BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12727 21. Wahlperiode 24.04.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Grunwaldt und Dennis Thering (CDU) vom 17.04.18 und Antwort des Senats Betr.: E-Scooter in HVV-Bussen weiterhin unerwünscht – Bleibt die Inklusion beim Nahverkehr in Hamburg auf der Strecke? Mobilität ist der Schlüssel zu gesellschaftlicher Teilhabe. Sogenannte „E-Scooter“ wiederum sind insbesondere für die Alltagsmobilität schwerbehinderter Menschen von überragender Bedeutung. Hierbei handelt es sich um einsitzige Elektrofahrzeuge mit bis zu 500 Kilogramm Gesamtgewicht. Umso unverständlicher war und ist, dass der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) bei der Beförderung von E-Scootern drei Tage vor dem Ende des Jahres 2016 den Rückwärtsgang eingelegt und ein Beförderungsverbot für E-Scooter verhängt hat. Dabei hatte der HVV in den sechs Monaten zuvor einen „Beförderungsausschluss“ gleich zweimal explizit ausgeschlossen und die Betroffenen zu Schulungen verdonnert. Diese Schulungen haben sich dann infolge des Beförderungsausschlusses als komplett nutzlos erwiesen. Erschreckend war auch, dass der Senat diesem Hin und Her von Anfang bis Ende tatenlos zugesehen hat. Dass die Betroffenen und deren Verbände sogar erst aus der Presse von der Rolle rückwärts des HVV erfuhren, setzte dem Ganzen die Krone auf. Dies gilt auch für den seither offenkundigen Stillstand bei diesem Thema. Grundlage des Beförderungsverbotes waren und sind ein technisches und ein Rechtsgutachten aus Nordrhein-Westfalen (NRW)1 jeweils aus dem Herbst 2016. Demzufolge könnten E-Scooter während der Fahrt kippen oder ins Rutschen geraten und damit Nutzer und andere Fahrgäste gefährden. In der Konsequenz wurden die Anforderungen des HVV an entsprechende Elektrofahrzeuge gemäß einem bundesweiten Erlass2 zwischenzeitlich so gestaltet, dass es bislang nur wenige Modelle auf dem Markt gibt, die diesen Sicherheitsstandards entsprechen. Die Neuanschaffung eines adäquaten Modells ist jedoch mit einem hohen, teilweise nicht leistbaren, finanziellen Aufwand für die Betroffenen verbunden. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Es ist ein wichtiges Ziel des Senats, mobilitätseingeschränkten Personen die Teilnahme am Verkehr und am öffentlichen Personenverkehr zu ermöglichen und zu erleichtern . E-Scooter sind für viele mobilitätsbeschränkte Personen eine wichtige Hilfe. Überdies arbeitet der Senat kontinierlich am barrierefreien Ausbau von Haltestellen. 1 Siehe Drs. 21/7361 sowie https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/ Dokument?Id=MMV16%2F4478|1|0, letzter Zugriff: 16.4.2018. 2 http://www.hamburg.de/contentblob/8418710/70ca9f0606bf0e2644201a7aec330e7a/ data/erlass-e-scooter-mitnahme.pdf, letzter Zugriff: 16.4.2018. Drucksache 21/12727 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Für die barrierefreie Gestaltung von Haltestellen wurden vom Hamburger Verkehrsverbund (HVV) zusammen mit den Verkehrsunternehmen, den Aufgabenträgern und den Verbänden Empfehlungen zur Gestaltung erstellt. Aus Sicht des Senats ist es wünschenswert, die Mitnahme von E-Scootern in Fahrzeugen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) zu ermöglichen. In diesem Sinne hat die zuständige Behörde im Jahr 2017 – wie auch in den Vorjahren – mit den Verkehrsressorts der Länder auf Bund-Länder-Besprechungen daran mitgewirkt, bundesweit einheitliche Standards zur Beförderung von E-Scootern zu definieren. Diese wurden den Verkehrsunternehmen mit Schreiben vom 30. März 2017 bekannt gegeben. Zudem wurden Fragen hinsichtlich der Umsetzung, zum Beispiel zur Kennzeichnung der E-Scooter, geklärt. Mit dieser Grundlage können Fahrgäste ihre E-Scooter und vergleichbare Mobilitätshilfen mitnehmen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV) hatte seinen Mitgliedsunternehmen auf der Grundlage eines Gutachtens empfohlen, E-Scooter generell von der Beförderung auszuschließen. Da die Verkehrsunternehmen und ihre Betriebsleitungen für die Sicherheit der Fahrgäste verantwortlich sind und die Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter hierfür persönlich haften, bedarf es einer Berücksichtigung der gutachterlichen Erkenntnisse. Somit mussten die dem Hamburger Verkehrsverbund (HVV) angeschlossenen Unternehmen erwägen, E-Scooter von der Beförderung auszuschließen . Um diesem Beförderungsausschluss, dem sich bundesweit sehr viele Verkehrsunternehmen angeschlossen haben, zu begegnen, hat das Land Nordrhein- Westfalen seinerseits gutachterlich untersuchen lassen, unter welchen Voraussetzungen E-Scooter in Bussen befördert werden können, ohne dass eine Beeinträchtigung der Sicherheit zu befürchten ist. Auf dieser Basis haben die Länder bestimmte Voraussetzungen aufgestellt, bei deren Einhaltung für die Verkehrsunternehmen eine Beförderungspflicht nach § 22 des Personenbeförderungsgesetzes besteht. Hamburg wendet diese Regelungen entsprechend an. Der HVV hat mehrere Gespräche mit den Bus-Verkehrsunternehmen geführt, sodass unter anderem die Einrichtung des Bus- Shuttles für diejenigen E-Scooter-Nutzerinnen und -Nutzer, die sich Ende des Jahres 2016 für die eingerichtete Schulung angemeldet oder diese schon absolviert hatten, erfolgte. Der Shuttle-Service wird bis Ende August des Jahres 2018 planungsgemäß angeboten werden. Die Betroffenen, die sich im Jahr 2016 zu einer Schulung angemeldet oder an dieser bereits teilgenommen hatten, wurden per Brief persönlich informiert. Im Übrigen siehe Drs. 21/5340, 21/7361 und 21/7836. