BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12829 21. Wahlperiode 30.04.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 24.04.18 und Antwort des Senats Betr.: Fast täglich neue Messerattacken – Mit welchen Maßnahmen will der Senat dem Einhalt gebieten? Ob der entsetzliche Messermord am Jungfernstieg, der Messerangriff am ZOB, in der U-Bahn-Station Horner Rennbahn oder auf St. Pauli am Wochenende – fast täglich berichten die Medien über neue gravierende Vorfälle , bei denen Opfer durch Messerangriffe schwer verletzt oder sogar getötet werden. Im Jahr 2007 erließ der damalige CDU-Senat auf Basis des Waffengesetzes die Verordnung über das Verbot des Führens von Waffen und gefährlichen Gegenständen, nach der innerhalb bestimmter konkret festgelegter Gebiete (rund um die Reeperbahn und den Hansaplatz) das Führen von Waffen und gefährlichen Gegenständen (Messer, Knüppel, Baseballschläger, Handschuhe mit harten Füllungen, Reizstoffsprühgeräte und Tierabwehrsprays) auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen grundsätzlich verboten ist. Verstöße können mit Geldbußen bis zu 10.000 Euro geahndet werden, zudem können verbotenerweise geführte Waffen und gefährliche Gegenstände eingezogen werden. Die Bevölkerung ist in Anbetracht der steigenden Zahl von Messerübergriffen sowie Medienberichten darüber, dass immer mehr junge Männer es als selbstverständlich erachten, Messer mit sich zu führen (zum Beispiel https://www.rbb-online.de/kontraste/archiv/kontraste-vom-05-04-2018/immermehr -messerattacken.html) zutiefst beunruhigt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Am Abend des 20. April 2018 wurde ein junger Mann im U-Bahnhof Horner Rennbahn von einem flüchtigen Unbekannten mit einem Messer schwer verletzt. a. Wie stellt sich der Sachverhalt nach derzeitigem Ermittlungsstand im Einzelnen dar? Um was für ein Messer handelte es sich bei der Tatwaffe? b. Welche Informationen liegen über Hintergründe beziehungsweise beziehungsweise Anlass der Tat vor? c. Konnte der mutmaßliche Täter zwischenzeitlich identifiziert beziehungsweise gefasst werden? i. Falls ja, welche Informationen liegen über ihn vor? Drucksache 21/12829 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 ii. Falls nein, wurden die Bilder aus der Überwachungskamera zwischenzeitlich gesichtet? Wurde eine Öffentlichkeitsfahndung beantragt? Zu den von der Polizei veröffentlichten Pressemitteilungen siehe https://www.presseportal.de/blaulicht/nr/6337. Die Polizei hat die Bilder der Überwachungskamera ausgewertet; eine Öffentlichkeitsfahndung wird derzeit geprüft. Die Ermittlungen zu diesem Sachverhalt dauern noch an. Vor dem Hintergrund der noch andauernden Ermittlungen sieht der Senat zur Vermeidung einer Gefährdung dieser Ermittlungen von weiterführenden Angaben zu möglichen Hintergründen der Tat ab. 2. In der Nacht zu Sonntag, dem 22. April 2018, kam es zum nächsten entsetzlichen Vorfall mit einem Messer: Rettungskräfte fanden gegen 1.30 Uhr in der Simon-von-Utrecht-Straße eine 26-jährige Kubanerin, die stark blutend zwischen zwei geparkten Autos am Straßenrand lag. Mittlerweile hat sich der mutmaßliche Täter gestellt. a. Wie stellt sich der Sachverhalt nach derzeitigem Ermittlungsstand im Einzelnen dar? Um was für ein Messer handelte es sich bei der Tatwaffe? b. Welche Informationen liegen über den mutmaßlichen Täter vor? c. Welche Informationen liegen über Hintergründe beziehungsweise Anlass der Tat vor? Die Geschädigte wurde am 22. April 2018 in der Simon-von-Utrecht Straße in Höhe der Hausnummer 15 kurz vor 2 Uhr mit einer vermutlich durch einen Sturz verursachten Kopfplatzwunde und einer Oberschenkelstichverletzung im Zustand akuter Lebensgefahr nach massivem Blutverlust aufgefunden und musste notärztliche und intensivmedizinisch behandelt werden. Das Tatwerkzeug ist bisher nicht aufgefunden worden. Zu den von der Polizei veröffentlichten Pressemitteilungen siehe https://www.presseportal.de/blaulicht/nr/6337. Gegen 