BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12604 21. Wahlperiode 17.04.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 09.04.18 und Antwort des Senats Betr.: Massive Probleme bei der Integration an den Schulen – Wie ist die Situation an den Hamburger Schulen und was tut der Senat? Bürger und Medien sowie zuletzt auch ein Sachbuch berichten über massive Probleme bei der Integration an den Schulen. Zu den beschriebenen Problemen gehören verstärkt auftretende salafistische Äußerungen in den Schulen , antisemitische Gewalt und Demokratiefeindlichkeit. Es wird in diesem Zusammenhang von „Parallelgesellschaften“ in den Schulen gesprochen.1 Es muss nun ermittelt werden, in welchem Umfang diese Probleme vorliegen , damit umgehend und wirksam entgegengesteuert werden. Wenn die beschriebenen Probleme nicht erkannt, benannt und gelöst werden, bedeutet das ein Versagen des schulischen Bildungsauftrags sowie eine Enttäuschung in Bezug auf das Bildungsversprechen und es droht eine weitere Polarisierung der Gesellschaft zugunsten populistischer Politik. Integration ist einer der Schlüssel, um allen Kindern und Jugendlichen ungeachtet ihrer Herkunft gute Zukunftschancen bieten zu können. Gute Integration ist damit ein wichtiger Baustein von Bildungsgerechtigkeit. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Fast die Hälfte der Hamburger Schülerinnen und Schüler hat einen Migrationshintergrund . Die Schulgemeinschaften stellen sich dieser besonderen Integrationsaufgabe, indem sie gute Bildung und soziales Miteinander in den Schulen miteinander verbinden und jungen Menschen den Weg in Studium, Beruf und Leben ebnen. Die Integration von Schülerinnen und Schülern in die Gesellschaft ist eine zentrale Funktion von Schule und Unterricht. Beide bieten den institutionellen Rahmen, damit Heranwachsende die für eine mündige Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben erforderlichen Fähigkeiten und Kompetenzen erwerben können. Hamburg verstärkt diese Integrationsfunktion durch zahlreiche, überwiegend auf Dauer angelegte Maßnahmen und Programme: Mit dem Sozialindex werden den Schulen in Abhängigkeit von den sozialen Herkunftsmerkmalen der Schülerschaft unterschiedliche Ressourcen zur Verfügung gestellt. Damit wird ein wesentlicher Beitrag zum Ausgleich von Bildungsbenachteiligung geschaffen. Durch die flächendeckende Einführung des ganztägigen Lernens an Schulen wird darüber hinaus ein Rahmen geboten, der insbesondere Kindern und Jugendlichen aus bildungsfernen Familien einen erweiterten Zugang zu Bildungsressourcen ermöglicht. 1 https://www.abendblatt.de/hamburg/article213915731/Eine-unbequeme-Wahrheit.html (abgerufen am 05.04.2018). Drucksache 21/12604 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Um die Ausgangsvoraussetzungen für schulisches Lernen sicherzustellen, gibt es das Verfahren zur Vorstellung der Viereinhalbjährigen. Bei Bedarf gibt es Maßnahmen im Bereich der frühen Sprachförderung. Auch nach Schuleintritt wird der Sprachförderbedarf fortlaufend überprüft und durch entsprechende Sprachfördermaßnahmen aufgefangen . Die Umsetzung dieses Sprachförderkonzepts wird durch ein Monitoring der eingeleiteten Maßnahmen begleitet. Zur raschen Integration von neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen sind an zahlreichen Standorten Internationale Vorbereitungsklassen (IVK) und Basisklassen eingerichtet worden. Nach dem Wechsel aus einer IVK in eine Regelklasse erhalten die Schülerinnen und Schüler für ein weiteres Jahr zusätzliche Sprachförderung. Seit dem Schuljahr 2011/2012 bietet Hamburg als einziges Bundesland für Schülerinnen und Schüler aller Jahrgänge der allgemeinen Schulen kostenlose Lernförderung („Nachhilfe“) im Rahmen des Programms „Fördern statt Wiederholen“ direkt in den Schulen an. Dieses Programm leistet unter anderem ebenfalls einen Beitrag zur Integration von Schülerinnen und Schülern. Die 13 Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ) und das Bildungs- und Beratungszentrum bei Krankheit/Autismus (BBZ) haben eine hamburgweit tätige Fachstelle für Schülerinnen und Schüler mit Fluchterfahrung eingerichtet, die gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der ReBBZ und des BBZ Hilfestellungen , Lösungswege und Unterstützungsangebote bei Fragen zu Migration und Flucht und massiven Problemen bei der Integration in die Schulen entwickelt. Das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) hat eine Beratungsstelle Interkulturelle Erziehung (BIE) eingerichtet, die ein umfassendes Beratungs-, Fortbildungs- und