BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12649 21. Wahlperiode 17.04.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Thering (CDU) vom 11.04.18 und Antwort des Senats Betr.: Gehört „Kartenlegen“ mittlerweile zur Aufgabenbeschreibung des Verkehrsstaatsrates ? Oder: Wie kam es zu der plötzlichen Verschiebung der Elbtunnelsanierung und welche Kosten entstehen dadurch für die Steuerzahler? Per Pressemitteilung (PM) vom 3. April 20181 kündigte die Behörde für Wirtschaft , Verkehr und Innovation (BWVI) für den Zeitraum 9. – 22. April 2018 Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten sowie eine damit zusammenhängende Sperrung der zweiten Elbtunnelröhre an. Per PM vom 9. April 20182 teilte die BWVI dann wiederum mit, dass diese Bauarbeiten verschoben werden müssten sowie dass ein neuer Termin gesucht und rechtzeitig bekanntgegeben werde. Als Gründe für diese Verschiebung führte die BWVI darin „Erkenntnisse der deutlichen verkehrlichen Auswirkungen durch die Sperrung einer Fahrspur des Elbtunnels in Richtung Süden letzte Woche“ und Ausweichverkehr infolge des Beginns von Sanierungsmaßnahmen auf der A 1 an. Der Staatsrat für Verkehr wird in der zweiten PM hierzu mit den Worten zitiert: „Wir haben uns Ende letzter Woche die Karten gelegt und die Entscheidung getroffen, die Maßnahme im Elbtunnel zu verschieben. Ich halte diese Entscheidung für richtig, da wir sonst eine erhebliche Staulage auf beiden Achsen provoziert hätten. Die verschobene Maßnahme im Elbtunnel wird aber noch dieses Jahr nachgeholt.“ Nicht nur, dass eine solch urplötzliche Verschiebung genug Fragen zu den Ursachen und möglichen Folgen hervorruft, das vom Verkehrsstaatsrat beziehungsweise der Pressestelle der BWVI verwendete Sprachbild des „Kartenlegens“ ist eingedenk einer Maßnahme, die Hunderttausende Menschen und den gesamten Waren- und Wirtschaftsverkehr in Norddeutschland erheblich beeinträchtigen wird, äußerst fragwürdig. Dies gilt umso mehr, als dass die BWVI in Reaktion auf einen CDU-Antrag (Drs. 21/6458) aus dem Herbst 2016, der im Kern auf die Einsetzung eines mit entsprechenden Kompetenzen und ausreichenden Planungskapazitäten auszustattenden Stau- und Baustellenkoordinators für Hamburg und die Metropolregion abzielte, zum Jahresbeginn 2017 die sogenannte Stabsstelle für Verkehrs und Baustellenkoordination aus dem Hut zauberte. Diese soll eigentlich in Kombination mit einer von der BWVI als „Wunderwaffe“ im Kampf gegen 1 http://www.hamburg.de/bwvi/medien/10825764/2018-04-03-bwvi-elbtunnel/, letzter Zugriff: 10.4.2018. 2 http://www.hamburg.de/bwvi/medien/10878800/2018-04-09-bwvi-asphaltsanierungsarbeiten/, letzter Zugriff: 10.4.2018. Drucksache 21/12649 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Stauereignisse politisch vermarktete Software („ROADS“3), inklusive „Zaubertisch “ (= Multi-Touch-Tisch), genau solche Fehlplanungen wie aktuell zu beobachten verhindern. Dass dies offenkundig im vorliegenden Fall nicht gelungen ist, liegt auch und vor allem in dem „Geburtsfehler“ der Stabsstelle selbst begründet. Diese darf nämlich keine eigenen Entscheidungen treffen, der Bund und Mecklenburg-Vorpommern als Teil der Metropolregion werden systematisch außen vor gelassen, Niedersachsen nur am Rande einbezogen , Stadtstraßen nicht in die Betrachtung einbezogen und es wurde hierfür überhaupt nur eine einzige zusätzliche Stelle eingerichtet. Dies allerdings nicht im Bereich „Planung“, sondern ausgerechnet im Bereich „Öffentlichkeitsarbeit “. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Neben einer sorgfältigen Abwägung im Rahmen der Baustellenkoordinierung sind die intensive Beobachtung der Auswirkungen und gegebenenfalls eine Nachjustierung Teil eines modernen Verkehrsmanagements im Großraum Hamburg. Die Entscheidung , die Maßnahme im Elbtunnel zu verschieben, wurde aufgrund des Eintritts einer kritischen Verkehrslage vorgenommen. Gleichzeitig bestand die Möglichkeit eines alternativen Termins zur Sanierung der Röhre 2 des Elbtunnels. Das Ergebnis war Teil der Abwägung zwischen volkswirtschaftlichen Auswirkungen und dem Aufwand für die Verlegung der Maßnahme. Die aktuellen Baumaßnahmen auf den Bundesfernstraßen und im