BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12627 21. Wahlperiode 17.04.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Thomas Kreuzmann und Carsten Ovens (CDU) vom 10.04.18 und Antwort des Senats Betr.: Angriff oder Verteidigung? Welche Strategie verfolgt der Senat beim Thema „eSports“? Ein immer relevanteres Thema auch für Hamburg ist elektronischer Sport, kurz „eSports“.1 Gerade für Hamburg verspricht dieses internationale Phänomen immense Chancen. Es handelt sich dabei um einen Wettkampf mithilfe von Videospielen. Die Veranstaltung „ESL ONE Hamburg“ zog bereits 2017 10.000 Zuschauer in die Barclaycard-Arena.2 An diesen Veranstaltungserfolg anknüpfend kündigte das Unternehmen „ELC Gaming“, das als Turnierorganisator und Inhaltsentwickler im Bereich eSports tätig ist, erst Anfang Februar dieses Jahres an, Hamburg zum eSports-Zentrum Europas machen zu wollen. Dazu soll bis Januar 2019 die erste europäische eSports- Arena in Hamburg errichtet werden. Insgesamt soll die Arena rund 2.000 Quadratmeter umfassen und ein Aushängeschild der globalen eSports- Szene werden.3 Unklarheit herrscht insbesondere bei der Frage nach der Lage der Arena sowie über die notwendigen Kosten. Gänzlich unklar ist zudem, inwieweit überhaupt der Senat bei diesem Projekt involviert ist oder dieses in irgendeiner Art fördert. Tatsache ist: Auch für die Bundespolitik erweist sich eSports als ein zunehmend wichtiges Thema. Im aktuellen Koalitionsvertrag4 haben die Regierungspartner von CDU, CSU und SPD ein bemerkenswertes Bekenntnis zur Zukunft von eSports abgelegt: „Wir erkennen die wachsende Bedeutung der E-Sport-Landschaft in Deutschland an. Da E-Sport wichtige Fähigkeiten schult, die nicht nur in der digitalen Welt von Bedeutung sind, Training und Sportstrukturen erfordert, werden wir E-Sport künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht anerkennen und bei der Schaffung einer olympischen Perspektive unterstützen.“ 1 Weitere Schreibweisen im deutschen Sprachraum sind E-Sport, ESport, e-Sport, E-Sports und e-Sports. In der Anfrage wird die branchenübliche Schreibweise eSports verwendet. Im Singular bezeichnet eSports die Gesamtheit dieses Phänomens, im Plural die verschiedenen Spiele. 2 Siehe https://de.esl-one.com/dota2/hamburg-2017/ und https://en.wikipedia.org/wiki/ESL_ One_Hamburg_2017 , beide letzter Zugriff: 29.03.2018. 3 https://www.mopo.de/hamburg/gamer-glueck-hamburg-soll-europaeisches-zentrum-fueresports -werden-29627614, letzter Zugriff: 29.03.2018. 4 https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/koalitionsvertrag_2018.pdf?file=1, letzter Zugriff: 29.03.2018. Drucksache 21/12627 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Allerdings äußerte sich der rot-grüne Senat bislang auffallend zurückhaltend zum Thema eSports. Sowohl ein Bekenntnis als auch eine einschlägige Definition ließen die Senatsvertreter in den jüngsten Beratungen im Sportausschuss der Bürgerschaft hierzu vermissen (siehe unter anderem Drs. 21/11973). Damit aber nicht nur die besagte Arena rechtzeitig fertiggestellt, sondern auch die eSports-Landschaft als solche in Hamburg dauerhaft fußfassen kann, braucht es ein sinnvolles Handlungskonzept. Das erwarten auch die Initiatoren der Arena, die bereits vergleichbare Spielstätten in China und den USA betreiben. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: eSports liegt im Trend und ist für viele Menschen interessant und attraktiv. eSports erfordert eine geistige Beweglichkeit, motorische Kompetenzen, die Fähigkeit zu strategischem Handeln sowie Kombinations- und Konzentrationsfähigkeit. Es gibt Berührungspunkte und Überschneidungen zum herkömmlichen Sport, wenn Aspekte wie Koordinierungsfähigkeit, Strategieverständnis oder räumliches Orientierungsvermögen eine Rolle spielen. Darüber hinaus bildet eSports eine Schnittstelle zu dem für den Senat wichtigen Themenfeld Digitalisierung. Nach dem Verständnis des Senats gehören zum inneren Kern von Sport traditionelle Sportarten vor allem aus dem klassischen und erweiterten olympischen Programm. Sie bilden Aspekte im Sinne des gängigen Sportbegriffs wie Gesundheitsbildung, Förderung von Gemeinschaft, Integration oder Inklusion ab. Darüber hinaus existiert ein erweiterter Kern von Trendsportarten und Freizeitmöglichkeiten. Die