BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12721 21. Wahlperiode 24.04.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Jens Meyer (FDP) vom 16.04.18 und Antwort des Senats Betr.: Denkmalschutz und gut – Ist die Zukunft des Hansa-Theaters wirklich gesichert? Wie das „Hamburger Abendblatt“ am 5. April 2018 berichtete, hat die Kulturbehörde das Gebäude sowie die historische Einrichtung des traditionsreichen Hansa Varieté-Theaters am Steindamm unter Denkmalschutz gestellt. Als eines der ältesten erhaltenen Varieté-Theater blickt das Hansa-Theater auf eine turbulente Vergangenheit zurück: 1893 als Privattheater gegründet, 1945 nach dem Zweiten Weltkrieg als erstes Hamburger Theater wiedereröffnet , stellte es 2001 den Spielbetrieb für einige Jahre ein. Seit 2009 wird es wieder im Winterhalbjahr als Varieté-Theater von den Intendanten des St. Pauli Theaters, Thomas Collien und Ulrich Waller, betrieben. Das Hansa-Theater gehört zu einem Areal mit fünf Immobilien am Steindamm und an der Bremer Reihe, dem sogenannten Hansa-Block, das im Mai 2018 aufgrund eines Erbstreits der Erbinnen der Gründerfamilie Grell zwangsversteigert werden soll. Teile des Areals stehen bereits unter Denkmalschutz , das Hansa-Theater und ein weiteres Gebäude hingegen bisher nicht. Es steht außer Frage, dass der Erhalt des Varieté-Theaters die Vielfalt der Hamburger Theaterlandschaft bereichert und die Fortführung des Traditionshauses wünschenswert ist. Das Verhalten der Kulturbehörde im Vorfeld der Unterschutzstellung sowie der Eingriff in einen privatrechtlichen Erbstreit werfen hingegen Fragen auf. Laut dem Haushaltsplan 2017/2018 der Kulturbehörde erhält das Hansa- Theater für die aktuelle Spielzeit keine öffentliche Förderung. Mit der Unterschutzstellung des Gebäudes ist aber auch ein Versprechen verbunden den Spielbetrieb des „wichtigen Veranstaltungs- und Erinnerungsortes“ aufrechtzuerhalten . Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die zur Zwangsversteigerung vorgesehenen Gebäude Steindamm 15 und 17 sowie Bremer Reihe 20/20a samt Hinterhaus, in welchem sich auch das Hansa-Theater befindet, stehen seit Neufassung des Hamburgischen Denkmalschutzgesetzes zum 1. Mai 2013 als Bestandteile des Ensembles „Hansaplatz“ unter Denkmalschutz. Die Gebäude sind einschließlich der Ausstattungen und des Zubehörs, das heißt auch einschließlich der baulichen Bestandteile und der Ausstattung des „Hansa-Theaters“ geschützt worden. Im Zuge der Neufassung des Gesetzes wurden alle ermittelbaren Denkmaleigentümer über die Eintragung ihrer Gebäude in die Denkmalliste informiert. Drucksache 21/12721 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Mit Schreiben vom 27. März 2018 wurden die drei Erbinnen der verstorbenen Eigentümerin darüber informiert, dass es sich bei oben genannten Objekten um Bestandteile des Ensembles „Hansaplatz“ handelt und dass zu dem Schutzgut auch die baulichen Bestandteile und Ausstattungen des „Hansa-Theaters“ gehören. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der St. Pauli Theater Produktions GmbH wie folgt: 1. Seit wann ist der Kulturbehörde der Erbstreit der Erbinnen der Gründerfamilie Grell um das Hansa-Theater bekannt? 2. Wurde seitens der Kulturbehörde etwas unternommen, um den Erbstreit zu schlichten? Wenn ja, bitte erläutern. Die für Kultur zuständige Behörde ist nicht mit einem solchen Erbstreit befasst. 3. Wann wurden die Erbinnen der Familie Grell über die Entscheidung der Kulturbehörde das Hansa-Theater samt Mobiliar unter Denkmalschutz zu stellen, informiert? Siehe Vorbemerkung. 4. Hat die Kulturbehörde hierüber eine Meldung an die Medien gegeben? Wenn ja, bitte Datum sowie Uhrzeit nennen und Wortlaut wiedergeben. Wenn nein, warum nicht? Die für den Denkmalschutz zuständige Behörde gibt in der Regel bei Unterschutzstellungen von Objekten in Privateigentum keine Meldungen an die Medien. Auch in diesem Fall ist keine Meldung erfolgt, es wurde hierzu lediglich Auskunft auf Presseanfragen gegeben. 5. Wann und mit welcher denkmalrechtlichen Begründung wurde welches Gebäude des sogenannten Hansa-Blocks unter Denkmalschutz gestellt? 6. Sind für alle Denkmäler des Hansa-Blocks Gutachten zum Denkmalwert erstellen worden? Wenn ja, bitte diese als Anlage beilegen. Wenn nein, warum nicht? 