BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12667 21. Wahlperiode 20.04.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Deniz Celik (DIE LINKE) vom 12.04.18 und Antwort des Senats Betr.: Arbeitsbedingungen für Busfahrer/-innen bei den städtischen Busbetrieben In Hamburg betreiben drei Unternehmen Linienbusverkehre, die weit überwiegend oder vollständig im Besitz der Hansestadt sind: Hamburger Hochbahn AG, Friedrich Jasper GmbH und Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein GmbH. Nach Berichten des „Hamburger Abendblatts“ fällt es den Busunternehmen zunehmend schwer, geeignete Mitarbeiter/-innen zu finden. Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer nennt Busfahrer/-innen inzwischen sogar einen Mangelberuf. Neben dem Gehalt spielen bei der Arbeitsplatzwahl zunehmend auch weiche Faktoren, wie Anerkennung durch Vorgesetze, Arbeitsklima und Work-Life- Balance eine Rolle. Viele Mitarbeiter/-innen, insbesondere der HOCHBAHN, beklagen sich über die schleichende Verschlechterung der weichen Arbeitsbedingungen . Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die genannten Busbetriebe unternehmen große Anstrengungen, attraktive Arbeitgeber zu sein und umfangreiche Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit zu bieten. Auch anerkennende Führung wird dort intensiv gelebt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN), der Friedr. Jasper Rund- und Gesellschaftsfahrten GmbH (Jasper) und der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein GmbH (VHH) wie folgt: 1. Wie viele Busfahrer/-innen sind bei den oben genannten drei Unternehmen beschäftigt? Bitte je Unternehmen mit Mitarbeiter-/-innenzahl und als Vollzeitäquivalent angeben. Anzahl der Busfahrerinnen und Busfahrer Vollzeitäquivalent (VZÄ) HOCHBAHN 2.164 2.115,7 Jasper 325 322,6 VHH 1.199 1.148,5 2. Wie hat sich die Beschäftigtenzahl in Vollzeitstellen der drei Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? HOCHBAHN Jasper VHH 2008 1.739,9 220,4 992 2009 1.735,8 244,6 1.014,1 2010 1.736,8 258,1 1.031,5 Drucksache 21/12667 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 HOCHBAHN Jasper VHH 2011 1.757,9 265,9 1.064,4 2012 1.796,0 268,4 1.141,1 2013 1.892,4 306,8 1.134,2 2014 1.897,6 332,9 1.177,1 2015 1.953,3 335,8 1.121,5 2016 2.012,0 343,6 1.154,5 2017 2.080,2 341,9 1.143,6 Alle Angaben in VZÄ. 3. Wie haben sich die gefahrenen Buskilometer der drei Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? HOCHBAHN inklusive Jasper und SBG* (Nutzwagenkilometer in Tsd.) VHH (Bruttowagenkilometer in Tsd.) 2008 46.212 34.766 2009 45.783 37.368 2010 47.021 37.730 2011 47.440 37.059 2012 47.664 37.473 2013 48.572 37.532 2014 48.744 37.374 2015 49.315 36.348 2016 50.298 37.226 2017 37.698 * In den Nutzwagenkilometern der HOCHBAHN sind ebenfalls die ihrer Tochterunternehmen Jasper und Sbg Süderelbe Bus GmbH (SBG) enthalten. Eine Aufschlüsselung dieser Art ist unter anderem deshalb nicht möglich, da Jasper auch Leistungen auf den für die HOCH- BAHN konzessionierten Linien erbringt. Eine vollständige Trennung würde eine manuelle Auswertung erfordern, dies ist in der für die Bearbeitung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Für das Jahr 2017 liegen noch keine verifizierten Daten vor. 4. Wie hoch ist der Frauenanteil in dieser Berufsgruppe? Bitte je Unternehmen mit Mitarbeiter-/-innenzahl