BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12698 21. Wahlperiode 20.04.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Norbert Hackbusch (DIE LINKE) vom 13.04.18 und Antwort des Senats Betr.: HSH Nordbank Bezug: Senatsdrs. 21/12516 – Verkauf der mittelbar gehaltenen Anteile Mit der Drs. 21/12516 bittet der Senat die Bürgerschaft um den zustimmenden Beschluss zur Veräußerung der städtischen Anteile an der operativen HSH Nordbank, um Beschluss zu einem „neuen“ Gesetz über die Kreditaufnahme und Auszahlungen an die hsh finanzfonds AöR im Zusammenhang mit der Veräußerung der HSH Nordbank AG sowie um Zustimmung zu einer Änderung des Haushaltsbeschlusses 2017/2018. In der Drucksache wird als DER Hauptgrund für die Rettung der Bank durch die Länder im Jahre 2009 aufgeführt, dass zu diesem Zeitpunkt noch mehr als 60 Milliarden Euro der Verbindlichkeiten der HSH durch die Länder garantiert war (Gewährträgerhaftung ). Mit der Vorlage der Drucksache tun sich diverse Unklarheiten und Fragen auf, deshalb frage ich hiermit den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften der HSH Nordbank AG (HSH) und der hsh portfoliomanagement AöR (hsh pm) wie folgt: 1. Aus welchem Grund wird die Gewährträgerhaftung über 60 Milliarden Euro genannt, nie jedoch darauf hingewiesen, dass es sich hier lediglich um die Passivseite der HSH-Bilanz handelt, der jedoch werthaltige Assets auf der Aktivseite der Bilanz in deutlich höherer Größenordnung gegenüberstanden? Die Bank kommt von einer Bilanzsumme über mehr als 200 Milliarden Euro und hat nunmehr reduziert auf etwa 75 Milliarden Euro. Die Bank hat also mehr als 125 Milliarden Euro an Aktiv-Assets verkaufen beziehungsweise abstoßen können. Wie hat die Bank diese Beträge verwendet und warum sind nicht mit Priorität die – im Verhältnis moderaten – durch Gewährträgerhaftung unterlegten Verbindlichkeiten abgelöst, getilgt beziehungsweise ausreichend Gegenpositionen gebildet worden? Seit der Fusion der Landesbank Schleswig-Holstein und der Hamburgischen Landesbank haften gemäß Staatsvertrag aus dem Jahr 2003 die früheren Gewährträger dieser Landesbanken gesamtschuldnerisch für die Erfüllung sämtlicher dort näher geregelten Verbindlichkeiten, soweit diese nicht aus dem Vermögen der Bank befriedigt werden können. Die gewährträgerbehafteten Verbindlichkeiten stellen dabei nach Auskunft der HSH langfristige Verbindlichkeiten im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsverlaufs der HSH dar. Diese wurden von rund 65 Milliarden Euro im Jahre 2009 bis auf 3,6 Milliarden Euro zurückgeführt, ohne dass die Länder in Anspruch genommen wurden. Die der Gewährträgerhaftung unterliegenden Verbindlichkeiten können nach Auskunft der HSH in der Regel nur mit hohen Kosten abgelöst werden. Im Übrigen habe sich die Bilanzsumme der HSH – wie immer gleichlaufend auf der Drucksache 21/12698 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Aktiv- und Passivseite – unter anderem durch Rückführung der Geschäftstätigkeit, Auslagerung von NPE-Portfolien et cetera verringert. Im Übrigen siehe Drs. 19/2428. 2. Im Drucksachentext wird auf Seite 5 darauf hingewiesen, dass eine mögliche Abschlagszahlung auf die Ausgleichszahlung erforderlich sei, „um maßgebliche durch den Wegfall der regelmäßigen Zahlungen bedingte Beeinträchtigungen der Liquidität der HSH zu verhindern“. Um welche „regelmäßigen Zahlungen“ hat es sich hierbei gehandelt? Die hsh finanzfonds AöR (finfo) gleicht regelmäßig die nach einem Prüfverfahren bereits bestätigten Verluste unter der Sunrise-Garantie aus. In der Aufhebungsvereinbarung haben die finfo und die HSH vereinbart, dass nur noch die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Aufhebungsvereinbarung bereits bestätigten, aber noch nicht ausgezahlten Verluste