BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12677 21. Wahlperiode 20.04.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 12.04.18 und Antwort des Senats Betr.: Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes auf Hamburg Am 1.1.2017 ist das Bundesteilhabegesetz in Kraft getreten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das am 23.12.2016 beschlossene Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) sieht insbesondere vor, die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen im Sinne von mehr Teilhabe und mehr Selbstbestimmung zu verbessern und die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiterzuentwickeln. Zu diesem Zweck werden grundlegende qualitative und strukturelle Änderungen des Rechts der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen vollzogen, die ihren Niederschlag insbesondere in den Sozialgesetzbüchern IX und XII finden. Schwerpunkt des Gesetzes ist die Neufassung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Mit dem BTHG wird die Eingliederungshilfe aus dem SGB XII herausgelöst und in reformierter Form als „Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen“ in Teil 2 des SGB IX geregelt. Das Inkrafttreten der mit dem BTHG verbundenen Änderungen erfolgt stufenweise. Ab 01.01.2017 sind bereits die Änderungen im Schwerbehindertenrecht, die erste Stufe bei Verbesserungen in der Einkommens- und Vermögensheranziehung sowie die Verdoppelung des Arbeitsförderungsgeldes in Kraft getreten. Zum 01.01.2018 sind insbesondere die Teile 1 und 3 (allgemeines Rehabilitationsrecht und Schwerbehindertenrecht) in Kraft getreten sowie die vorgezogenen Verbesserungen im Bereich der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in der Eingliederungshilfe (im SGB XII). Zum 01.01. 2020 tritt schließlich mit der Reformstufe 3 das Leistungsrecht der Eingliederungshilfe (SGB IX Teil 2) in Kraft. Hieraus ergeben sich zahlreiche Umstellungsprozesse in der Sozialverwaltung. Dazu gehören zum Beispiel auch die Trennung der Fachleistungen der Eingliederungshilfe von den existenzsichernden Leistungen sowie die zweite Stufe bei Verbesserungen in der Einkommensund Vermögensheranziehung. Nach Artikel 25a BTHG soll schließlich zum 01.01.2023, nach erneuter Befassung des Bundesrates und des Bundestages, der leistungsberechtigte Personenkreis in der Eingliederungshilfe nach § 99 SGB IX definiert werden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: Drucksache 21/12677 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Welche Bereiche, Leistungen und Institutionen sind in Hamburg von den Änderungen vom Bundesteilhabegesetz (BTHG) betroffen? Bitte aufgliedern nach Bereichen, Leistungen und Institutionen. Es sind alle Leistungen der Eingliederungshilfe sowie zum Teil die Leistungen nach dem SGB XII, insbesondere die Leistungen für Kosten der Unterkunft, durch das BTHG betroffen. Davon sind in Hamburg auf der Durchführungsebene folgende Dienststellen berührt: die Grundsicherungs- und Sozialämter der Bezirksämter, die Gesundheitsämter der Bezirksämter, das Fachamt Eingliederungshilfe beim Bezirksamt Wandsbek. Auf der ministeriellen Ebene sind betroffen: die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, die Finanzbehörde. Außerdem sind die Anbieter von Leistungen der Eingliederungshilfe, die Verbände der Leistungsanbieter sowie die Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen vom SGB IX betroffen. 2. Welche Teilhabeleistungen ändern sich wie in Hamburg durch das BTHG? 3. Welche Kriterien für die Feststellung des Anspruchs und Bedarfs für Teilhabeleistungen ändern sich durch das BTHG wie in Hamburg? 4. Welche Betreuungsleistungen ändern sich wie in HH durch das BTHG? Die Fragen betreffen den Teil des SGB IX, der erst zum 1.1.2020 in Kraft tritt. Die zuständige Behörde ist dabei, die künftige Ausgestaltung der Leistungen, das Verfahren und die Zuständigkeiten zu ordnen. Die Überlegungen hierzu sind aber noch nicht abgeschlossen. Im Rahmen der Teilhabeleistungen der Eingliederungshilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben sind mit dem BTHG ab dem 1.1.2018 neben den Leistungen im Arbeitsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen und dem Budget für Arbeit auch Leistungen bei „anderen Leistungsanbietern“ (§ 60 SGB IX) möglich. 5. Wie wirkt sich das BTHG auf das Verbandsklagerecht in Hamburg aus? Da § 87 SGB IX neu dem bisherigen § 65 SGB IX entspricht, wurden die bereits bisher geltenden Regelungen zum Verbandsklagerecht inhaltsgleich übertragen (siehe Amtliche Begründung zu § 87 SGB IX, BT.-Drs. 18/9522). 6. Wer ermittelt nun die Feststellung einer Behinderung in Hamburg und nach welchen Kriterien wird der Behinderungsgrad in Hamburg festgelegt ? Ob eine Behinderung nach § 2 Absatz 1 SGB IX vorliegt, ermittelt in Hamburg weiterhin das Versorgungsamt. Die Bezeichnung der Behinderung und die Angabe des GdB erfolgt nach der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebenen Versorgungsmedizin-Verordnung. 