und als Vollzeitäquivalent (VZÄ) angeben. Betrachtung nach Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: HOCHBAHN Jasper VHH Anzahl der Busfahrerinnen und Busfahrer gesamt 2.164 325 1.199 Davon weiblich 207 10 185 Relativer Anteil 9,6% 3,1% 15,4% Betrachtung nach VZÄ: HOCHBAHN Jasper VHH Anzahl VZÄ gesamt 2.115,74 322,6 1.148,5 Davon weiblich 192,82 9,4 168,8 Relativer Anteil 9,1% 2,9% 14,7% 5. Bestehen bei den Busunternehmen Betriebskindergärten (oder Kooperationen ), die sämtliche möglichen Schichtzeiten abdecken? Falls ja, bitte Standorte und Öffnungszeiten angeben. Falls nein, warum nicht? HOCHBAHN: Bei der HOCHBAHN besteht kein Betriebskindergarten, jedoch eine Kooperation. Im Falle einer Erkrankung des Kindes stehen aufgrund einer Kooperationsvereinbarung Betreuerinnen und Betreuer des Notmütterdienstes e.V. bereit: Die jeweils für die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12667 3 Situation passende Betreuerin oder der Betreuer wird von dem Verein ermittelt und kommt zur Mitarbeiterin beziehungsweise zum Mitarbeiter ins Haus, um stunden- oder tageweise die Betreuung der Kinder zu übernehmen. Der Umfang beträgt bis zu 40 Stunden im Jahr. Abgedeckt werden die Tageszeiten von 8 Uhr bis 18 Uhr, im Einzelfall sind individuelle Abreden mit der Betreuungsperson möglich. Jasper: Für Jasper ist eine Kooperation nach dem Vorbild der HOCHBAHN nicht praktikabel. Zum einen ist der Personalkörper mit weniger als 400 Beschäftigten vergleichsweise klein, sodass von einer geringeren Nutzung auszugehen ist. Zum anderen ist das Angebot des Notmütterdienstes e.V. für ein reines Busunternehmen mit den betriebsnotwendig erforderlichen Schichtdiensten nicht flexibel genug. VHH: Die VHH verfügt insgesamt über zwölf Betriebshöfe. Aufgrund dieser hohen Anzahl ist die Einrichtung von Betriebskindergärten organisatorisch nicht möglich. 6. Wie wird mit Fahrgastbeschwerden über das individuelle Verhalten der Busfahrer/-innen umgegangen? HOCHBAHN und Jasper: Jeder einzelnen Fahrgastbeschwerde wird nachgegangen und der Inhalt überprüft. Gegebenenfalls werden hierzu auch die betroffenen Fahrerinnen und Fahrer angesprochen und um Stellungnahme gebeten. Die einreichenden Fahrgäste erhalten nach erfolgter Prüfung eine entsprechende Rückmeldung. Bei erkanntem Verbesserungspotential wird dieses für die Zukunft umgesetzt. VHH: Der Umgang mit Fahrgastbeschwerden über das individuelle Verhalten der Busfahrerinnen und Busfahrer ist im Wesentlichen tarifvertraglich geregelt. Von der Betriebsleitung gibt es eine Rückmeldung für die Busfahrerin beziehungsweise den Busfahrer. Diese erfolgt in Form eines Gesprächs, im Einzelfall auch in schriftlicher Form. 7. Werden aufgrund vermeintlichen Fehlverhaltens von Busfahrer/-innen Abmahnungen ausgesprochen, auch wenn sich der objektive Ablauf nicht mit Sicherheit feststellen lässt? Nein. 8. Die Busfahrer/-innen verbringen ihre Pausenzeiten oftmals in den Bussen . Während dieser Pausen müssen sie an vielgenutzten Knotenpunkte häufig den Bus bewegen (vorrücken) und dazu die Pause unterbrechen. a) Welche ununterbrochene Mindestpausendauer ist gesetzlich oder durch Tarifvertrag bzw. Betriebsvereinbarung festgelegt? Eine Pause muss mindesten zehn Minuten betragen. b) Wird die Unterbrechung der Pause automatisch dokumentiert (zum Beispiel durch Fahrtenschreiber oder Ähnliches)? Falls