17.30 Uhr hat sich nach ersten Presseveröffentlichungen ein 26-jähriger – in Hamburg wohnhaft gemeldeter – türkischer Staatsbürger in Begleitung eines Rechtsanwaltes am PK 15 gemeldet, zur Sache aber keine Angaben gemacht. Er wurde vorläufig festgenommen und dem Haftrichter zugeführt. Gegen ihn erging am 23. April 2018 Haftbefehl wegen des dringenden Tatverdachts der gefährlichen Körperverletzung . Aufgrund der noch andauernden Ermittlungen sieht der Senat von weiterführenden Angaben zu möglichen Hintergründen der Tat ab, um eine Gefährdung des Ermittlungserfolges zu vermeiden. 3. Wie hat sich die Anzahl der Ordnungswidrigkeiten gemäß § 4 der Verordnung über das Verbot des Führens von Waffen und gefährlichen Gegenständen seit dem Jahre 2011 jährlich entwickelt? § 4 der Verordnung über das Verbot des Führens von Waffen und gefährlichen Gegenständen verbietet nicht nur das Mitführen von Messern in den festgelegten Gebieten. Die nachfolgende Darstellung von festgestellten Verstößen beinhaltet daher alle von § 4 der Verordnung erfassten Gegenstände und ist in der folgenden Tabelle dargestellt : Jahr 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018* Anzahl 223 237 286 242 299 425 397 119 * Stichtag 25. April 2018 a. Wie viele Geldbußen wurden jährlich verhängt? Statistische Daten im Sinne der Fragestellung werden bei der Polizei nicht erhoben. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12829 3 Für die Beantwortung ist eine Sonderauswertung im Buchungsprogramm SAP der Stadt Hamburg durch die beim Justiziariat der Polizei zuständige Dienststelle für Waffen - und Jagdangelegenheiten (J 4) durchgeführt worden. Die in SAP dokumentierten verhängten Buß- beziehungsweise Verwarnungsgelder im Sinne der Fragestellung sind in der folgenden Tabelle dargestellt: Jahr 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018* Buß-/Verwarnungsgelder in Euro 2.943,50 3.728 6.309 9.911 53.583 57.062 45.238 15.963 * 1. Quartal 2018 b. Wie viele Waffen/gefährliche Gegenstände wurden jährlich eingezogen ? Statistische Daten im Sinne der Fragestellung werden bei der Polizei nicht erhoben. Für die Beantwortung wäre eine Durchsicht aller Akten erforderlich, da eine gesonderte Ablage nach Ordnungswidrigkeitenanzeigen nicht erfolgt. Die Auswertung von über zehntausend Vorgängen ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 4. Wie beurteilt die zuständige Behörde den Nutzen der Verordnung über das Verbot des Führens von Waffen und gefährlichen Gegenständen? Bitte konkret begründen. Die Einrichtung der aufgrund der speziellen Situation in diesen Gebieten begründeten Waffenverbotsgebiete in den Bereichen Hansaplatz und Reeperbahn als generalpräventives Mittel hat sich bewährt, da es der Polizei durch die auf Grundlage des § 4 Absatz 2 Satz 1 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG) ausgeweiteten polizeilichen Eingriffsbefugnisse im Vorfeld von Gewaltstraftaten Maßnahmen ermöglicht, die ein höheres Kontroll- und Entdeckungsrisiko für potenzielle Störer/Gewalttäter bedeuten. Die visuelle Darstellung der räumlich klar umgrenzten Waffenverbotsgebiete durch entsprechende Beschilderung erzielt aufgrund ihres in der Stadt herausgehobenen Charakters eine besondere Aufmerksamkeit und dadurch zusätzlich präventive Wirkung . Darüber hinaus müssen Personen, die innerhalb ausgewiesener Waffenverbotsgebiete mit dem Verbot unterliegenden Gegenständen angetroffen werden, mit empfindlichen Geldbußen rechnen. Mitgeführte verbotene Gegenstände unterliegen außerdem der Einziehung und werden von der Polizei beschlagnahmt. Die Sicherheit der Bürger wird innerhalb der Waffenverbotsgebiete somit erhöht. 5. Bestehen Pläne seitens der zuständigen Behörde zur Ausweitung der Gebiete, in denen ein Waffenführungsgebot gilt? Falls ja, welche? Falls nein, weshalb nicht? 