BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12722 21. Wahlperiode 24.04.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Michael Kruse und Dr. Kurt Duwe (FDP) vom 16.04.18 und Antwort des Senats Betr.: Rechnungen für verspätete Flüge – War das rechtlich einwandfrei? Nach der Pressemitteilung des Senats vom 2. März 2018 greift die BUE zum Mittel der Gewinnabschöpfung und fordert von einer Airline 468.000 Euro für verspätete Flugstarts im Jahr 2017. Bereits im Februar 2018 hatte die Fluglärmbeauftragte das Mittel der Gewinnabschöpfung gegenüber einer anderen Airline angewandt. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Auf welcher rechtlichen Grundlage hat die BUE die Gewinnabschöpfung im konkreten Fall der Airline im März 2018 angewandt (bitte benennen und begründen)? Gemäß § 58 Absatz 1 Nummer 8a in Verbindung mit § 25 Absatz 1 Satz 3 Nummer 3 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) vom 10.05.2007 (BGBl. I S. 698) handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig innerhalb der jeweils für den Flugplatz geltenden Betriebsbeschränkungszeiten startet oder landet. Bei den betreffenden Starts wurde innerhalb der Betriebsbeschränkungszeiten gestartet, ohne dass die Voraussetzungen für die Verspätungsregelung vorlagen beziehungsweise ein Antrag nach Ziffer 1.4 des Luftfahrthandbuchs gestellt und jeweils eine Ausnahmegenehmigung erteilt worden sei. Das Verhalten der Piloten war ordnungswidrig nach § 58 Absatz 1 Nummer 8a i.V.m. § 25 Absatz 1 Satz 3 Nummer 3 LuftVG in Verbindung mit dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) vom 19.02.1987 (BGBl. I S. 202) jeweils in der aktuellen Fassung. Mit der gegen die Luftverkehrsgesellschaft gerichteten Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 29a OWiG soll vor allem der durch das ordnungswidrige Verhalten des Piloten erlangte wirtschaftliche Tatertrag der Luftverkehrsgesellschaft abgeschöpft werden. Der Luftverkehrsgesellschaft ist ein wirtschaftlicher Ertrag daraus entstanden, dass unzulässige verspätete Starts erfolgt sind. 2. Welche Ziele verfolgt die BUE mit der Gewinnabschöpfung? Es werden eine steuernde Wirkung auf die Planung der Flüge und demzufolge weniger Verspätungen erwartet. 3. Gibt es Vergleichsfälle an anderen Flughäfen, an denen sich die BUE hier orientiert hat? a. Wenn ja, um welche konkreten Fälle handelt es sich und hat sich die BUE dazu bundesweit einen Überblick verschafft? b. Wenn nein, hat es im Vorwege eine rechtliche Einschätzung oder Bewertung gegeben, die sich die BUE eingeholt hat? Drucksache 21/12722 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 4. Wie schätzt der Senat die rechtliche Durchsetzbarkeit dieser Gewinnabschöpfung ein? Nach den Erkenntnissen der zuständigen Behörde ist Hamburg der erste Flughafenstandort in Deutschland, an dem für unzulässige Flüge eine Gewinnabschöpfung bei einer Luftverkehrsgesellschaft erfolgt ist. Die rechtliche Einschätzung ist behördenintern erfolgt. Darüber hinaus hat sich der Senat damit nicht befasst. Im Übrigen ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen. 5. Auf welchen Grundlagen, Annahmen und nach welcher Methodik wurden die Gewinnabschöpfungen konkret berechnet? Da seitens der Luftverkehrsgesellschaft keine Angaben zur Sache und zu den wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht worden sind, wurde der jeweilige Wert des Tatertrags anhand einer qualifizierten Schätzung nach § 29a Absatz 4 OWiG ermittelt. Demnach können Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen geschätzt werden. Zur Ermittlung des Betrags wurden die Kosten, die der Luftverkehrsgesellschaft entstanden wären, wenn der jeweilige Flug erst am nächsten Morgen hätte erfolgen können , mit den für den nächtlichen Start entstandenen Kosten (einschließlich Nachtzuschlag im Entgelt) gegenübergestellt. Dies entspricht dem nach § 29a Absatz 4 i.V.m. Absatz 3 OWiG vorgesehenen Vorgehen. Zur Schätzung des Wertes wurden die Entgeltordnung des Airport Hamburg sowie die EU-Fluggastrechteverordnung hinzugezogen . 