Umfeld wurden durch die zuständige Koordinierungsstelle für Baumaßnahmen im Straßenbereich (KOST) geprüft. Im Rahmen der Koordinierung wird regelmäßig die Software des ROADS-Tisches eingesetzt. Grundlage der Entscheidung, die Sanierung des Elbtunnels in der Zeit vom 9. bis 22. April 2018 vorzunehmen, war eine in der ersten Bauphase (3. April bis 1. Mai 2018) auf der A 1 eingerichtete sechsstreifige Baustellenverkehrsführung und einer Zweistreifigkeit auf der Wilhelmsburger Reichstraße in Fahrtrichtung Nord. Aufgrund der ausreichenden Fahrstreifen wurde eine auskömmliche Kapazität prognostiziert, um auch den Elbtunnel in dieser Phase sperren zu können. Die in der Röhre 4 vorgenommenen Arbeiten im Elbtunnel, die zu einer Herausnahme eines Fahrstreifens am 3., 4. und 5. April führten, zeigten trotz der Osterferien in Schleswig- Holstein eine unerwartet schwierige Verkehrslage. Die gewonnenen Erkenntnisse führten zu einer Neubewertung der Baustellen- und Verkehrssituation für die darauf folgende 15. Kalenderwoche. Die im Jahr 2017 geschaffene Stelle hat neben der Aufgabe der Koordination der Maßnahmen im Bundesfernstraßennetz und der Abstimmung der Hamburger Maßnahmen mit jenen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein innerhalb des Großraums Hamburg auch eine Informations-, Beratungs- und Kommunikationsaufgabe. Baumaßnahmen außerhalb des Großraums Hamburg haben nur wenig direkte verkehrliche Auswirkungen innerhalb der Region. Hier wird lediglich eine Informationspflicht wahrgenommen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Ist es aus Sicht a) des Ersten Bürgermeisters, b) des Präses der BWVI der Sache dienlich und angemessen, dass der höchstrangige politische Beamte der BWVI bei einer Maßnahme, die Hunderttausende Menschen und unzählige Betriebe über Wochen massiv betrifft und betreffen wird, das saloppe Sprachbild des „Kartenlegens“ verwendet? 3 Siehe dazu unter anderem Drs. 21/7356: „Bei Roadwork Administration and Decision System (ROADS) handelt es sich um die dem Verkehrsausschuss vorgestellte Entscheidungsunterstützungssoftware .“ Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12649 3 Siehe Vorbemerkung. 2. Da die Stabsstelle für Verkehrs- und Baustellenkoordination keine eigenen Entscheidungen treffen kann: Welche Stelle hat wann genau die Letztentscheidung zur Verschiebung der ursprünglich für den Zeitraum 9. – 22. April 2018 geplanten Baumaßnahmen in der zweiten Elbtunnelröhre getroffen? Der Arbeitsstab zur übergeordneten Baustellenkoordinierung hat auf der Grundlage der aktuelle Lagebewertung der zuständigen Baudienststelle und der Behördenleitung die Verschiebung empfohlen. Der Empfehlung ist am 9. April 2018 gefolgt worden. 3. Kam die Entscheidungsunterstützungssoftware ROADS bei der Entscheidung für den ursprünglichen Zeitraum der Baumaßnahmen in der zweiten Elbtunnelröhre zur Anwendung? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, warum wurde der Konflikt zu den aktuellen Maßnahmen auf der A 1, anders als vom Senat beispielsweise in Drs. 21/7356 als Vorteil von ROADS verkauft, nicht rechtzeitig erkannt? Siehe Vorbemerkung. 4. Welche Mehrkosten sind durch die am 9. April 2018 verkündete Verschiebung der Arbeiten in der zweiten Elbtunnelröhre bisher entstanden? Um was für Kostenarten handelt es sich hierbei jeweils im Einzelnen (Vertragsstrafen oder ähnliche) und wer trägt diese Kosten zu welchen Anteilen? Die Kosten werden derzeit mit circa 40.000 Euro inklusive Mehrwertsteuer benannt. Die anfallenden Kosten trägt der Bund als Baulastträger. 5. Mit welchen weiteren Mehrkosten rechnet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde als Folge der am 9. April 2018 verkündeten Verschiebung der Sanierungsarbeiten in der zweiten Elbtunnelröhre? Um was für Kostenarten handelt es sich hierbei jeweils im Einzelnen (Vertragsstrafen oder ähnliche) und wer wird diese Kosten zu welchen Anteilen aller Voraussicht nach tragen? Weitere Mehrkosten werden nicht erwartet. 