7. Wirken an der Feststellung des Behinderungsgrads im Zuge des BTHG Menschen mit Behinderungen mit? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht? Die Antragstellerinnen und Antragsteller wirken im Rahmen ihrer allgemeinen Mitwirkungspflicht im Antragsprozess mit. Mit dem Inkrafttreten des BTHG wurde die Versorgungsmedizin -Versorgung dahin gehend ergänzt, dass der Deutsche Behinderten- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12677 3 rat dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zwei sachverständige Personen für den Zeitraum der Berufungsperiode des Ärztlichen Sachverständigenbeirates Versorgungsmedizin benennt, um in diesem Fachgremium die Mitwirkung von Menschen mit Behinderung sicherzustellen. 8. Wird ein Wunsch- und Wahlrecht mit dem BTHG ermöglicht bezüglich der Wohnsituation von Menschen mit Behinderungen? 9. Können Menschen mit Behinderungen sich mit dem BTHG aussuchen, ob sie im Heim wohnen oder in einer Privatwohnung? Siehe § 104 SGB IX neu (ab 01.01.2020). Im Übrigen siehe Antwort zu 2. bis 4. 10. Wie wird mit dem BTHG in Hamburg die Arbeitsmöglichkeit von Menschen mit Behinderungen und die Beibehaltung des Arbeitsplatzes gesichert ? Bereits zum 30.12.2016 wurden mit dem BTHG die Schwerbehindertenvertretungen gestärkt. Ab 100 schwerbehinderten Menschen in einem Betrieb ist eine Freistellung der Vertrauensperson möglich. Zusätzlich steht der Vertrauensperson nun eine Bürokraft zur Verfügung. Für Schulungs- und Bildungsveranstaltungen werden die Vertrauensperson und die erste Stellvertretung freigestellt. Eine ohne Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausgesprochene Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ist nunmehr unwirksam. Arbeitgeber treffen mit den Schwerbehindertenvertretungen in Zusammenarbeit mit den Inklusionsbeauftragten des Arbeitgebers verbindliche Inklusionsvereinbarungen im Betrieb. Die Aufgabe des bei diesen Verhandlungen fakultativ einzuladenden Integrationsamtes wurde dahin gehend präzisiert, dass das Integrationsamt darauf hinzuwirken hat, dass in diesem Prozess unterschiedliche Auffassungen überwunden werden. Mit dem BTHG wurde zum 1.1.2018 das in Hamburg bereits langjährig erfolgreich erprobte Hamburger Budget für Arbeit auf eine bundesgesetzliche Grundlage gestellt. Im Übrigen siehe Drs. 21/11198. 11. Wie wirkt sich das BTHG auf die Arbeit und die Entlohnung der Arbeit von Menschen mit Behinderungen in den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen aus? Mit der Verdopplung des Arbeitsförderungsgeldes auf monatlich 52 Euro, das in voller Höhe gezahlt wird, wenn das Arbeitsentgelt weniger als 300 Euro beträgt, werden Werkstattbeschäftigte gefördert, die ein niedriges Arbeitsentgelt beziehen. Im Übrigen siehe Drs. 21/11198. 12. Welche Modellprojekte zur regionalen Erprobung des Bundesteilhabegesetzes wurden bislang von Hamburg aus beantragt und bewilligt? Bitte aufgliedern nach Datum des Antrags, Antragsteller/-in, Datum der Bewilligung , wenn Ablehnung Grund der Ablehnung, konkrete Bezeichnung des Modellprojekts und Bereich. Wenn keine, warum nicht? Folgende Modellprojekte zur regionalen Erprobung des Bundesteilhabegesetzes wurden von Hamburg aus beantragt und bewilligt: Antragsdatum Antragstellerin Bewilligungsdatum Bezeichnung des Modellprojektes Bereich 03.12.2017 Behörde für Arbeit, Soziales , Familie und Integration 22.12.2017 MRP.00.00022.18 Umsetzung des Rangverhältnisses von Leistungen der Eingliederungshilfe und Leistungen der Pflege (§§ 91 Abs. 3 und 103 SGB IX) Drucksache 21/12677 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Antragsdatum Antragstellerin Bewilligungsdatum Bezeichnung des Modellprojektes Bereich 22.12.2017 Behörde für Arbeit, Soziales , Familie und Integration 22.12.2017 MRP.00.00078.18 Abgrenzung der neuen Leistungen der Eingliederungshilfe nach Artikel 1 Teil 2 von den Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII (existenzsichernde Leistungen) 13. Welche Wissenschaftler/-innen oder Institutionen begleiten welches Modellprojekt wissenschaftlich? Die wissenschaftliche Begleitung aller Modellprojekte zur Erprobung des Bundesteilhabegesetzes wurde von dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales Ende Februar 2018 ausgeschrieben. Das Ausschreibungsverfahren wird voraussichtlich im Sommer 2018 abgeschlossen werden. 14. Wird die wissenschaftliche Evaluation unter Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen vorgenommen? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht? Laut der Leistungsbeschreibung im Vergabeverfahren für die wissenschaftliche Untersuchung der modelhaften Erprobung soll die Untersuchung von einem Beirat begleitet werden. In den Beirat sollen unter anderem Vertreter der Verbände von Menschen mit Behinderungen berufen werden. Es sollen zwei bis drei Beiratssitzungen jährlich stattfinden . 15. Welche gesetzgeberischen Resultate erfolgen aus welchem Modellprojekt in Hamburg? Siehe Drs. 21/9890.