BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12651 21. Wahlperiode 17.04.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Norbert Hackbusch (DIE LINKE) vom 11.04.18 und Antwort des Senats Betr.: Neue Verkaufs- und Abonnementsbedingungen – Schwindet das soziale Profil der Hamburgischen Staatsoper? Neue Vorverkaufsregelungen der Staatsoper führen zu größtem Unmut beim langjährigen Stammpublikum des Hauses. Im Rahmen ihrer diesjährigen Jahrespressekonferenz, am 27. März 2018, gab die Staatsoper neben dem Spielplan 2018/2019 auch überraschend „Neuerungen in den Verkaufs- und Abonnementsbedingungen“ bekannt. Demnach soll bereits zum Vorverkaufsstart am 11. Juni 2018 das gesamte Platzangebot der Saison „im Jahresverkauf bzw. teilweise im Abonnement verfügbar“ gemacht werden. (Siehe auch Pressemitteilung der Staatsoper, 6. April 2018) Bisher wurde während der gesamten Spielzeit jeweils bis vier Wochen vor einer Vorstellung ein konkretes Kontingent günstiger Karten in den oberen Rängen vorgehalten. Es war unter der Intendanz von Rolf Liebermann (bis 1973), als diese Regelung eingeführt wurde, um die Staatsoper als Oper für alle zu öffnen. Schon vor etwa 15 Jahren ist das dafür vorgesehene Kontingent in den oberen Rängen halbiert worden. Und nun soll diese sozialverträgliche Regelung ganz wegfallen. Das trifft im Übrigen auch Abonnenten auf allen Plätzen des Hauses. Denn bislang konnten Abonnenten 29 Tage (alle anderen 28 Tage) vor einer bestimmten Aufführung zusätzliche Karten im reservierten Segment erwerben. Dieser Vorteil entfällt nun ebenfalls. Angekündigt wurde außerdem , die letzten zwölf Steh- und Hörplätze der Staatsoper im vierten Rang nur noch dann und nur an der Abendkasse zu verkaufen, wenn der Rest des Hauses komplett ausverkauft sei. Auch das ist für manchen Stammgast ein tiefer Einschnitt. Nachdem in den vergangenen Jahren bereits die Eintrittspreise für Wochenendvorstellungen erhöht und die Grenzen von Platzkategorien zum Beispiel in den Logen, aber auch im Parkett verändert wurden, sind die neuen Vorverkaufsregelungen ein weiterer Schritt, die Zugänglichkeit zur Hamburgischen Staatsoper und damit kulturelle Teilhabegerechtigkeit einzuschränken. Durch diese Neuregelungen sind Opernbesucher/-innen nunmehr gezwungen , sich bis zum 11. Juni 2018 zu entscheiden, welche Vorstellungen sie in der kommenden Saison besuchen wollen, um diese dann auf einen Schlag zu bezahlen. Auf diese Weise würden Besucher/-innen ad hoc hohe Summen aufbringen müssen, was für viele Menschen nicht ohne weiteres möglich ist. Dies ist mehr als problematisch, besonders wenn man davon ausgeht , dass die Staatsoper als hoch subventionierte öffentliche Kultureinrich- Drucksache 21/12651 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 tung allen Hamburgern/-innen offenstehen sollte. Nicht umsonst schmückt sie sich auf ihrer Webseite mit dem Motto „Oper für die Stadt“. Ein weiteres Problem: Das Publikum kann seine Opernbesuche nicht mehr planen. Sich schon Monate im Voraus festlegen zu müssen, ist nicht nur aus Gründen privater Alltags- und Lebensplanung außerordentlich kompliziert. Auch spontane Opern- oder Ballettbesuche werden auf diese Weise so gut wie unmöglich. Hinzu kommt, dass es vielen Operngängern/-innen, die als fachkundiges Stammpublikum und in Freundeskreisen regelmäßig gemeinsam Vorstellungen besuchen, nunmehr so gut wie unmöglich gemacht wird, zusammenhängende Platzkarten zu erwerben. Auch das wirkt negativ auf die soziale Komponente eines solchen Hauses ein. In der Öffentlichkeit (Presse, soziale Medien) haben die neuen