an die HSH ausgezahlt werden und zunächst keine weiteren (regelmäßigen ) Zahlungen erfolgen werden. Sämtliche noch verbleibenden, unter der Aufhebungsvereinbarung zu bestätigenden und auszuzahlenden Verluste (Ausgleichszahlung ), werden zum Aufhebungsstichtag nach Closing des Anteilskaufvertrages ausgezahlt. Sollte dieses Closing nicht bis zum 30. September 2018 erfolgt sein, wird die finfo an die HSH kurz nach erfolgtem Closing eine Abschlagszahlung auf die Ausgleichszahlung leisten, sofern dies zur Vermeidung von Liquiditätsengpässen bei der HSH notwendig sein sollte. Die HSH müsste einen solchen Liquiditätsengpass vor Leistung einer Abschlagszahlung nachweisen. 3. In Summe wird von einer möglichen restlichen Gewährträgerhaftung über 3,6 Milliarden Euro gesprochen. Schleswig-Holstein spricht in seiner anteiligen Drs. 19/634 anschaulich von einem „max GTH-Schaden“ über 700 Millionenn Euro für das Bundesland Schleswig-Holstein. Aus welchem Grund hat Hamburg dann wohl die Differenz über 2,9 Milliarden Euro zu tragen? Hamburg haftet nicht für den Differenzbetrag. Die verbliebene Gewährträgerhaftung in Höhe von 3,6 Milliarden Euro ist die Summe aus rund 2,2 Milliarden Euro für Verbindlichkeiten (Senior Unsecured sowie Nachrangverbindlichkeiten), 1,1 Milliarden Euro für Pensionsverpflichtungen und möglicherweise 0,3 Milliarden Euro für Stille Einlagen . Die im Außenverhältnis gesamtschuldnerisch haftenden Gewährträger haften im Innenverhältnis mit unterschiedlichen Anteilen. Auf die Freie und Hansestadt Hamburg entfallen 35,38 Prozent, auf die WestLB 26,86 Prozent, auf das Land Schleswig- Holstein 19,55 Prozent und auf den Sparkassen- und Giroverband Schleswig-Holstein 18,21 Prozent. Im Übrigen sieht der Senat in ständiger Praxis grundsätzlich davon ab, die Äußerungen anderer Länder zu kommentieren. 4. In der Drucksache wird relativ oberflächlich von einer Schadenersatzpflicht der Verkäuferin, also auch eine der Freien und Hansestadt Hamburg gesprochen. Aus welchen Gründen und in welchen Größenordnungen könnte sich Hamburg in der Closing-Phase und wem gegenüber schadenersatzpflichtig machen? Der Anteilskaufvertrag enthält verschiedene Garantien des Verkäufers sowie eine Freistellung für bestimmte steuerliche Risiken. Bei Verletzung einer Garantie beziehungsweise Eintritt eines Freistellungsfalls könnte grundsätzlich eine Nachhaftung des Verkäufers begründet sein. Um eine solche Nachhaftung (im Rahmen des rechtlich Zulässigen) auszuschließen, sieht der Anteilskaufvertrag den Abschluss einer Versicherung (sogenannte W&I-Versicherung) vor. Die HSH Beteiligungs Management GmbH (HoldCo) hat die Versicherungs-Police vorverhandelt. Die Versicherung wird jedoch von den Käufern abgeschlossen; diese allein sind Versicherungsnehmer. Eine Haftung der Verkäuferin ist im Rahmen des rechtlich Möglichen ausgeschlossen. Eine Haftung der Länder wäre damit grundsätzlich nur in Ausnahmefällen/Sondersituationen denkbar, wie etwa dann, wenn sie einen relevanten substanziellen Schaden zum Vertragsschluss zwar gekannt, aber nicht offengelegt hätten. Für Schäden, die die Versicherungssumme übersteigen, sieht der Anteilskaufvertrag eine generelle Freistellung vor. 5. Aus welchem Grund soll der FinFo eine Liquiditätshilfe der Länder über jeweils 2,95 Milliarden Euro gewährt werden, obwohl die FinFo bereits Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12698 3 mit einer entsprechenden Kreditlinie ausgestattet ist? Wird die FinFogewährte Kreditlinie über 10 Milliarden Euro in entsprechender Größenordnung gekürzt? Die Kreditlinie der finfo aus dem Staatsvertrag dient der finfo zur Finanzierung der Inanspruchnahme aus der Sunrise-Garantie. Die Liquiditätshilfe der Länder an die finfo über jeweils bis zu 2,95 Milliarden Euro hingegen dient dazu, die Inanspruchnahme der Länder durch die finfo aus der Rückgarantie zu decken. Sie dient unter anderem dazu, den voraussichtlich kurzen Zeitraum zwischen Beschluss der Hamburgischen Bürgerschaft über die Drs. 21/12516 und dem Closing des Anteilskaufvertrages zu überbrücken. Die finfo kann und wird die zweckgebundene Kreditlinie aus dem Staatsvertrag in Höhe der an sie ausgezahlten Liquiditätshilfe der Länder von jeweils bis zu 2,95 Milliarden Euro nicht ausschöpfen. 