Schulbegleitungsangebot rund um die Themen Vielfalt, Inklusion, gleichberechtigte Teilhabe und Chancengerechtigkeit sowie Erziehung zum respektvollen Miteinander im Schulalltag bietet. Das Projekt „23+ starke Schulen“ unterstützt Schulen in schwierigen sozialen Lagen durch zusätzliche Ressourcen und eine intensive Schulentwicklungsbegleitung. In diesem Zusammenhang stellt die Ansprache, Aktivierung und Einbindung von Eltern sowie Schülerinnen und Schülern ein wichtiges Aufgabenfeld dar. In Zusammenarbeit mit Trägern werden Elternmentoren ausgebildet, die als Bindeglied zwischen Schule und Familie agieren. Für einen gelingenden Übergang in Studium und Beruf wurde für alle Schulen ein verbindliches BOSO-Konzept (Berufs- und Studienorientierung) eingeführt. Die Jugendberufsagentur (JBA) schafft einen institutionellen Rahmen, damit schulische Anschlüsse gewährleistet und begleitet werden. Im Rahmen des Hamburger Integrationskonzepts 2017 (siehe Drs. 21/10281 sowie http://www.hamburg.de/integration/service/115238/integrationskonzept/) werden Teilziele und Indikatoren identifiziert, die eine Näherung an das Ziel gelingender Integration erlauben (siehe insbesondere die Kapitel „II.3. Normen und Werte“, „III.2. Bildung an allgemeinbildenden Schulen“ und „III.3.Berufliche Bildung/Ausbildung“). Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Sind dem Senat oder der zuständigen Behörde Probleme bei der Integration an den Hamburger Schulen, insbesondere in Bezug auf „Parallelgesellschaften “ in den Schulen oder im außerschulischen Kontext, bekannt? Wenn ja: Bitte im Detail und unter Nennung des Problems darstellen. Wenn nein: warum nicht? Siehe Vorbemerkung. Der zuständigen Behörde liegen keine Beschwerden von Sorgeberechtigten oder Schulen vor, die sich auf die Integration an Hamburger Schulen und insbesondere auf „Parallelgesellschaften“ beziehen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12604 3 In regelmäßigen Gesprächen zwischen Schulleitung und Schulaufsicht wird das Bemühen der Lehrkräfte deutlich, die zugewanderten Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu integrieren. 2. Welche Instrumente und Methoden werden eingesetzt, um die aktuelle Situation in Bezug auf die gelingende oder misslingende Integration an den Schulen zu messen? Zu den im Integrationskonzept formulierten Teilzielen, Indikatoren und Zielwerten sowie zu den Instrumenten und Methoden, mit denen diese ermittelt werden, siehe Drs. 21/10281. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Plant der Senat oder die zuständige Behörde die Etablierung von weiteren Evaluationsmechanismen, um die aktuelle Situation in Bezug auf Probleme bei der Integration aussagekräftiger darstellen zu können? Wenn ja: Bitte unter Nennung und Erläuterung der Instrumente darstellen . Wenn nein: warum nicht? Die regelhaft eingesetzten Instrumente und Mechanismen sind ausreichend. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Drs. 21/10281. 4. Welche Programme und Maßnahmen zur Förderung der Integration von Schülern sind dem Senat oder der zuständigen Behörde im schulischen Bereich bekannt und werden diese Programme in Hinblick auf ihre Wirksamkeit evaluiert? Bitte unter Nennung der Programme und Maßnahmen, den dort stattfindenden Inhalten, der Zielgruppen und der Evaluation der Wirksamkeit der Integrationsarbeit tabellarisch darstellen. Siehe Vorbemerkung und Drs. 21/10281. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Einzelprogramme und Maßnahmen an Schulen, die nicht zentral erfasst werden. 5. Im welchem Umfang werden im Rahmen des Unterrichts, beispielsweise im Fach Werte und Normen oder im Fach Religion, demokratische Werte vermittelt? Bitte unter Nennung des Ausmaßes und der konkreten Unterrichtsinhalte in den Fächern darstellen. Als Grundlage für die Gestaltung des Unterrichts an den Hamburger Schulen gelten zunächst die einschlägigen Bestimmungen des Hamburgischen Schulgesetzes (HmbSG), hier insbesondere der in § 2 HmbSG niedergelegte allgemeine schulische Bildungs- und Erziehungsauftrag, demgemäß sich Unterricht und Erziehung an den Werten des Grundgesetzes und der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg ausrichten. Des Weiteren ist es Aufgabe der Schule, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen und ihre Bereitschaft zu stärken, ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grundsätzen der Achtung und Toleranz, der Gerechtigkeit und Solidarität sowie der Gleichberechtigung der Geschlechter zu gestalten und Verantwortung für sich und andere zu