Vorverkaufsregelungen der Staatsoper bereits für Unmut gesorgt. Dabei beklagen die Operngäste auch die mangelnde Transparenz vonseiten der Staatsoper. Die Neureglung sei zwar im Rahmen der Pressekonferenz bestätigt worden, aber auf der Internetseite der Staatsoper sei nur unzureichend darüber informiert worden. Als langjähriges, dem Haus teilweise auch persönlich bekanntes Stammpublikum hätten sich viele gewünscht, zu einem früheren Zeitpunkt informiert und auch involviert zu werden. Selbst Mitarbeiter der Staatsoper stehen der neuen Regelung kritisch gegenüber, wie Gespräche zeigten. Vor dem Hintergrund dieser Reaktionen hatte die Staatsoper am Mittwoch den 4. April 2018 in ihr Haus eingeladen. Eine große Gruppe von Opernbesuchern /-innen, die als Stammpublikum teilweise schon seit Jahrzehnten regelmäßig die Oper besuchen, diskutierte mit dem Geschäftsführenden Direktor Dr. Ralf Klöter. Im Verlauf dieses Gespräches appellierten die Publikumsvertreter /-innen an die Staatsoper, die neuen Regelungen zu überdenken und sie formulierten konkrete Vorschläge, wie angemessene und sozialverträgliche Vorverkaufsmodelle aussehen könnten. Ob die durch die Neuregelungen erzielten Effekte für eine Etatkompensation ins Gewicht fallen, ist überdies fraglich. Schon einfache Abschätzungen über das Potenzial von 200 bis 250 Plätzen mit einem Durchschnittspreis, der deutlich unter dem des gesamten Hauses liegt, zeigen, dass die Neuregelung in ihrer Wirkung betriebswirtschaftlich gegen null tendieren dürfte und damit auch keinen positiven Effekt auf die Kostendeckung der Staatsoper hätte. Vielmehr gab die Geschäftsführung der Staatsoper als zentrale Begründung für die Neuregelungen an, man wolle auf diesem Wege einen „organischen Verkaufsfluss“ erreichen. Die bisherige Vorverkaufsregel wurde als „Verkaufsbremse“ und „liebgewordene Tradition“ abgetan. Hinweise auf ihren sozialen Wert wurden mit „die Zeiten haben sich nun mal geändert“ gekontert. Unterm Strich leidet durch die neuen Verkaufsregelungen das soziale Profil der Oper, da der kostengünstige Zugang zu dieser öffentlichen Kulturinstitution eingeschränkt wird und die kulturelle Teilhabe in der Stadt weiter erschwert wird. Ich frage den Senat: (Bitte die Fragen einzeln beantworten und nicht en bloc.) Die Hamburgische Staatsoper GmbH verfügt über ein gut austariertes und sozial ausgewogenes Preissystem, das dem vorgegebenen Ziel gerecht wird, Opern- und Ballettvorstellungen einem breiten Publikum zugänglich zu machen und zusätzlich zu berücksichtigen, dass Ermäßigungen aus sozialen Gründen verfügbar sind. Gleichzeitig wird dieses Preissystem dem Ziel gerecht, einen möglichst hohen Anteil von Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12651 3 Eigeneinnahmen zu erzielen und so einen hohen Kostendeckungsgrad zu erreichen. Vor diesem Hintergrund werden die Plätze im Grundsatz möglichst umfassend bereits im Vorverkauf verfügbar gemacht. Gesperrte Kartenkontingente können beim kaufinteressierten Publikum – insbesondere auch im Rahmen des stetig an Bedeutung zunehmenden Online-Verkaufs – den unzutreffenden Eindruck erwecken, eine Vorstellung sei bereits ausverkauft. Dies kann als Effekt zu unbesetzten Plätzen führen. Soziale Härten lassen sich durch die beabsichtigte Einführung eines Ratenzahlungsmodells für Stammkundschaft verhindern, das unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit vorsieht, die im Jahresvorverkauf erworbenen Karten analog zur Regelung für Abonnenten in drei Jahresraten zu bezahlen. Von der zunächst beabsichtigten Neuregelung, dass insgesamt acht besonders preisgünstige Stehplatzkarten erst dann verkauft werden, wenn es keine Sitzplätze mehr gibt, wird die Staatsoper vorerst absehen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Hamburgische Staatsoper GmbH wie folgt: 1. Welche Auslastung hatte die Staatsoper in den Jahren seit Beginn der Intendanz von Simone Young (der Vorgängerin der heutigen Intendanz, also ab 2005)? 