6. Planen der Senat beziehungsweise die zuständigen Behörden konkrete Maßnahmen, um die Zahl der Angriffe mit Messern zu verringern? Falls ja, welche? Falls nein, weshalb halten Senat beziehungsweise zuständige Behörden es nicht für erforderlich, verstärkt gegen Straftaten mit Messern vorzugehen ? Die Polizei wertet kontinuierlich die Entwicklung der Sicherheitslage in der Stadt aus, um ihre Maßnahmen und Konzepte fortlaufend an die aktuelle Lage anzupassen. In diese Bewertungen werden auch Ereignisse wie der Einsatz von Messern einbezogen , entsprechend auch die Ereignisse der letzten Zeit. Die bisherigen Maßnahmen der Polizei sind darauf gerichtet, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in der Stadt zu gewährleisten, dies beinhaltet auch den Schutz vor dem Einsatz von Messern . Die fachlichen Bewertungen, inwieweit Anpassungen von Maßnahmen und Konzepten geeignet und erforderlich sind, sind noch nicht abgeschlossen. Drucksache 21/12829 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Einrichtung weiterer Waffenverbotsgebiete ist an konkrete Voraussetzungen gebunden, die für die konkret festzulegenden Gebiete nachgewiesen werden müssen, siehe § 42 Absatz 5 WaffG in Verbindung mit der Verordnung über das Verbot des Führens von Waffen und gefährlichen Gegenständen (Waffenverbotsverordnung). Dabei sind die bestehenden waffenrechtlichen Regelungen zu berücksichtigen, die das Mitführen von bestimmten Messern bereits generell untersagen. 7. Wird beim LKA eine Statistik über die Art der verwendeten Messer bei versuchten und vollendeten Tötungsdelikten geführt? Da die Art des verwendeten Messers für die tatbestandliche Bewertung eines Tötungsdeliktes keine Relevanz hat, werden entsprechende Statistiken nicht geführt. a. Falls ja, wie hat sich die Anzahl der Fälle, unterteilt nach Messerarten , seit dem Jahre 2011 jährlich entwickelt? Entfällt. b. Falls nein, seit wann werden diese Daten statistisch nicht mehr erfasst? Entsprechende Statistiken wurden im LKA auch in der Vergangenheit nicht geführt. 8. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat beziehungsweise den zuständigen Behörden darüber vor, ob es seit 2015 zu einer Steigerung von tätlichen Auseinandersetzungen unter Einsatz von Messern gibt? Nach den Erfahrungen der Polizei werden Messer und andere Stichwaffen überwiegend bei der Begehung von schweren Rauben, gefährlichen und schweren Körperverletzungen sowie Bedrohungen als Tatmittel verwendet. Diese Delikte weisen derzeit in der Polizeilichen Kriminalstatistik rückläufige Fallzahlen auf. Im Übrigen siehe Antwort zu 7. 9. Welche Präventionsmaßnahmen/Anti-Gewalt-Trainings werden jeweils für welche Zielgruppen angeboten? Nach den Erkenntnissen der Polizei wird das Tatmittel Messer häufig situativ eingesetzt , sodass konkrete Handlungsempfehlungen aufgrund der Vielfalt der möglichen Situationen weder umfassend dargestellt noch nachhaltig vermittelt werden können. Von den im Nebenamt im Präventionsprogramm „Kinder- und Jugenddelinquenz“ tätigen Polizeibeamten wird für die Zielgruppe Schüler in der Klassenstufe 7 im Rahmen des Themas „Gewalt“ die Problematik des Besitzes und Gebrauchs von Waffen im Allgemeinen und Messern im Besonderen besprochen. Hierbei werden die rechtlichen Rahmenbedingungen und die generellen Auswirkungen des Einsatzes von Waffen mit den Schülern ausführlich erörtert. Darüber hinaus stehen die an den Schulen tätigen Cop4U ebenfalls als Ansprechpartner zur Verfügung. Grundsätzlich wird im Rahmen von Präventionsveranstaltungen, zum Beispiel im Bereich „Zivilcourage“, auf die mit dem Führen von Waffen – auch zum Zwecke einer vermeintlichen Verteidigung – verbundene Gefahr der Eigen- und Fremdgefährdung und die Gefahr der Eskalation hingewiesen. Vor diesem Hintergrund wird die Bedeutung des eigenen Verhaltens in den Vordergrund gestellt. Im Übrigen siehe Drs. 21/11859. Die in dieser Drucksache angekündigte Ausschreibung für eine neue Beratungsstelle für gewalttätige Personen ist mittlerweile veröffentlicht (siehe http://www.hamburg.de/basfi/ausschreibungen/).