BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12844 21. Wahlperiode 04.05.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dirk Nockemann und Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 27.04.18 und Antwort des Senats Betr.: Unzulässige Wohnungsdurchsuchung nach dem Doppelmord vom Jungfernstieg? Am 14. April 2018 waren am Jungfernstieg ein einjähriges Baby und seine Mutter von dem nigrischen Vater des Babys ermordet worden. In der Presse war von Anfang an berichtet worden, dass der Täter für seine Tat ein Messer verwendet hatte. Nähere, bislang nicht durch die Innenbehörde benannte Details über die Tat sind nun an die Öffentlichkeit gedrungen, infolge eines Handyvideos eines Gospelsängers aus Ghana, welches ein Hamburger Blogger von der Facebook -Seite des Gospelsängers auf seinen YouTube-Kanal übertragen hatte. XXXXXXXX XXXXXXXX XXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXX XXXXXX XXXXXX XXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXX XXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXXX. In dem Video hört man, wie eine Frau weint, sieht Polizisten, die Zeugen befragen, und erkennt, dass eine Frau in einer Blutlache liegt. Man kann aber die Opfer nicht erkennen, insbesondere ist keine Nah- oder Gesichtsaufnahme sichtbar. XXXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX. Die Veröffentlichung dieses Videos auf der eigenen Facebook-Seite und die Übertragung auf den YouTube-Kanal sollen zu einem Ermittlungsverfahren gegen den Gospelsänger und den Blogger geführt haben, weil der Verdacht einer Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches der ermordeten Frau durch Bildaufnahmen (§ 201a StGB) vorgelegen hätte. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens soll die Durchsuchung der Wohnungen des Bloggers und des Gospelsängers gemäß §§ 102, 105 StPO angeordnet worden sein. XXXXXXXXX XXXXXXXXXXXXXX XXXXXX XXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXX XXXXXXX XXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXX XXX. Die Legalität der Wohnungsdurchsuchung erscheint auf den ersten Blick äußerst fraglich: Tatsächlich ist auf dem vom Gospelsänger angefertigten Video die Frau, die sich im Sinne des § 201a Absatz 1 Nummer 2 StGB in einer hilflosen Lage befand, nicht ansatzweise erkennbar. Erkennbar ist lediglich, dass sich auf dem Bahnsteig eine Blutlache befindet und eine Person dort liegt, von der man lediglich die Füße sieht und auch das nur kurz. Weder ein Gesicht noch Verletzungen sind sichtbar. Darüber hinaus heißt es in Absatz 4 des § 201a StGB: „Absatz 1 Nummer 2, auch in Verbindung mit Drucksache 21/12844 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Absatz 1 Nummer 3 oder Nummer 4, Absatz 2 und 3 gelten nicht für Handlungen , die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen , namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen.“ Insoweit ist sehr zweifelhaft, ob eine Verletzung des § 201a StGB überhaupt vorgelegen haben könnte. Aber auch wenn man diesen Verdacht bejaht, müssen Voraussetzungen erfüllt sein, die eine Wohnungsdurchsuchung rechtfertigen. Der Blogger soll gegenüber dem anwesenden Staatsanwalt von vornherein zugestanden haben, dass er selbst das Video auf seinem YouTube-Kanal veröffentlicht hätte, eben weil auch aus seiner Sicht die Verwirklichung einer Straftat abwegig erschien. Welche Beweismittel hätten nun noch gesichert werden sollen, nachdem er den einer möglichen Straftat zugrundeliegenden Sachverhalt bereits vollständig eingeräumt hatte? Weiter könnte der der vermuteten Straftat zugrundeliegende – eingeräumte – Sachverhalt (Kopieren eines Facebook-Videos nach YouTube) aufgrund seiner technischen Einfachheit in jedem Internetcafé oder an jedem Hotspot erfolgt sein. Dies soll die Polizisten und den Staatsanwalt aber nicht davon abgehalten haben, sich gewaltsam Zugang zur Wohnung zu verschaffen. Sollten die geschilderten Tatsachen zutreffen, könnte man sich fragen, ob die Justiz hier recht- und verhältnismäßig gehandelt hat. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Ist das erwähnte Video des ghanaischen Gospelsängers nach Einschätzung des Senats authentisch? Damit hat sich der Senat nicht befasst. 