BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12735 21. Wahlperiode 24.04.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Deniz Celik (DIE LINKE) vom 17.04.18 und Antwort des Senats Betr.: MVZ-Herzzentrum von Asklepios in Stellingen: Sinnlose operative Eingriffe aus Profitgründen – Was macht der Senat? Medienberichten zufolge hat der Geschäftsführer eines Medizinischen Versorgungszentrums von Asklepios im Wördemanns Weg in Stellingen in der Vergangenheit die dort arbeitenden Ärzte/-innen angewiesen, aus wirtschaftlichen Gründen pro Tag mindestens 20 Herzkatheter-Untersuchungen durchzuführen – für jeden nicht vorgenommenem Eingriff gebe es Gehaltsabzug. Inzwischen hat das Herzzentrum die Existenz dieser Anweisung bestätigt. Laut § 95 (1) SGBV ist aber der ärztliche Leiter eines MVZ „in medizinischen Fragen weisungsfrei“. Zudem sind solche Anweisungen unethisch. Dennoch hält Asklepios an dem Geschäftsführer fest. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften des Hamburgischen Versorgungsfonds AöR (HVF) beziehungsweise der Asklepios Kliniken Hamburg GmbH wie folgt: 1. Verschiedene Medien berichteten über Vorwürfe gegen das Herzzentrum : Es seien Mengenvorgaben zu invasiven Untersuchungen gemacht worden, es seien Vorgaben gemacht worden welche Medikamente zu verordnen seien, es seien überteuerte Medikamente eingekauft worden und Mitarbeitende hätten einen „inakzeptablen Führungsstil“ und eine schlechte Behandlung insbesondere von Mitarbeiterinnen beklagt. Welche Erkenntnisse hat der Senat über diese Vorwürfe? Die zuständige Behörde hat die Berichterstattung zum Anlass genommen, den Sachverhalt zu überprüfen. Sie hat das MVZ Stellingen zur Stellungnahme aufgefordert. Die weiteren Schritte werden gegebenenfalls mit der Ärztekammer Hamburg, der Kassenärztlichen Vereinigung und den Ermittlungsbehörden eingeleitet. 2. Wie bewertet der Senat als Anteilseigner das Festhalten von Asklepios am Geschäftsführer und wie wird sich der Senat verhalten? Die Asklepios Kliniken Hamburg GmbH ist seit dem 1. Juli 2017 an der MVZ Prof. Mathey, Prof. Schofer GmbH (MVZ Mathey/Schofer) beteiligt. Nach Auskunft der Asklepios Kliniken Hamburg GmbH nimmt diese die anonymen Vorwürfe gegen den Geschäftsführer des Herzzentrums MVZ Mathey/Schofer sehr ernst und geht aktuell allen Vorwürfen intensiv nach. Im Übrigen hat sich der Senat hiermit nicht befasst. 3. Wie bewertet die BGV als zuständige Aufsichtsbehörde die Anweisungen des Geschäftsführers in medizinischen Fragen an die angestellten Ärzte? Wie bewertet sie die Anweisungen vor dem Hintergrund des § 95(1) SGBV? Und was wird die Behörde unternehmen? Drucksache 21/12735 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Siehe Antwort zu 1. 4. Im Koalitionsvertrag von Rot-Grün nach der Bürgerschaftswahl in Hamburg für 2015 ist vereinbart: Der Senat wird im Rahmen seiner Minderheitsbeteiligung darauf hinwirken, dass Qualität und Patientensicherheit stetig verbessert, Beschäftigungsverhältnisse auf Dauer angelegt und tarifgebunden sind sowie Leiharbeit auf ein begründetes Minimum reduziert und die Bürgerschaft besser informiert wird. Wie hat der Senat als Minderheitseigner an Asklepios bisher unternommen, um vorzubeugen, dass Gewinnstreben zulasten der Patientensicherheit geht? Welche weiteren Maßnahmen sind geplant? Ist der Geschäftsführer des MVZ, gegen den die Vorwürfe erhoben werden, selbst angestellter Arzt oder Vertragsarzt? Durfte der Geschäftsführer in seiner Position medizinische Anweisungen geben? Die Steuerung der städtischen Beteiligung an der Asklepios Kliniken Hamburg GmbH in Höhe von 25,1 Prozent wird durch Vertreterinnen und Vertreter der Freien und Hansestadt Hamburg in Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat wahrgenommen. Die städtischen Vertreterinnen und Vertreter in Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat wirken im Rahmen ihrer jeweiligen Funktion auf die Patientensicherheit, den Abschluss von Tarifverträgen und die Begrenzung der Leiharbeit hin. Der Geschäftsführer des MVZ Mathey/Schofer ist Kaufmann. Aus dieser Position heraus darf er keinen Einfluss auf die medizinische Leistungserbringung nehmen. 