BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12612 21. Wahlperiode 17.04.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 09.04.18 und Antwort des Senats Betr.: Verhaltenskodex zur Religionsausübung an der Universität Hamburg (IV) Am 18. Oktober 2017 hat die Universität Hamburg als erste Hochschule in Deutschland einen Verhaltenskodex zur Religionsausübung herausgegeben. Begründet wird diese Maßnahme mit dem Ziel, „das respektvolle und friedliche Miteinander aller Universitätsangehörigen bei der Ausübung verschiedener Glaubensüberzeugungen zu regeln und damit gleichermaßen die Verpflichtung zu wissenschaftlicher Forschung und Lehre zu gewährleisten.“1 In Hinblick auf die Beweggründe, die zur Ausarbeitung des Verhaltenskodex geführt haben, ist von „vereinzelten Vorkommnissen“ die Rede, die „eine Reihe von Fragen zum Umgang mit dem Religiösen in Studium, Lehre und Forschung und im alltäglichen Miteinander an der Hochschule aufgeworfen haben.“2 Diese Formulierungen erwecken den Anschein, als liege der Ausarbeitung des Verhaltenskodex das Streben der Universität zugrunde, die Religionsfreiheit auf dem Campus zu wahren. Für diese Sichtweise spricht denn auch die folgende Erklärung: „Der Verhaltenskodex zur Religionsausübung schreibt fest, dass das vom Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gewährte Recht auf Religionsfreiheit für die Angehörigen der Universität Hamburg in keiner Weise eingeschränkt ist. Zur Religionsfreiheit gehört auch die Freiheit der Religionsausübung, etwa bei der Verwendung religiöser Symbole wie dem Kreuz, dem Davidstern oder Kopfbedeckungen. In ihrem Kodex fordert die Universität Hamburg ihre Mitglieder dazu auf, die Religionsfreiheit aller Mitglieder und die Gleichberechtigung der Geschlechter zu respektieren .“3 Dass es in Wahrheit jedoch vielmehr darum geht, religiös motivierten Konflikten vorzubeugen, die sich aus dem Verhalten von Muslimen gegenüber Glaubensgenossen und Andersgläubigen ergeben, wird erst ersichtlich, wenn man das Dokument zu Ende liest. Dabei zeigt sich, dass es in der Vergangenheit offenbar akute Probleme im universitären Alltag gegeben hat, wenn es darum ging, inwieweit die im Grundgesetz festgeschriebene Religionsfreiheit das Verhalten einzelner Studenten abdeckt, die die Rücksichtnahme auf ihre religiösen Verpflichtungen von anderen für sich einfordern. In diesem Zusammenhang heißt es: „Die Ablehnung wissenschaftlicher Inhalte, Methoden und Personen aus rein religiösen bzw. konfessionellen Gründen genügt diesen Anforderungen nicht und ist im Zweifelsfalle als eine Form 1 Confer Pressemitteilung der Abteilung Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der Universität Hamburg vom 18. Oktober 2017. 2 Confer ibidem. 3 Confer ibidem. Drucksache 21/12612 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 religiös motivierter Diskriminierung anzusehen.“4 Ferner ist zu lesen: „Die Religionsfreiheit der Universitätsangehörigen, d.i. der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, der Studierenden sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist gewährleistet. Diese umfasst nicht nur die Freiheit, einen Glauben zu haben und diesen auszuüben, sondern auch die Freiheit, keinen Glauben zu haben.“5 Als entlarvend erweist sich schließlich auch der folgende Grundsatz : „Die Ausübung religiöser Freiheit in der Universität setzt die Anerkennung Anderer und den Respekt vor deren Glauben oder Unglauben und deren Überzeugungen voraus. Die Religionsfreiheit der Einen kann nicht weiter reichen als die Religionsfreiheit der Anderen. Dies schließt die Freiheit, nicht zu glauben, ebenso ein wie die Freiheit, kein glaubensgemäßes Leben zu führen und keine religiösen Symbole zu verwenden sowie keine Bekleidungen zu tragen, die religiös motiviert sind. Ein religiös motivierter Druck zu einem „richtigen“ Verhalten widerspricht der Religionsfreiheit. Die gleiche Freiheit aller Universitätsangehörigen ist ebenso zu respektieren, wie jede Form der Diskriminierung zu unterlassen ist.