übernehmen, an der Gestaltung einer der Humanität verpflichteten demokratischen Gesellschaft mitzuwirken und für ein friedliches Zusammenleben der Kulturen sowie für die Gleichheit und das Lebensrecht aller Menschen einzutreten. Dieser allgemeine Bildungs- und Erziehungsauftrag gilt für alle in Schule und Unterricht Tätigen, damit zugleich für alle Fächer, Aufgabengebiete und Lernbereiche unmittelbar. In diesem Sinne sind Werte und Normen als Thema in den Bildungsplänen für die Grundschule, die Stadtteilschule und das Gymnasium verankert und insbesondere Bestandteil des Sachunterrichts in Grundschulen, des Fachs Politik/Gesellschaft/ Wirtschaft beziehungsweise Lernbereichs Gesellschaft an weiterführenden Schulen, des Philosophie- und des Religionsunterrichts sowie einiger Aufgabengebiete. Hinsichtlich der Aneignung von Werten und Normen ist zudem auf die in allen Fächern zu Drucksache 21/12604 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 vermittelnden überfachlichen Kompetenzen, dort insbesondere auf den Bereich der sozial-kommunikativen Kompetenzen, zu verweisen. Die Bildungspläne enthalten allgemeine inhaltliche und methodische Vorgaben für die Gestaltung des Unterrichts in den Fächern und Aufgabengebieten, sie enthalten auch inhaltliche Vorgaben, die die Vermittlung von Werten und Normen im weiteren Sinne fördern können (siehe www.hamburg.de/bildungsplaene/). Die quantitative und qualitative Konkretisierung der Vorgaben mit Blick auf die jeweils konkret zu unterrichtende Stundenzahl und die Fachinhalte im Einzelnen ist Aufgabe der Schulen, die dies im Rahmen der Erarbeitung schuleigener Curricula leisten. Zur Unterstützung für die alltägliche Unterrichtspraxis hat das LI Anfang 2016 unter dem Titel „Miteinander leben – Grundrechte vertreten – Gesellschaft gestalten“ eine Materialsammlung zum Thema Wertebildung erstellt, die sowohl im Internet verfügbar ist (siehe http://li.hamburg.de/wertebildung/) als auch in gedruckter Form bestellt werden kann. 6. Sind dem Senat oder der zuständigen Behörde Programme und Maßnahmen bekannt zur Förderung der Integration von Schülern bekannt, die sich explizit mit dem sozialen Kontext, beispielsweise dem Elternhaus , befassen? Wenn ja: Bitte im Detail und unter Nennung der bisherigen Reichweite der Programme darstellen. Wenn nein: Planen der Senat oder die zuständige Behörde derartige Programme? Zu den Programmen „Family Literacy Hamburg“ (FLY), „Schulmentoren – Hand in Hand für starke Schulen“ siehe Drs. 21/10281. Darüber hinaus gibt es zahlreiche von Schulen durchgeführte Maßnahmen, die nicht zentral erfasst werden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 7. Welchen Beitrag leisten die in Hamburg ansässigen religiösen Verbände und Interessensgruppen in Bezug auf die Integration von Schülern aus Sicht des Senats oder der zuständigen Behörde? Findet in diesem Zusammenhang eine Kooperation mit den Schulen statt? Religionsgemeinschaften in Hamburg, insbesondere die katholische Kirche, die orthodoxen und die evangelischen Kirchen, muslimische Vereine und Religionsgemeinschaften , die Alevitische und die Jüdische Gemeinde und viele andere religiöse Gemeinschaften leisten durch ihre Kinder- und Jugendarbeit einen Beitrag zur Integration schulpflichtiger Kinder und Jugendlicher. Die zuständige Behörde erfasst die einzelnen Aktivitäten und schulkooperativen Angebote nicht zentral. In Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde entwickeln die Evangelisch- Lutherische Kirche in Norddeutschland, die muslimischen Religionsgemeinschaften DITIB, Schura und VIKZ, die Alevitische Gemeinde und die Jüdische Gemeinde den Religionsunterricht für alle auf Grundlage von Artikel 7 Absatz 3 Grundgesetz so weiter , dass er von ihnen zukünftig gleichberechtigt verantwortet werden kann. Im Zuge dieser Weiterentwicklung wurden auf Basis der Grundsätze aller beteiligten Religionsgemeinschaften didaktische Prinzipien vereinbart, die wesentliche Bedingungen für die Integration aller Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund festhalten. 8. Planen der Senat oder die zuständige Behörde weitere Maßnahmen, um die Probleme bei der Integration an den Schulen zu verbessern? Wenn ja: Bitte unter Nennung und Erläuterung der Maßnahmen im Detail darstellen. Wenn nein: warum nicht? Bei den in Drs. 21/10281 aufgeführten Strategien und Zielen handelt es sich überwiegend um auf Dauer angelegte Maßnahmen und Programme. Sie werden fortlaufend weiterentwickelt und bei Bedarf auch ergänzt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.