ja: Wie erfolgt die Dokumentation? Ja, die Dokumentation erfolgt mittels Fahrtenschreiber. c) Werden die Dokumentationen nach b) regelmäßig ausgewertet? Falls ja: Welche Schlussfolgerungen werden aus dem Nichteinhalten einer Pause gezogen? Falls nein: Weshalb erfolgt keine Auswertung? HOCHBAHN und Jasper: Die Tachoaufzeichnungen werden nicht regelmäßig ausgewertet, da diese Aufzeichnungen gemäß geschlossener Betriebsvereinbarung nicht zur Verhaltens- und Leistungskontrolle verwendet werden dürfen. Drucksache 21/12667 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Betroffene Fahrerinnen und Fahrer haben sich rechtzeitig in der Leitstelle zu melden, wenn sie Gefahr laufen, gesetzlich vorgeschriebene Pausenzeiten nicht einhalten zu können. VHH: Ja, bei Nichteinhalten der Pausenzeiten erfolgt ein kurzfristiges Eingreifen der Leitstelle . Sollte die Busfahrerin beziehungsweise der Busfahrer sich auch zukünftig nicht an die Pausenzeiten halten, werden gegebenenfalls die Schichten geändert. 9. Liegen beim Amt für Arbeitsschutz Beschwerden wegen Nichteinhaltung von Arbeitsschutzvorschriften aller Art durch die drei genannten Busunternehmen vor? Falls ja: Wie viele und auf welche Verstöße beziehen sich die Beschwerden? Im Amt für Arbeitsschutz liegen zu den genannten Unternehmen folgende Erkenntnisse zu Beschwerden über die Nichteinhaltung von Arbeitsschutzvorschriften vor: Für die VHH liegen keine Beschwerden vor Bei der HOCHBAHN gab es im Jahr 2015 eine Beschwerde über die Nichteinhaltung von Mindestpausenzeiten. Bei der daraufhin erfolgten Überprüfung waren keine Verstöße feststellbar Bei Jasper gab es Im Jahr 2017 jeweils eine Beschwerde wegen mangelhafter Meldepflichten bei Arbeitsunfällen und wegen fehlender Einbindung von Sicherheitsbeauftragten und Betriebsrat-Mitgliedern in die Arbeitsschutzorganisation. Den Beschwerden konnte nach einer Beratung durch das Amt für Arbeitsschutz abgeholfen werden. 10. Ist es bei den drei genannten Busunternehmen üblich, dass Vorgesetzte oder Leitstellen als krank gemeldete Mitarbeiter/-innen anrufen und nach dem Krankheitsgrund befragen? Nein. Wie hoch war der durchschnittliche Krankenstand bei den drei genannten Busunternehmen in den letzten zwölf Quartalen? Bitte je Unternehmen angeben. HOCHBAHN: Jahr 1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal 2015 11,8% 9,1% 9,1% 10,2% 2016 10,2% 9,5% 9,5% 9,8% 2017 9,9% 8,7% 10,1% 10,2% Jasper: Jahr 1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal 2015 8,6% 7,0% 7,5% 6,9% 2016 8,9% 7,1% 8,8% 9,5% 2017 10,4% 10,6% 13,6% 12,0% VHH: Jahr 1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal 2015 11,4% 9,5% 9,9% 10,6% 2016 10,6% 10,2% 10,4% 10,7% 2017 11,1% 10,5% 9,6% 11,4% 11. Bestehen mit Leitungskräften Bonusvereinbarungen, die mittel- oder unmittelbar den Krankenstand der jeweiligen Untergebenen zu einem Kriterium für die Höhe des Bonus machen? HOCHBAHN und Jasper: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12667 5 ja. VHH: nein. 12. Erhalten Busfahrer/-innen der drei genannten Busunternehmen Prämien, wenn sie sich einen längeren Zeitraum nicht krank melden? Falls ja: in welcher Höhe und unter welchen Voraussetzungen? HOCHBAHN und Jasper: Ja, es handelt sich um eine halbjährliche Prämie. Bei der HOCHBAHN beträgt die maximale Halbjahresprämie 3 Prozent des jeweiligen tariflichen Tabellenentgeltes