Entscheidung über die Einordnung des eSports innerhalb des Sportbegriffs trifft vor dem Hintergrund der Autonomie des Sports nicht der Senat, sondern der Sport und seine Organisationen selbst. Vor diesem Hintergrund hat der Senat die Expertenanhörungen des Sportausschusses und die anschließenden Beratungen als sehr bereichernd für den laufenden Diskussionsprozess in seiner gesamten Bandbreite empfunden. Aufgrund der noch laufenden Entwicklungen und Diskussionen sind die Überlegungen auch des Senats zum künftigen Umgang mit dem Thema eSports noch nicht abgeschlossen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der HIW Hamburg Invest Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH (Hamburg Invest) wie folgt: 1. Plant der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde, eSports noch in der laufenden 21. Wahlperiode als Sportart anzuerkennen? Wenn ja, welche Maßnahmen sollen aus dieser Anerkennung abgeleitet werden? Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung. 2. Was sind für den Senat beziehungsweise die zuständigen Behörden individuelle Charakteristika von eSports und was unterscheidet eSports von Sportarten wie Schach, Darts, Schießsport oder Tischfußball? Als eSports wird der mithilfe von Computer- und Videospielen ausgetragene Wettkampfsport bezeichnet. Neben dem Wettkampfgedanken sind Teamgeist, strategisches Handeln, Reaktionsschnelligkeit, Hand-Augen-Koordination, taktisches Geschick, Spielübersicht, Antizipationsfähigkeit und räumliches Orientierungsvermögen wesentliche Charakteristika. Diese Eigenschaften sind wichtige Merkmale auch des Sports im ursprünglichen Sinne. Eine physische Anstrengung ist nicht zwingendes Merkmal von Sport. So sind auch die Disziplinen Schach, Darts und Schießsport als Sportarten anerkannt. In diesem Sinne weist eSports hier eine Parallele auf. Dennoch ist eine differenzierte Betrachtung des eSports erforderlich, da dieser teilweise – mit Blick auf einzelne Spiele etwa Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12627 3 aus dem Ego-Shooter-Bereich – aus ethisch-moralischer Sicht möglicherweise nicht den Werten des traditionellen Sports entspricht. Die entsprechenden Diskussionen dauern an. Die Überlegungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. 3. Verfolgen der Senat beziehungsweise die zuständigen Behörden eine gezielte Strategie beim Thema eSports? Wenn ja, welche Ziele und Maßnahmen enthält diese Strategie und welche Stelle hat sie entwickelt? Wenn nein, warum nicht und nach welchem alternativen Plan verfahren der Senat und die zuständigen Behörden beim Thema eSports? Das Projekt gamecity:Hamburg begleitet das Thema eSports im Rahmen der Betreuung der Hamburger Games-Branche. Es steht mit den Akteurinnen und Akteuren der eSports-Branche sowie den weiteren Beteiligten der Games-Branche am Standort Hamburg sowie deutschlandweit im Austausch, ist erste Anlaufstelle und erbringt gegebenenfalls Service- und Supportleistungen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Im aktuellen Koalitionsvertrag auf Bundesebene steht zum Thema eSports: „Wir erkennen die wachsende Bedeutung der E-Sport-Landschaft in Deutschland an. Da E-Sport wichtige Fähigkeiten schult, die nicht nur in der digitalen Welt von Bedeutung sind, Training und Sportstrukturen erfordert, werden wir E-Sport künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht anerkennen und bei der Schaffung einer olympischen Perspektive unterstützen.“ a) Erkennen der Senat beziehungsweise die zuständigen Behörden die wachsende Bedeutung der eSports-Landschaft in Deutschland ebenfalls an? Wenn nein, warum nicht? Ja. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. b) Teilen der Senat beziehungsweise die zuständigen Behörden die Auffassung, dass eSports wichtige Fähigkeiten schult, „die nicht nur in der digitalen Welt von Bedeutung sind“ sowie „Training und Sportstrukturen erfordert“? Wenn ja, inwiefern werden der Senat beziehungsweise die zuständigen Behörden der Bundesregierung dabei helfen, eSports „künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht (anzuerkennen) und bei der Schaffung einer olympischen Perspektive (zu) unterstützen“? Wenn nein, warum nicht und wie wird sich der Senat zukünftig bei Abstimmungen im Bundesrat zum Thema eSports verhalten? Siehe Vorbemerkung. 