2. Wie haben sich die Publikumszahlen der Staatsoper in diesem Zeitraum entwickelt und wie hoch ist dabei jeweils der Publikumsanteil mit einem Abonnement? 3. Wie haben sich die Eintrittspreise der Staatsoper in der besagten Periode entwickelt (Durchschnitt und Preisspanne)? Siehe Anlage. 4. Wie verlief die Nachfrage nach dem bisher bis vier Wochen vor einer Vorstellung zurückgehaltenen Kartenkontingent? a) Wie viele der Kontingentkarten wurden im Schnitt verkauft? b) Wie unterschied sich der Verkauf in diesem reservierten Kontingent für eine bestimmte Aufführung von dem in anderen, sofort verfügbaren Platzkategorien? Inwiefern ab es dabei nennenswerte Unterschiede , die von der jeweiligen Auslastung bei einer bestimmten Aufführung abhingen? Der Absatz der für den 28-Tage-Verkauf zurückgehaltenen Plätze auf der rechten Seite des 2., 3. und 4. Ranges hat sich im Vergleich deutlich schlechter entwickelt, als der Verkauf der entsprechenden Plätze auf der linken Seite des Hauses, die ab dem Jahresvorverkauf durchgängig verfügbar sind. Während die Auslastungszahlen in der Spielzeit 2009/2010 mit 93 Prozent (linke Seite) und 92 Prozent (rechte Seite) noch fast identisch waren, ist der Wert für die rechte Seite bis zur Spielzeit 2016/2017 auf 76 Prozent zurückgegangen, während er für die linke Seite immer noch bei 86 Prozent liegt (die verfügbaren Vergleichszahlen reichen bis zur Spielzeit 2009/2010 zurück, zu der das gegenwärtig eingesetzte Ticketsystem eingeführt worden ist). 5. Wie bewertet der Senat „die Neuerungen in den Verkaufs- und Abonnementsbedingungen “ der Hamburger Staatsoper unter der selbstgewählten Überschrift einer „Oper für die Stadt“? 6. Wie lautet nach Kenntnis des Senats die Begründung für „die Neuerungen in den Verkaufs- und Abonnementsbedingungen“ durch die Staatsoper ? Siehe Vorbemerkung. 7. Wann wurden diese Neuerungen beschlossen und durch wen geprüft? 8. Welche konkreten Effekte sollen durch „die Neuerungen in den Verkaufsund Abonnementsbedingungen“ erreicht werden? Drucksache 21/12651 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Neuerungen betreffen den laufenden Geschäftsbetrieb und wurden dementsprechend von der Geschäftsführung der Hamburgische Staatsoper GmbH im Winter 2017/2018 beschlossen und dem Aufsichtsrat zur Kenntnis gebracht. Ziel ist eine höhere Auslastung, siehe dazu auch die Antwort zu 5. und 6. 9. Auf welchem Wege soll durch die neuen Vorverkaufsregelungen das Verkaufspersonal entlastet werden? Dies ist vor allem deshalb bedeutsam , weil die vermeintliche Entlastung durch Abschaffung der Vier- Wochen-Regelung dadurch konterkariert wird, dass künftig jede/r Abonnent /in alle mit dem Abonnement erworbenen Aufführungen beliebig tauschen kann. Auf das Verkaufspersonal dürfte dadurch eine erhebliche Mehrbelastung zukommen. Ziel der neuen Vorverkaufsregelungen ist die Erhöhung der Auslastung. Im Übrigen ist die erweiterte Tauschregelung für Abonnements dem Bestreben geschuldet, einen zeitgemäßen, flexiblen und kundenfreundlichen Kartenservice zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang ist zudem beabsichtigt, die Tauschmöglichkeit für Abonnentinnen und Abonnenten auch online verfügbar zu machen, was zu einer Entlastung des Personals in der Abteilung Kartenvertrieb führen wird. 10. Sind dem Senat die alternativen Verkaufsmodelle beziehungsweise Vorschläge aus den Publikumsreihen bekannt? Wenn ja, wie bewertet er diese? 