6. Wann und wie wurde der Airline die Aufforderung zur Zahlung wegen verspäteter Starts durch die BUE mitgeteilt? a. Ist über die Zustellung des Schreibens, eine Eingangsbestätigung erfolgt? b. Wenn ja, wem gegenüber und welche weiteren Schritte wurden dann unternommen? c. Wenn nein, warum nicht? d. Wurde die Pressemitteilung des Senats vom 2. März 2018 versandt nachdem die Zustellung des Schreibens an die Airline erfolgt und quittiert war? e. Wenn nein, ist es aus Sicht des Senats eine geeignete Vorgehensweise , eine Fluggesellschaft über eine Gewinnabschöpfung in Höhe von 468.000 Euro über die Medien zu informieren? Der Versand der Einziehungsanordnungen erfolgte am Vormittag des 2. März 2018, wie bei solchen Verfahren üblich, per Einschreiben mit Rückschein. Die Rückscheine für die erfolgten Zustellungen konnte die Deutsche Post bislang nicht vorlegen. Daraufhin erfolgten am 23. März 2018 die erneuten Zustellungen an einen durch das Luftfahrtunternehmen bevollmächtigen Anwalt. Dieser hat am 3. April 2018 Einspruch eingelegt. Im Übrigen wurde in der zuvor erwähnten Pressemitteilung keine Airline namentlich genannt. 7. Inwiefern gab es eine Abstimmung zwischen BWVI und BUE zur Gewinnabschöpfung und Aufforderung der Zahlung gegenüber der Airline wegen 21 Verspätungen? a. Wann gab es erste Gespräche mit der BWVI darüber, dass die Fluglärmschutzbeauftragte das Mittel der Gewinnabschöpfung gegenüber der Airline anwenden werde? b. Gab es Abweichungen von dem ursprünglichen Vorschlag der BUE? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12722 3 Wenn ja, welche und warum? Die Anwendung des Mittels der Gewinnabschöpfung nach § 29a OWiG wird seit Mitte 2015 vorbereitet. Die Fluglärmschutzkommission (FLSK) wurde bereits erstmalig auf der 220. FLSK-Sitzung am 4. Dezember 2015 darüber informiert. Auch in den folgenden Sitzungen der FLSK wurden Maßnahmen wie die Gewinnabschöpfung zur Reduzierung der Verspätungen regelmäßig thematisiert. Zuständig für die Überwachung der Verspätungsregelung ist die BUE. Zwischen der BUE und der BWVI gibt es monatliche Routinesitzungen, in denen der BWVI am 12. Oktober 2017 die Vorgehensweise zur qualifizierten Schätzungen der Einziehung des Wertes der Taterträge nach § 29a OWiG gegenüber den Luftverkehrsgesellschaften unter Einbeziehung der Fluggastrechteverordnung erläutert worden ist. 8. Sind weitere Gewinnabschöpfungen geplant? Wenn ja, gibt es dazu bereits konkrete Überlegungen? Es sind weitere Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet. Zu laufenden Verfahren gibt der Senat regelmäßig keine Auskunft. 9. Gibt es bereits eine Reaktion der Airline, bei der die Gewinnabschöpfung vorgenommen werden soll? Siehe Antwort zu 6. 10. Wann rechnet der Senat mit dem Eingang der Zahlung durch die Airline und was soll mit den Mitteln der Gewinnabschöpfung konkret passieren? a. Plant der Senat diese Mittel im Sinne weiterer Lärmschutzmaßnahmen im Interesse der von Fluglärm betroffenen Anwohner in Schallschutzmaßnahmen zu investieren? b. Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen sind hier in der Überlegung ? c. Wenn nein, warum nicht? Die Mittel der Gewinnabschöpfung fließen in den Gesamthaushalt der Freien und Hansestadt Hamburg. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. und 4.