“6 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Nach Auskunft der Universität Hamburg (UHH) haben sich der „Verhaltenskodex zur Religionsausübung an der Universität Hamburg“ sowie die „Ausführungsbestimmung des Präsidiums zum Verhaltenskodex zur Religionsausübung an der Universität Hamburg der AG Religionsausübung“ vom Oktober 2017 (https://www.fid.uni-hamburg.de/ verhaltenskodex-religionsausuebung-inkl-ausfuehrungsbestimmung.pdf) bewährt. Der UHH sind keine besonderen Vorkommnisse bekannt und keine Verstöße gegen die Regeln des Verhaltenskodex gemeldet worden. Zum Umgang der UHH mit Verstößen geben der Verhaltenskodex unter Ziffer 7 und ergänzend die Ausführungsbestimmungen (zum Beispiel unter Ziffer 3 und 8) Auskunft. Zuständige Stelle innerhalb der UHH für die Entgegennahme von Meldungen über Vorkommnisse oder Verstöße ist die Präsidialabteilung der UHH, die auch eine entsprechende Dokumentation gewährleistet . Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der UHH wie folgt: 1. Wie hat sich der Verhaltenskodex seit seiner Einführung bewährt? 2. Hat es seit Oktober 2017 Fälle gegeben, in denen gegen die Regeln des Verhaltenskodex verstoßen wurde? Falls ja, wie stellen sich diese Verstöße im Einzelnen dar? 3. Bei welcher Stelle werden Verstöße gegen den Verhaltenskodex gemeldet ? 4. Wo und wie werden solche Verstöße dokumentiert? 5. Werden Verstöße sanktioniert? Falls ja, inwiefern? Falls nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung. 6. Der Senat hat in Drs. 21/10764 behauptet, die Universität Hamburg habe die Vorfälle, die zum Inkrafttreten des Verhaltenskodex führten, zu keiner Zeit dokumentiert. Eigene Recherchen der AfD-Fraktion haben hierzu das Folgende ergeben: 4 Punkt 1 Verhaltenscodes zur Religionsausübung an der Universität Hamburg. 5 Ibidem Punkt 2. 6 Punkt 3 Verhaltenscodes zur Religionsausübung an der Universität Hamburg. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12612 3 a) In einem Universitätsinstitut wurde mindestens einmal ein Freitagsgebet gehalten, das von einem salafistischen Prediger geleitet wurde . Diesen Vorfall hat Professorin Brigit Recki, die auch den Vorsitz der für die Ausarbeitung zuständigen Expertenkommission innehatte , in den Medien als „Akt konfrontativer Religionsausübung“ beschrieben. b) Dem Vorsitzenden der Islamischen Hochschulgemeinde Bilal Gülbas zufolge sollen 2017 bis zu 1.300 Personen den Ramadan auf dem Campus gefeiert haben, was in der Studentenschaft wie auch beim Lehrpersonal für Empörung geführt habe. c) Muslimische Studenten hatten den seit zehn Jahren bestehenden Raum der Stille okkupiert und dort einen Vorhang angebracht, um die Männer und Frauen während des Gebets voneinander zu trennen . Darüber hinaus hat der Senat in Drs. 21/11080 das Folgende konstatiert: „Sofern kein verfassungsrechtlicher Grund für eine gänzliche oder teilweise Verweigerung der Antwort vorliegt, beantwortet der Senat die ihm gestellten parlamentarischen Fragen unter Verwendung aller ihm vorliegenden Erkenntnisse so vollständig wie möglich. Dies ist auch im vorliegenden Fall geschehen.“7 Sind dem Senat diese Vorfälle und deren Bedeutung für die Ausarbeitung des Verhaltenskodex bekannt? Fall ja, seit wann? Falls nein, warum hat der Senat behauptet, die Universität Hamburg habe niemals Fälle dokumentiert und könne demnach nicht sagen, welche Ereignisse zum Erlass des Verhaltenskodex geführt hatten? 7. Haben aus Sicht des Senats verfassungsrechtliche Gründe Bestand, die einer vollumfänglichen Beantwortung von Drs. 21/10764 entgegenstehen ? 8. Hat der Senat ein politisches Interesse daran, dass die Öffentlichkeit nicht davon erfährt, dass dem Verhaltenskodex das Verhalten muslimischer Studenten zugrunde liegt? Falls ja, rechtfertigt dies, Informationen zu unterschlagen? Falls nein, warum hat er dann geleugnet, die obigen Zusammenhänge zu kennen? Die Fragen aus der Drs. 21/10764 wurden vom Senat beantwortet. Dass der Senat bei der Beantwortung die offenbar vom Fragesteller begehrten Informationen nicht vorgelegt hat, beruht nicht auf verfassungsrechtlichen Gründen, sondern auf den in der Senatsantwort benannten tatsächlichen Gründen. Im Übrigen weist der Senat die Unterstellung zurück. Wie in der Senatsantwort ausgeführt, hat die Universität mitgeteilt , dass sie entsprechende Fälle nicht dokumentiert. Im Übrigen hat die Universität Hamburg im Rahmen ihrer Hochschulautonomie eigenverantwortlich über die Aufstellung und die Inhalte des Verhaltenskodex entschieden. Im Übrigen siehe Drs. 21/10764 und 21/11080. 7 Confer Drs. 21/11080. Seite 2.