7. Liegt für das Hansa-Theater ebenfalls ein Gutachten zum Denkmalwert vor? Wenn ja, bitte als Anlage beilegen. Wenn nein, warum nicht? Für alle Denkmäler sind Gutachten erstellt worden. Die Vorlage von Gutachten käme im Ergebnis einer Aktenvorlage gleich, die gemäß Artikel 30 der Hamburgischen Verfassung an besondere Voraussetzungen geknüpft ist, die hier nicht vorliegen. Zur Begründung des Denkmalwerts heißt es im Gutachten zum Ensemble Hansaplatz: Das Ensemble dokumentiert die Erschließung des Stadtteils St. Georg, insbesondere seines Kerngebiets, als großstädtisches Wohnquartier nach Aufhebung der Torsperre 1860/1861 und der Stadtteilwerdung St. Georgs 1868, zugleich aber auch eine kaiserzeitliche städtebauliche Sanierungsmaßnahme im größeren Maßstab, die ein neues Wohnquartier auf zeitgemäßem Stadtgrundriss zustande brachte. Bei dem Ensemble handelt sich um ein qualitätvolles Etagenhausquartier der 1870er- und 1880er-Jahre für die Mittelschicht mit einer insgesamt orts- und bauzeittypischen, in der Einzelausformung teilweise anspruchsvollen Bebauung. Die Gebäude geben durch ihre Kubatur , ihren Auf- und Grundriss sowie ihr Dekor Aufschluss über zeittypische Nutzungen und die Vorstellungen von Wohnen. Das Ensemble ist in seiner Gesamtdisposition lebhafter Ausdruck der von Spekulationsinteressen geleiteten Tätigkeit der Bau- und Immobilienwirtschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und Beispiel für auf privater Geschäftsbasis durchgeführten und zugleich zeitgenössische Planungsideen Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12721 3 berücksichtigenden Städtebaus. Das Ensemble wirkt in seiner großflächigen charakteristischen Bebauung in hohem Maße ortsbildprägend. Der Platz, der als wichtiger Erschließungsbereich des Stadtteils dient, ist durch die Bebauung in charakteristischer Weise baulich gefasst und durch seine Ausstattung künstlerisch akzentuiert. Die Brunnenanlage kann für sich künstlerische Bedeutung beanspruchen und ist als Werk Engelbert Peiffers künstler-geschichtlich relevant. Ein ähnliches städtebauliches Projekt diesen Maßstabs und dieser Beschaffenheit aus der Kaiserzeit hat sich in den Grenzen des historischen Hamburg nicht bewahrt. Der Erhalt des Ensembles liegt daher aus historischen (orts-, architektur-, städtebau-, sozial-geschichtlich) Gründen und wegen seiner Bedeutung für die charakteristischen Eigenheiten des Stadtbildes von St. Georg im öffentlichen Interesse. Zur Begründung des Denkmalwerts des Hansa-Theaters: In diesem vergleichsweise authentischen Erhaltungszustand stellt das Hansa-Theater ein bedeutendes Dokument der Geschichte des Vergnügungsgewerbes im 20. Jahrhundert in Hamburg im Allgemeinen und St. Georgs im Besonderen dar. Es ist das einzige authentisch erhaltene historische Zeugnis des Varieté-Theaters in Hamburg und eines der letzten in Deutschland. An der bauzeitlichen Substanz vermitteln sich zeitübergreifende wie zeittypische Formen des Varieté-Betriebes. Typisch ist nicht nur die Saalform in Verbindung mit Foyer und Nebenräumen, besonders signifikant ist auch die Verknüpfung von Showeinlagen mit gastronomischen Angeboten am Sitzplatz . Der gegenüber dem Neubau großer Häuser Ende des 19. Jahrhunderts improvisiert wirkende, letztlich aber doch voll durchdachte Einbau in die bestehende ältere Bebauung in unmittelbarer Nähe zum zerstörten Vorgängerbau, dabei (der Zeit viel angemessener) in kleinerer Form, darf auch als ein bemerkenswertes Zeugnis des frühen Wiederaufbaus in Hamburg gelten. Daneben handelt es sich um eines der wenigen erhaltenen Beispiele von Ausstattungen von Theatern und verwandten Gewerben aus der Mitte des 20. Jahrhunderts in Hamburg überhaupt, hier in der traditionalistischen Stilausprägung der 1930er- bis 1950er-Jahre. Für den Stadtteil St. Georg, dessen historische Prägung in hohem Maße auch auf dem Gast- und Vergnügungsgewerbe beruht, ist das Hansa-Theater mit seiner wechselhaften Geschichte ein bedeutender ortsgeschichtlicher Fixpunkt, der Kontinuitäten am Standort erlebbar macht. Das Hansa-Theater am Steindamm, das heißt den baulichen Bestandteilen des Theaterbetriebes im Bereich der Grundstücke Steindamm 15, 17, Bremer Reihe 20 einschließlich seiner baufesten und zum Teil beweglichen Ausstattung, besitzt somit bau-, kultur-, zeit- und ortsgeschichtliche Relevanz. Dem Objekt ist eine besondere geschichtliche Bedeutung gemäß §4 Absatz 2 Hamburgisches Denkmalschutzgesetz zuzusprechen. Nicht zuletzt aufgrund der Seltenheit des Bautyps in Hamburg und der vergleichsweise großen historischen Authentizität des erhaltenen Bestandes besteht ein öffentliches Interesse am Erhalt des Theaters. 