multipliziert mit 6,5. Eine Kürzung erfolgt für die individuell wegen Krankheit ausgefallenen Arbeitstage. Ohne Berücksichtigung bleiben Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von Unfällen während der Arbeitszeit. Eine analoge Regelung gilt für Jasper gemäß § 16 a MTV; die Höhe beträgt hier 500 Euro. VHH: nein. 13. Wie viele sachgrundlos befristete Arbeitsverträge wurden bei den drei genannten Busunternehmen bei den drei genannten Busunternehmen in den vergangenen zwölf Quartalen jeweils abgeschlossen? Bitte je Unternehmen angeben. HOCHBAHN: Jahr 1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal 2015 53 53 77 53 2016 39 22 33 46 2017 48 56 55 0 Jasper: Jahr 1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal 2015 16 23 17 9 2016 13 15 12 8 2017 14 0 0 0 VHH: Jahr 1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal 2015 0 2 0 0 2016 3 0 0 0 2017 7 3 0 0 Sachgrundlose Befristungen sind bei der VHH gemäß Tarifvertrag ausgeschlossen, mit Ausnahme der Weiterbeschäftigung von Auszubildenden, die nach Abschluss der Ausbildung einen zeitlich befristeten Arbeitsvertrag erhalten. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses beträgt ein Jahr. 14. Wie ist das Verhältnis von Bewerbern/-innen und offenen Stellen als Busfahrer/in im laufenden und vergangenen Quartal? HOCHBAHN: Im laufenden Quartal erhielt die HOCHBAHN 42 Bewerbungen (Stand 12. April 2018). Im laufenden Quartal liegt der Bedarf bei 60 Stellen. Im vergangenen Quartal (Januar bis März 2018) bewarben sich 523 Bewerberinnen und Bewerber auf ebenfalls 60 offenen Stellen. Jasper: keine offenen Stellen oder Ausschreibungen. VHH: Drucksache 21/12667 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Übergreifend auf alle Betriebshöfe der VHH erhielt die VHH im vergangen Quartal (Januar bis März 2018) circa 15 bis 20 Bewerbungen mit Führerschein Klasse D. Im laufenden Quartal liegt die Zahl der Bewerbungen bei circa 10 bis 15. Insgesamt gibt es für das Jahr 2018 60 offene Stellen, derzeit sind davon circa 55 zu besetzen. 15. Von vielen Busfahrern/-innen wird das Konzept „Einstieg vorn“ als zusätzliche Belastung empfunden und während verkehrsstarker Zeiten auf hochbelasteten Linien nicht umgesetzt. a) Können Busfahrer/-innen nach eigenem Ermessen entscheiden, ob die Fahrplantreue oder die Fahrscheinkontrolle Priorität hat? HOCHBAHN und Jasper: Grundsätzlich ist die Sichtkontrolle von Fahrausweisen auf den dafür vorgesehenen Linien durch das Fahrpersonal durchzuführen, jedoch darf hierauf bei größerer Verspätung oder besonders hohem Fahrgastaufkommen im Einzelfall verzichtet werden. VHH: Es ist tariflich festgelegt, dass von den Fahrerinnen und Fahrern grundsätzlich eine Sichtkontrolle durchgeführt werden muss. Hiervon darf nur dann abgewichen werden, wenn wegen des hohen Fahrgastandrangs oder aus Sicherheitsgründen auch die hinteren Türen freigegeben werden müssen. Falls nein: weshalb wird diese Einzelfallentscheidung nicht den Fahrern /-innen überlassen? Falls ja: Ist dieser Entscheidungsspielraum in einer Dienstanweisung oder Ähnlichem festgelegt? HOCHBAHN und Jasper: ja. VHH: nein. b) Gab es arbeitsrechtliche Konsequenzen, einschließlich Abmahnungen , gegen einzelne Busfahrer/-innen wegen der Nichtumsetzung des „Einstiegs vorn“? Falls ja, wie viele jeweils in den vergangenen zwölf Quartalen je Unternehmen? Nein.