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften des HVV, der Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN) und der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein GmbH (VHH) wie folgt: 1. Gab es seit dem 1. Januar 2017 Gespräche seitens der zuständigen Behörde und/oder des HVVs bezüglich einer Lösung des E-Scooter- Problems? Wenn ja, wann, mit wem und mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung. 2. Wie stellt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde sicher, dass die Mobilität jener Menschen, die im Alltag auf einen E-Scooter angewiesen sind, nicht durch den Beförderungsausschluss des HVVs beeinträchtigt wird? Eine Mitfahrt im Schienenverkehr und auf den Fähren ist uneingeschränkt möglich. Eine Beförderung in Bussen ist möglich, wenn die E-Scooter die definierten Voraussetzungen erfüllen. Die E-Scooter-Nutzerinnen und -Nutzer, die sich durch die Anmeldung an der Schulung interessiert an der Mitnahme im Bus gezeigt haben, wurden informiert, dass der Shuttle-Service bis Ende August des Jahres 2018 bestehen bleibt und sie ab September des Jahres 2018 einen, den neuen Regeln entsprechenden E-Scooter benötigen. Mindestens ein Hersteller bietet mittlerweile einen E-Scooter an, der von der Krankenkasse gefördert werden kann, in Kürze sollen weitere folgen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12727 3 3. Erfassen der HVV beziehungsweise die zuständigen Behörden statistisch Unfälle, in denen es zu einer Gefährdung beziehungsweise Verletzung von Fahrgästen durch umkippende E-Scooter, Kinderwagen, Fahrräder , Rollstühle et cetera kommt? Wenn ja, a) wie viele Fahrgäste wurden seit 2015 in HVV-Bussen (der HOCHBAHN und der VHH) durch umkippende oder rutschende E-Scooter verletzt? Bitte jahresweise aufschlüsseln. b) Wie viele Fahrgäste wurden seit 2015 in HVV-Bussen (der HOCHBAHN und der VHH) durch umkippende oder rutschende Kinderwagen, Fahrräder, Rollstühle verletzt? Bitte jahresweise aufschlüsseln . Wenn nein, womit begründen der HVV beziehungsweise die zuständigen Behörden ihre Entscheidung für die Mitnahmeeinschränkung? Hierüber liegen keine Statistiken vor. Die zuständige Behörde stützt ihre Entscheidung , Busunternehmen zur Mitnahme von E-Scootern unter bestimmten Voraussetzungen zu verpflichten, auf die entsprechenden Gutachten. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 4. Inwiefern hat es beim HVV oder den zuständigen Behörden analog zum Beförderungsverbot für E-Scooter ähnliche Überlegungen bezüglich der Mitnahme von Fahrrädern, Kinderwagen und Rollstühlen gegeben? Wie wird hier die Sicherheit der Fahrgäste gewährleistet? Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass von Fahrrädern, Kinderwagen und Rollstühlen besondere Gefahren ausgehen, weshalb es keine Überlegungen gibt, die Mitnahme von Fahrrädern, Kinderwagen oder Rollstühlen weiter einzuschränken. Die Mitnahme von Fahrrädern ist bereits durch Sperrzeiten eingeschränkt und auch nur auf einigen Buslinien erlaubt. Kinderwagen weisen ein deutlich geringeres Gewicht auf als die meisten E-Scooter. Rollstühle sind kürzer und haben in der Regel einen niedrigeren Schwerpunkt, sodass sie weniger kipp-anfällig sind. 5. Wurde geprüft, ob alternative Vorkehrungen getroffen werden können, um das Sicherheitsrisiko zu reduzieren (beispielsweise Sicherheitsgurte, erweiterte Schulungen für die Nutzer oder Ähnliches)? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung. 6. Wie viele U- und S-Bahnhöfe gibt es aktuell in Hamburg und wie viele sind davon barrierefrei? Haltestellen in Hamburg Insgesamt Davon barrierefrei U-Bahn-Haltestellen 82 56 S-Bahn-Haltestellen 53 43 Summe 135 99 7. Welche U- und S-Bahnhöfe sollen im laufenden und im kommenden Jahr mit dem Ziel der Barrierefreiheit ausgebaut werden? Bitte jahresweise aufschlüsseln. S-Bahn 2019 Kornweg Wellingsbüttel Drucksache 21/12727 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 U-Bahn 2018 Joachim-Mähl-Straße Hoheluftbrücke Uhlandstraße Habichtstraße Hagendeel Langenhorn Nord Lübecker Straße (U3) Meiendorfer Weg 2019 Alter Teichweg Fuhlsbüttel Nord Klein Borstel Landungsbrücken Lohmühlenstraße Lübecker Straße (U1) Ritterstraße Wandsbeker Chaussee 8. Wie werden die Mobilität und die Barrierefreiheit im Verkehr von mobilitätseingeschränkten Personen in jenen Gebieten gefördert, die nicht durch U- und S-Bahnhöfe angebunden sind (beispielsweise Osdorf, Lurup et cetera)? In Hamburg werden flächendeckend Niederflurbusse eingesetzt. Die überwiegende Zahl der Busse ist bereits dafür ausgestattet, einen E-Scooter zu transportieren, wenn dieser die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. und Vorbemerkung.