8. Warum wurde das Hansa-Theater nicht bereits früher, spätestens aber im Rahmen der Novellierung des Denkmalschutzgesetzes im Jahr 2013 als Denkmal erkannt und unter Schutz gestellt? 9. Der Sprecher der Kulturbehörde gab laut Medienberichten an, das Hansa -Theater habe bereits vor der Entscheidung des Denkmalschutzamtes als Teil des Ensembles Schutz genossen. Welchen Schutzstatus hat er gemeint? Bitte erläutern. Siehe Vorbemerkung. 10. Wie hoch bewertet der Senat die Wertminderung der Immobilie, die durch die Unterschutzstellung des Hansa-Theaters für die Zwangsversteigerung entstanden ist? 11. Gibt es weitere Einschränkungen oder Auflagen für Bieter seitens der Kulturbehörde? Wenn ja, welche? Drucksache 21/12721 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 12. Wie oft wurde in den letzten neun Jahren eine Auskunft zur Denkmaleigenschaft des Hansa-Areals beim Denkmalschutzamt eingeholt? Bitte nach Jahren aufschlüsseln. In den Jahren 2015 und 2017 wurde jeweils eine Auskunft erteilt, dabei wurde auf die Schutzwürdigkeit auch des Inneren hingewiesen. 13. Hat der Senat Auskünfte darüber gehabt, dass Spekulanten, wie das „Hamburger Abendblatt“ berichtet, ein Kaufinteresse an dem Areal oder Teilen des Areals angemeldet haben? Wenn ja, welche? Nein. 14. Laut dem aktuellen Haushaltsplan der Kulturbehörde hat das Hansa- Theater 2017/2018 keine Förderung durch die öffentliche Hand erhalten. Ist dies zutreffend? Wenn nein, welche öffentliche Förderung hat das Hansa-Theater in diesem Zeitraum erhalten? Ja. 15. Bestand zwischen 2009 und 2016 eine Förderung des Spielbetriebes oder des Erhalts des Hansa-Theaters durch die öffentliche Hand? Wenn ja, bitte nach Jahren aufschlüsseln. Nein. 16. Die nächsten zwei Spielzeiten des Hansa-Theaters sind laut den Intendanten gesichert. Plant der Senat die Sicherung des Spielbetriebs zukünftig zu fördern? Wenn ja, in welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt und wenn nein, weshalb nicht? Eine Entscheidung über eine zukünftige Förderung erfolgt gegebenenfalls auf Basis eines konkreten Antrags. Aktuell liegt der zuständigen Behörde kein entsprechender Antrag vor. 17. Werden Mittel für das Hansa-Theater im nächsten Doppelhaushalt 2019/2020 berücksichtigt? Wenn ja, in welcher Höhe, wenn nein warum nicht? 18. Welche Mittel kann der Betreiber oder Eigentümer des denkmalgeschützten Theaters aus den Mitteln der Kulturbehörde beantragen? Bitte erläutern. Im Zusammenhang mit Maßnahmen, die der Erhaltung der Denkmalsubstanz dienen, können Zuwendungen aus Haushaltsmitteln der für den Denkmalschutz zuständigen Behörde beantragt werden; ein Rechtsanspruch besteht nicht. Ferner kann für Aufwendungen , die der Denkmalerhaltung dienen, eine Bescheinigung zur steuerlichen Absetzung beantragt werden; hierauf besteht grundsätzlich ein Rechtsanspruch. 19. Welche Nutzung der Räume des Hansa-Theaters erfolgt in den Sommermonaten , wenn kein Spielbetrieb stattfindet? 20. Welche Erkenntnisse hat der Senat über die wirtschaftliche Lage des Hansa-Theaters? 21. Ist dem Senat bekannt, ob das Theater aktuell bei lediglich halbjährigem Spielbetrieb wirtschaftlich betrieben wird? 22. Ist dem Senat bekannt, ob für den Theaterbetrieb monatliche Mietzahlungen an die Immobilieneigentümerinnen erfolgen? Wenn ja, in welcher Höhe? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12721 5 Nach Auskunft der St. Pauli Theater Produktions GmbH gibt es im Sommer keine durchgängigen Betriebstage, nur Vermietungen für einzelne geschlossene Veranstaltungen . Das Haus wird von der Betreibergesellschaft von Thomas Collien und Ulrich Waller wirtschaftlich erfolgreich betrieben, zur Zeit je von Mitte Oktober bis Anfang März, also circa 4,5 Monate. Die Betreibergesellschaft zahlt der Immobiliengesellschaft /Besitzgesellschaft eine Miete von 1.275 Euro netto/Tag für circa 120 Spieltage, also circa 150.000 Euro zuzüglich einer Sanierungspauschale in Höhe von 40.000 Euro und der Kosten für Instandhaltung, Hausmeisterei und Parkplätze.