6. Zum Stichtag „15.06.“ soll die FinFo laut Drucksache eine Schlussrechnung über die Garantie vorlegen. Dieses ist auch Bestandteil der Auflagen zum Zustandekommen des Kaufvertrages an Cerberus u. Co. Zudem wird in der Drucksache ausgeführt, dass „die Vereinnahmung des Kaufpreises dazu führen kann, dass die FinFo einen Teil der unterstellten Inanspruchnahme der Sunrise-Garantie aus eigenen Mitteln bestreiten kann und die Rückgarantie nicht vollständig in Anspruch genommen werden muss.“ Gleichzeitig könnte Hamburg entsprechend gebildete Rückstellungen auflösen. Wie kann das sein, da der Kaufpreis laut EU-Auflage dazu dienen muss, die Garantieprovisionsverpflichtungen der HoldCo zu gewährleisten und eben nicht der Kaufpreisreduzierung dienen kann? Der von den Käufern an die HoldCo zu zahlende Kaufpreisanteil in Höhe von 94,9 Prozent soll der finfo als Garantiegeberin und Mehrheitseignerin der HoldCo im Ergebnis insgesamt zur Verfügung gestellt werden, was im Ergebnis den Vorgaben der Europäischen Kommission entspricht. Im Übrigen siehe Drs. 21/2177 und 21/7385. 7. In der Beschlussdrucksache werden „wesentliche Risiken für die Freie und Hansestadt Hamburg“ nicht näher erläutert. Die Gewährträgerhaftung läuft letztlich bis 2041. Es soll bis Jahresende eine Regelung der Absicherung von Risiken bei einer nachfolgenden Insolvenz der Bank gefunden werden. Was sind die Rahmenbedingungen für eine solche Absicherung und wie entwickeln sich die Risiken? Die Länder, die Käufer und die HSH führen gegenwärtig intensive Abstimmungen zwecks möglicher zusätzlicher Abschirmung des Risikos der Inanspruchnahme der Länder aus der Gewährträgerhaftung für den Fall, dass die HSH die durch die Gewährträgerhaftung besicherten Ansprüche nicht bedienen kann. Dabei sind jedoch schwierige rechtliche und ökonomische Fragen zu klären, zugleich müssen mögliche Kosten solcher Maßnahmen für alle Beteiligten verhältnismäßig bleiben. Gegenwärtig ist daher noch nicht abzusehen, ob sich eine entsprechende Regelung zur Gewährträgerhaftung sachgerecht und im Interesse der Länder wird umsetzen lassen. Für die Länder bleibt die Privatisierung gegenüber einer Abwicklung auch dann ökonomisch vorteilhaft, wenn dies nicht gelingen sollte. 8. Die Bundesländer haften für Risiken aus der Übertragung von notleidenden Krediten auf die Anstalt HSH Portfoliomanagement AöR. a. Wie hoch sind zum Zeitpunkt des Verkaufes die Risiken? Wie werden sich diese weiterentwickeln? Hierzu teilte die hsh pm mit, sie habe im Quartalsabschluss zum 30. September 2017 Kundenforderungen mit einem Nettobuchwert in Höhe von rund 1,675 Milliarden Euro ausgewiesen. Die weitere Geschäftsentwicklung hänge im Wesentlichen von der Entwicklung der Schifffahrtsmärkte, den Zinskosten und Kursen des US-Dollars ab. b. Wie stellt sich die finanzielle Lage des HSH Finanzfonds nach Zufuhr von weiteren Mitteln in Höhe von 5,9 Milliarden Euro dar? Drucksache 21/12698 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Für welche Beträge muss die Hansestadt Hamburg Belastungen zusätzlich übernehmen? Nach Zurverfügungstellung von bis zu 5,9 Milliarden Euro wird die finfo kurzfristig über entsprechende Liquidität verfügen. Diese wird sie zur Inanspruchnahme aus der Sunrise -Garantie durch die HSH verwenden. Im Übrigen siehe Antwort zu 5.