6. In der PM vom 9. April 2018 schreibt die BWVI von „Sanierungsmaßnahmen auf der A 1 dieses Wochenende“. a) Um welche Sanierungsmaßnahmen auf welchem Abschnitt der A 1 handelt es sich genau? Es handelt sich um eine Deckschichtsanierung, Sanierung der Entwässerung und der Schutzeinrichtungen im Abschnitt zwischen dem Anschlussdreieck HH-Süd und der Süderelbbrücke auf beiden Richtungsfahrbahnen. b) Wann wurde/n die Baustelle/n für diese Sanierungsmaßnahmen eingerichtet und zu wann ist mit der Beendung der Sanierungsmaßnahmen sowie der Baustelle/n zu rechnen? Die Baustelleneinrichtung startete am 3. April 2018. Die Baumaßnahme auf der Richtungsfahrbahn Nord soll am 31. Mai 2018 enden. Die Baumaßnahme auf der Richtungsfahrbahn Süd findet nach den Hamburger Sommerferien statt. c) Wer sind jeweils Auftraggeber und Auftragnehmer dieser Sanierungsmaßnahmen ? Der LSBG als zuständige Baudienststelle hat die ausführende Firma BUNTE mit der Sanierungsmaßnahme beauftragt. d) Wann genau wurden diese Sanierungsmaßnahmen erstmalig öffentlich angekündigt? Drucksache 21/12649 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Am 23. Februar 2018 im Rahmen eines Pressegesprächs und per Pressemitteilung am 29. März 2018. e) Wann genau hat welche Stelle entschieden, dass diese Sanierungsmaßnahmen im aktuellen Zeitraum stattfinden werden? Die Entscheidung wurde von der zuständigen Baudienststelle am 7. November 2017 getroffen. f) Wann genau wurden diese Sanierungsmaßnahmen in die Software ROADS eingepflegt? Die Tunnelsperrungen wurden am 16. Oktober 2017 in ROADS vorsorglich eingetragen . 7. In der Pressemitteilung vom 3. April 2018 kündigte die BWVI zudem an: „Für September 2018 sind aus demselben Grund auch Sanierungsarbeiten in der dritten Röhre vorgesehen.“ a) Inwiefern werden sich diese für September 2018 vorgesehen Sanierungsarbeiten in der dritten Elbtunnelröhre infolge der aktuellen Verschiebung der Arbeiten in der zweiten Elbtunnelröhre ebenfalls verschieben ? Aufgrund der erforderlichen Verlegung der Maßnahmen wird die Terminierung nachgeführt . b) Kann der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde ausschließen , dass die für September 2018 vorgesehenen Sanierungsarbeiten in der dritten Elbtunnelröhre nicht auch kurzfristig verschoben werden müssen? Bei besonderen Ereignissen, unpassenden Witterungsverhältnissen, Notfällen und besonderen Verkehrslagen muss ein modernes Verkehrsmanagement flexibel reagieren können. Infolgedessen kann es zur begründeten Verschiebung von Maßnahmen kommen. c) In der PM vom 9. April 2018 wird der Staatsrat für Verkehr unter anderem mit den Worten zitiert: „Die verschobene Maßnahme im Elbtunnel wird aber noch dieses Jahr nachgeholt.“ Soll die jetzt verschobene Maßnahme in der zweiten Elbtunnelröhre vor, nach oder während der für September geplanten Maßnahme in der dritten Elbtunnelröhre durchgeführt werden? Die Termine werden rechtzeitig kommuniziert. d) Welche Baumaßnahmen auf Bundesfernstraßen in Hamburg und der Metropolregion sind aktuell für den September 2018 geplant? Im Großraum Hamburg sind für September nachfolgende Maßnahmen geplant: A 1 Kreuz-Süd bis Süderelbbrücke: Deckschichtsanierung, A 1 Oststeinbeker Weg: Sanierung Anprallschutz, A 1 AS-Billstedt bis Moorfleet – Deckensanierung, A 7 Ausbau der A 7 Bordesholm bis Langenfelder Brücke, A 252 Sanierung Trogbauwerk, A 253 Grundinstandsetzung Fahrbahn und Brückenbauwerke, A 39 Maßnahme Niedersachsen: Grundinstandsetzung Lüneburg bis Maschener Kreuz A 39/A 1 Maßnahme Niedersachsen: Sanierungsarbeiten Maschener Kreuz und A 21 Maßnahme Schleswig-Holstein: Asphaltkonservierung zwischen Rellingen und der Landesgrenze SH/HH. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12649 5 8. Sollte das vom Verkehrsstaatsrat in der PM vom 9. April 2018 verwendete Sprachbild des „Kartenlegens“ widererwartend wirklich wörtlich und nicht nur metaphorisch gemeint gewesen sein: a) Wer hat wem wann die vom Verkehrsstaatsrat in der PM vom 9. April 2018 erwähnten „Karten gelegt“? b) Inwiefern gehört „Kartenlegen“ zur Aufgabenbeschreibung des Verkehrsstaatsrates ? c) Um was für „Karten“ handelt es sich und wem gehören diese? d) Was haben die „Karten“ denen, denen sie gelegt wurden, genau gesagt? e) Zu welchen sonstigen Vorgängen aus seinem Aufgabenbereich legt sich der Staatsrat für Verkehr die „Karten“? Der Senat hat sich hierzu die Karten noch nicht gelegt.