und Verkehrsdaten zur Golden Gate Bridge liegen der zuständigen Behörde nicht vor. Die Lebensdauer einer Brücke wird von der Bemessung, Konstruktion , Bauverfahren, Baustoffen, Belastung, Wartung und Instandhaltung maßgeblich beeinflusst. Die Lebensdauer heutiger Brücken wird mit 80 bis 100 Jahren bemessen. 10. Wie viele und welche Containerterminals gibt es aktuell im Hamburger Hafen? Bitte im Einzelnen aufführen unter Angabe des jeweiligen Baujahres , mit der technischen Leistungsfähigkeit und der derzeitigen Auslastung . Im Jahr 2017 wurden Container an sieben Terminals (Containerterminal (CT) Burchardkai , CT Altenwerder, CT Tollerort, CT Hamburg/Eurogate, Unikai, C. Steinweg /Süd-West Terminal, Wallmann) im Hamburger Hafen umgeschlagen. Circa 98 Prozent des gesamten Containerumschlages wird an den vier erstgenannten Großcontainerterminals umgeschlagen. Aufgrund kontinuierlich entwickelter Marktnachfrage und darauf abgestimmter sukzessiver Ausbauten und Spezialisierungen ist grundsätzlich ein konkretes Baujahr für die heutige Ausprägung der Terminals nicht zu benennen. Das CT Altenwerder wurde nach Angaben der HHLA Hamburger Hafen und Logistik AG im Juni des Jahres 2002 eröffnet. Aussagen zu betriebsspezifischem Leistungsvermögen und Auslastungen liegen in der Verantwortung der privaten Umschlagsbetriebe. 11. Wann wurde der Bau des Containerterminals Altenwerder beschlossen und von welchem Gremium? War zum Zeitpunkt des Beschlusses nicht Drucksache 21/12577 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 absehbar, dass die größer werdenden Containerschiffe irgendwann Problem mit der Durchfahrtshöhe der Köhlbrandbrücke bekommen könnten und wie hat man sich zu dieser Frage positioniert? Voraussetzung für die Inanspruchnahme Altenwerders war im Jahr 1961 die Verabschiedung des „Gesetzes über die Hafenerweiterung“ (HEG), womit rund 2.500 ha vorwiegend in Moorburg, Altenwerder und Francop befindliche Flächen zum Hafenerweiterungsgebiet gemacht worden sind. Die konkrete Planung, die bereits vorher vorgesehene Hafenerweiterung Altenwerder zugunsten eines Containerterminals zu nutzen , fällt in die Mitte der Siebzigerjahre. In den Jahren 1972/1973 kam die zuständige Behörde zu dem Ergebnis, dass die Kapazität der Containerumschlagsanlage(n) in Waltershof Mitte der Achtzigerjahre erschöpft sein würde und nach Altenwerder ausgewichen werden müsse. So war bereits im Hafenentwicklungsplan von 1975 vorgesehen, dass Altenwerder als Containerumschlag vorzusehen sei. Die Planungen wurden Mitte der Achtzigerjahre in Verfolgung des gesetzlichen Auftrags aus § 1 HafenEG (1982) aufgenommen. Planfestgestellt wurde der Bau mit Beschluss der Planfeststellungsbehörde des Amts Strom- und Hafenbau vom 30. Mai 1995. Es war zum damaligen Zeitpunkt nicht absehbar, dass die Durchfahrtshöhe der Köhlbrandbrücke zu teilweisen Restriktionen bei den heutigen Containerschiffen führen könnte. 12. Stellt die begrenzte Durchfahrthöhe auch für die sonstigen dort passierenden Frachtschiffe, zum Beispiel für diejenigen des Hansaports oder des Kraftwerks Moorburg ein Problem dar? Nein. 13. Wann plant der Senat eine Entscheidung über die Zukunft der Köhlbrandquerung zu treffen und welche Rolle spielt dabei der Denkmalschutz ? Die Überlegungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen siehe Drs. 21/11705. 14. Ist es geplant, die Bürger der Freien und Hansestadt aufgrund der herausragenden Bedeutung der Köhlbrandbrücke an dieser Entscheidung in irgendeiner Form zu beteiligen? Wenn ja: in welcher Form? Wenn nein: warum nicht? Das Projekt „Neue Querung Köhlbrand“ befindet sich mit der Durchführung der Machbarkeitsstudie Brücke/Tunnel in einer noch sehr frühen Projektphase. In den weiteren Planungsprozessen wird die Beteiligung der Öffentlichkeit auch unter Beachtung der rechtlichen Anforderungen (zum Beispiel Planfeststellungsverfahren) sichergestellt.