2. Trifft es zu, dass besagtes Ermittlungsverfahren eingeleitet, die Durchsuchung der Wohnung des Bloggers angeordnet und durchgeführt worden ist? Ja. 3. Wenn ja, wie stellte sich aus der Sicht der Staatsanwaltschaft die Durchsuchung bei dem Blogger dar? Weshalb hielt sie an der Durchsuchung fest, nachdem dieser bereits den zu ermittelnden Sachverhalt in Gänze eingeräumt hatte? Welche Überlegungen hat es insbesondere zur Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung gegeben, unter Berücksichtigung des gewaltsamen Eindringens in die Wohnung? 4. Weswegen begnügte sich die Staatanwaltschaft nicht damit, entsprechende Dinge (Computer) an der Haustür ausgehändigt zu bekommen? Nachdem der Beschuldigte am 27. April 2018 den Einsatzkräften ab 06.30 Uhr trotz wiederholten Klingelns und lautstarken Klopfens seine Wohnungstür nicht geöffnet hatte, erfolgte die Öffnung der Tür kurz nach 07.20 Uhr durch den Mitarbeiter eines Schlüsseldienstes. Dem in der Wohnung wartenden Beschuldigten wurde der Tatvorwurf eröffnet und der Durchsuchungsbeschluss überreicht. Seine Rechte als Beschuldigter wurden ihm erläutert. Er räumte den Tatvorwurf ein, machte aber deutlich, ein protokolliertes Geständnis nicht unterschreiben zu wollen. Der Beschuldigte händigte den Einsatzkräften ein sogenanntes Phablet mit dem Hinweis aus, dass er mit diesem Gerät den Film auf YouTube hochgeladen habe. Neben dem Phablet wurden im Rahmen der Durchsuchung eine Kamera und ein PC des Beschuldigten zur Durchsicht nach § 110 StPO mitgenommen. Die Ermittlungsbehörden vermeiden alles, was zu einer nicht durch den Zweck des Ermittlungsverfahrens bedingten Bloßstellung des Beschuldigten führen kann (Nummer 4a Satz 1 RiStBV). Die mit der Vollstreckung eines Durchsuchungsbeschlusses Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12844 3 verbundenen Erklärungen und Belehrungen werden daher regelmäßig nicht im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses vorgenommen. 5. Weswegen sollten überhaupt Beweismittel gefunden werden, für einen Sachverhalt, den der Verdächtige von vornherein vollständig einräumte? Die Datenträger des Beschuldigten wurden zur Auswertung mitgenommen, weil es sich um mögliche Beweismittel handelt und die Staatsanwaltschaft zur Erforschung des Sachverhaltes verpflichtet ist. Im Übrigen lässt sich nicht ausreichend verlässlich einschätzen, ob der Beschuldigte seine anfänglich geständigen Angaben im weiteren Verlauf des Strafverfahrens aufrechterhalten wird, zudem unterliegt ein für die Tatausführung benutzter Datenträger gemäß § 74 Absatz 1 StGB grundsätzlich der Einziehung . 6. Wer ist für die Beantragung und Durchführung der Durchsuchung aufseiten der Staatsanwaltschaft verantwortlich gewesen? Der für das Verfahren zuständige Dezernent der Staatsanwaltschaft Hamburg hat die Entscheidung in Abstimmung mit seinen Dienstvorgesetzten getroffen. 7. Welche Überlegungen veranlassten die Staatsanwaltschaft, die Durchsuchung zu beantragen? Weswegen ging sie nach Ansicht des in Rede stehenden Videos davon aus, dass der Verdacht der Verwirklichung einer Straftat gemäß § 201a StGB vorliegt? Bitte gehen Sie ausdrücklich auch auf die zitierte Vorschrift (Absatz 4 des § 201a StGB) ein. Aufgrund des Inhalts des Filmes und der Hinweise, dass der Beschuldigte diesen auf der Internetplattform YouTube hochgeladen hatte, bestand der für den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses erforderliche Tatverdacht. Ein überwiegend berechtigtes Interesse des Beschuldigten an der Verbreitung des Filmes nach § 201a Absatz 4 StGB, der die letztlich vergeblich um ihr Leben ringende Frau in einer besonders entwürdigenden Art und Weise zeigt, ist nicht ersichtlich. 8. Welche Überlegungen veranlassten die Richterin, die beantragte Durchsuchung zu beschließen? Hatte sie insbesondere das in Rede stehende Video gesehen, um auf dieser Basis zu beurteilen, ob der Verdacht der Verwirklichung einer Straftat tatsächlich vorliegt? Der Senat hat sich mit Blick auf die richterliche Unabhängigkeit gemäß Artikel 97 GG hiermit nicht befasst. 9. Welche Verletzungen hat der mutmaßliche Mörder Mourtala M. dem Kleinkind zugefügt? XXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXX XXXXXX XX XXXXXXXXX? Das Kind hat eine Hals-, eine Bauch- sowie eine Handverletzung durch scharfe Gewalt erlitten. 10. Weswegen sollte aus Sicht der Behörden nicht detailliert über die Einzelheiten des Doppelmordes berichtet werden? Es ist nicht Aufgabe des Senats, Umfang und Inhalt von Berichterstattungen zu bewerten. Nach § 353d Nummer 3 StGB macht sich jedoch strafbar, wer amtliche Dokumente eines Strafverfahrens ganz oder in wesentlichen Teilen im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.