5. Im August 2013 wurde der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz ein Rechtsgutachten für einen Patientenentschädigungs- und -härtefallfonds (PatEHF) vorgelegt. Wie ist der Stand der Umsetzung für Hamburg? Das von der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz vorgelegte Rechtsgutachten enthielt den Vorschlag eines Patientenentschädigungs- und Härtefallfonds (PatEHF) durch ein Bundesgesetz. Hamburg und Bayern haben im Bundesrat den Antrag gestellt, die Bundesregierung im Wege einer Entschließung aufzufordern, einen Gesetzentwurf auszuarbeiten, der die Einrichtung eines PatEHF als eine bundesunmittelbare Stiftung des öffentlichen Rechts vorsieht, die aus Haushaltsmitteln des Bundes finanziert wird (BR.-Drs. 665/16). Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung sieht vor, dass Vorschläge für einen Patientenentschädigungsfonds für Schäden in Härtefällen, bei denen die bestehenden Haftungsregelungen nicht greifen, geprüft werden. Einen PatEHF nur für Hamburg hält der Senat nicht für sinnvoll. 6. Wo bekommen Patienten/-innen, die unnötigen ambulanten Eingriffen unterzogen wurden, Hilfe, Beratung und Unterstützung? Bitte alle Organisationen beziehungsweise Institutionen mit Träger und Rechtsform aufführen . Die im Bereich der ambulanten Versorgung zur Verfügung stehenden Beschwerdestellen beziehungsweise Beratungsangebote können – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – der nachstehenden Tabelle entnommen werden. Beratungsstelle Träger Rechtsform Krankenkassen Krankenkassen Körperschaften des öffentlichen Rechts Patientenberatung der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg Kassenärztliche Vereinigung Hamburg Körperschaft des öffentlichen Rechts Abteilung Berufsordnung der Ärztekammer Hamburg Ärztekammer Hamburg Körperschaft des öffentlichen Rechts Gemeinsamer Patienten- Informationsservice der zahnärztlichen Körperschaften Zahnärztekammer Hamburg, Kassenzahnärztliche Vereinigung Körperschaften des öffentlichen Rechts Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12735 3 Beratungsstelle Träger Rechtsform Geschäftsstelle der Psychotherapeutenkammer Hamburg Psychotherapeutenkammer Hamburg Körperschaft des öffentlichen Rechts Schlichtungsstelle für Arzthaftungsfragen der norddeutschen Ärztekammern Ärztekammern der Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg- Vorpommern, Niedersachsen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen . Gesellschaft bürgerlichen Rechts Patienten-Initiative Patienten-Initiative eingetragener Verein UPD Beratungsstelle Hamburg Unabhängige Patientenberatung Deutschland UPD eingetragener Verein Patientenberatung der Verbraucherzentrale Hamburg Verbraucherzentrale Hamburg eingetragener Verein 7. Medienberichten zufolge gingen 2017 423 Anträge zu mutmaßlichen Behandlungsfehlern bei der Schlichtungsstelle der norddeutschen Ärztekammer ein. Insgesamt gab es 255 Antragsgegner unter den dazu befragten Ärzten/-innen. a. Wie beurteilt der Senat vor diesem Hintergrund eine Einrichtung einer behördlichen Beschwerdeannahmestelle für ambulante Behandlungsfehler? Vor dem Hintergrund der zu Frage 6. genannten Beschwerdestellen beziehungsweise Beratungsangebote sieht die zuständige Behörde keine Veranlassung für eine zusätzliche behördliche Beschwerdeannahmestelle für ambulante Behandlungsfehler. Beschwerden, die von Patientinnen und Patienten an sie herangetragen werden, geht die Gesundheitsbehörde nach. b. Weitere Organisationen wie zum Beispiel das Aktionsbündnis Patientensicherheit gehen von einer höheren Zahl von Behandlungsfehlern aus. Welche Erkenntnisse hat der Senat über das tatsächliche Ausmaß von Behandlungsfehlern in Hamburg? Die Schlichtungsstelle für Arzthaftungsfragen der norddeutschen Ärztekammern wird auf Antrag und nur im Bereich der außergerichtlichen Klärung von Arzthaftungsstreitigkeiten tätig. Sie erhält deshalb nur von einem Teil der vermuteten Behandlungsfehler Kenntnis. Das Ausmaß von Behandlungsfehlern lässt sich – weder bundesweit noch für Hamburg – seriös quantifizieren. 8. Welche Reaktionen von Patienten/-innen des Asklepios-MVZ in Stellingen gibt es? a. Hat der Senat Kenntnis über Patienten-Beschwerden? Falls ja, wie viele Beschwerden sind das und was ist der Beschwerdegrund ? b. Haben Patienten/-innen Schadensersatzansprüche wie zum Beispiel Schmerzensgeld an behandelnde Ärzte/-innen des MVZ von Asklepios in Stellingen gestellt? Falls ja, wie viele und in welcher Höhe? Hierzu liegen der zuständigen Behörde keine Erkenntnisse vor.