5. Welche Behörde ist innerhalb des Senats federführend beim Thema eSports und welche Stelle innerhalb dieser Behörde wiederum ist für dieses Thema primär zuständig? Der Senat ist sich der wachsenden Bedeutung des eSports bewusst. Daher wird das Thema behördenübergreifend erörtert. In diesem Sinne orientiert sich die Federführung an den jeweils spezifischen Fragestellungen. 6. Gibt es eine behördenübergreifende Arbeitsstruktur zum Thema eSports? Wenn ja, bitte ein Organigramm oder Ähnliches beifügen. Wenn nein, warum nicht? Drucksache 21/12627 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Notwendigkeit einer starren Arbeitsstruktur besteht aus Sicht des Senats nicht. Im Übrigen siehe Antwort zu 5. 7. Inwiefern waren und sind die zuständigen Behörden in die Planung der von ELC-Gaming angekündigten eSports-Arena eingebunden? Die Initiative gamecity:Hamburg hat umgehend die Hamburg Invest über die Suche des Unternehmens nach einer passenden Immobilie für die Arena informiert und den Kontakt hergestellt. Die Hamburg Invest hat dem Unternehmen in der Folgezeit mehrere mögliche Immobilien vorgeschlagen und ist in ständigem Kontakt. 8. Teilen der Senat beziehungsweise die zuständigen Behörden das von ELC-Gaming ausgegeben Ziel, Hamburg zum europäischen eSports- Zentrum entwickeln zu wollen? Der Senat kommentiert grundsätzlich keine in der Presse formulierten Unternehmensziele . Ungeachtet dessen begrüßt der Senat unternehmerische Initiativen, die potenziell zur Stärkung des Standorts Hamburg beitragen, und begleitet diese. 9. Plant der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde, eSports in den Sportfördervertrag und damit in die städtische Förderung des organisierten Sports aufzunehmen? Wenn nicht, warum nicht? Wenn ja, in welchem Ausmaß? 10. Beabsichtigt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde, den Sportfördervertrag aufgrund einer möglichen Förderung von eSports finanziell anzuheben? Wenn ja, in welcher Größenordnung? Wenn nein, warum nicht? Der Sportfördervertrag ist ein Vertrag zwischen dem Hamburger Sportbund e.V., dem Hamburger Fußball-Verband e.V. und der Behörde für Inneres und Sport zur Förderung der Sportentwicklung in den angeschlossenen Vereinen und Verbänden. Zum Zwecke der allgemeinen Sportförderung gewährt die Freie und Hansestadt Hamburg danach den Vertragspartnern eine jährliche Zuwendung. Die zu fördernden Bereiche sind in den Ziel- und Leistungsvereinbarungen des Sportfördervertrags festgehalten. Zu den derzeit laufenden Vertragsverhandlungen über den Sportfördervertrag für die Jahre 2019/2020 äußert sich der Senat nicht. 11. Wie viele Unternehmen aus dem Bereich „eSports“ sind aktuell in Hamburg registriert? In der offiziellen Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2008) werden eSports- Unternehmen nicht separat erfasst. 12. Inwiefern liegen dem Senat beziehungsweise den zuständigen Behörden Zahlen über den volkswirtschaftlichen Nutzen von eSports für a) Hamburg im Speziellen, b) Deutschland im Allgemeinen vor? Den zuständigen Behörden liegen die einschlägigen Studien (zum Beispiel ESPORTS-Report von Nielsen Sports, Digital Trend Outlook 2017 von PWC, die Abhandlung des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages vom 9. Juni 2017 (https://www.bundestag.de/blob/515426/c2a9373a582f7908c090a658fdff 1af8/wd-10-036-17-pdf-data.pdf) sowie eine Analyse der Firma Deloitte (https://www.game.de/wp-content/uploads/sites/2/2017/02/Deloitte.-Der-deutschee Sports-Markt-in-der-Analyse-2016.pdf) vom November 2016) vor. Auf Hamburg bezogen sind entsprechende Daten nicht bekannt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12627 5 13. Möchten der Senat beziehungsweise die zuständigen Behörden zukünftig vermehrt für eSports-Veranstaltungen/-Wettbewerbe wie die „ESL ONE Hamburg“ werben? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Der Senat ist daran interessiert, neue, innovative und attraktive Sportformate zu präsentieren und Hamburg als Austragungsort von Sportveranstaltungen im Breiten- und Leistungssport zu etablieren. Über gamecity:Hamburg bestehen auf nationaler Ebene Kontakte zu den relevanten eSports-Akteuren. Dabei wird Hamburg fortlaufend als Standort für mögliche Veranstaltungen aktiv positioniert.