11. In welchem Zeitraum wird die Staatsoper die konkreten Vorschläge aus den Publikumsreihen prüfen, wie sie es in einer Presseerklärung angekündigt hat? Wird die Staatsoper diese Prüfung und gegebenenfalls Änderungen ihrer Verkaufspolitik autonom durchführen? Wie werden daraus resultierende Beschlüsse veröffentlicht? Nach Angaben der Hamburgischen Staatsoper soll die Überprüfung der Vorschläge rechtzeitig vor Beginn des Jahresvorverkaufs abgeschlossen sein und in geeigneter Form veröffentlicht werden (Pressemitteilung und Internetseite). Die Geschäftsführung der Staatsoper entscheidet über die Umsetzung autonom, weil es sich um eine Maßnahme des laufenden Geschäftsbetriebes handelt. Im Übrigen hat sich der Senat hiermit nicht befasst. 20 05 /0 6 20 06 /0 7 20 07 /0 8 20 08 /0 9 20 09 /1 0 20 10 /1 1 20 11 /1 2 20 12 /1 3 20 13 /1 4 20 14 /1 5 20 15 /1 6 20 16 /1 7 20 17 /1 8 A us la st un g 84 ,1 9% 85 ,0 5% 81 ,3 2% 84 ,9 6% 85 ,6 4% 87 ,2 2% 84 ,0 0% 85 ,1 3% 84 ,6 9% 83 ,9 0% 78 ,8 5% 76 ,7 5% 83 ,1 5% be se tz te P lä tz e 36 1. 34 9 36 7. 79 1 35 5. 22 8 36 8. 51 7 36 2. 86 6 36 1. 10 4 34 1. 91 4 34 7. 74 7 34 6. 27 6 33 8. 70 2 31 8. 63 4 30 9. 63 3 A bo -A nt ei l 23 ,0 6% 22 ,7 6% 21 ,8 9% 20 ,5 4% 20 ,3 7% 19 ,9 1% 20 ,0 0% 18 ,4 8% 18 ,7 4% 18 ,0 0% 18 ,1 8% 17 ,5 7% E in na hm en je Be su ch er 33 ,0 8 € 33 ,3 3 € 32 ,9 2 € 34 ,2 5 € 35 ,2 9 € 38 ,2 9 € 37 ,7 4 € 37 ,9 9 € 41 ,1 1 € 41 ,5 2 € 41 ,3 7 € 43 ,7 7 € D ur ch sc hn itt E in tri tts pr ei s 5, - b is 14 6, - 5, - b is 14 6, - 5, - b is 14 6, - 5, - b is 14 6, - 5, - b is 15 8, - 5, - b is 15 8, - 5, - b is 15 8, - 5, - b is 15 8, - 6, - b is 17 6, - 6, - b is 17 6, - 6, - b is 17 6, - 7, - bi s 21 9, - 7, - bi s 21 9, - P re is sp an ne S äm tli ch e Za hl en b ez ie he n si ch a uf d as G ro ße H au s, w ei l a lle in d af ür A bo -R ei he n an ge bo te n w er de n. F ür 2 01 7/ 20 18 w ird d er S ta nd E nd e M är z 20 18 b en an nt ; w ei l s ic h A bo -A nt ei l u nd E in na hm en je B es uc he r i m L au fe e in er S pi el ze it ve rs ch ie be n, s in d di es e Za hl en m an ge ls V er gl ei ch ba rk ei t n ic ht e rfa ss t. G en an nt w ird d ie D ur ch sc hn itt se in na hm e pr o B es uc he r. A uf gr un d de s un te rs ch ie dl ic he n P la tz an ge bo ts in d en v er sc hi ed en en P la tz gr up pe n is t e in D ur ch sc hn itt sp re is a us d en u nt er sc hi ed lic he n P re is en , d ie d ie P re is sp an ne a bd ec kt , vo n nu r g er in ge m A us sa ge w er t. D as z ur S pi el ze it 20 16 /2 01 7 ei ng ef üh rte P re is sy st em s ie ht e in e st är ke r d iff er en zi er te P re is ge st al tu ng v or . S o w ur de d ie te ue rs te P re is ka te go rie „0 “ m it S pi tz en pr ei se n vo n 21 9 € nu r f ür d ie N ijin sk y- G al a ve rw en de t, P re m ie re n ko st et en in d er S pi tz e in d en P re is ka te go rie n „L “ u nd „M “ z w is ch en 1 79 € u nd 1 95 € , V or st el lu ng en a n no rm al en W oc he nt ag en in d en P re is ka te go rie n „C “ o de r „ D “ d ag eg en n ur 8 7 € bz w . 9 7 €. D ie b en an nt en E in tri tts pr ei se b ez ie he n si ch a uf d en je w ei ls g ün st ig st en S itz pl at z; d an eb en w er de n ac ht S te hp lä tz e zu 3 € b is 8 € a ng eb ot en (j e na ch V or st el lu ng sk at eg or ie ). Drucksache 21/12651 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage 12651ska_text 12651ska_Antwort_Anlage1