BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12878 21. Wahlperiode 08.05.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Boeddinghaus (DIE LINKE) vom 30.04.18 und Antwort des Senats Betr.: Respektieren Senat und Schulbehörde (BSB) die Autonomierechte der Hamburger Schulen? Im Rahmen der DialogP-Reihe war auch an der Staatlichen Gewerbeschule für Bautechnik am 26. April 2018 eine Diskussionsveranstaltung mit Abgeordneten aller in der Hamburgischen Bürgerschaft vertretenen Fraktionen geplant. Im Vorfeld dieses Termins erteilte die Schule der Teilnahme eines AfD- Abgeordneten eine Absage mit folgender Erklärung: „Auf der gestrigen Lehrerkonferenz hat das Kollegium der Staatlichen Gewerbeschule Bautechnik (BS 08) mehrheitlich beschlossen, diese Veranstaltung in unserem Hause nur stattfinden zu lassen, wenn kein Vertreter der AFD eingeladen wird. Die AfD akzeptiert nachweislich einen antidemokratischen und rassistischen Flügel innerhalb ihrer Partei (www.aufstehen-gegenrassismus .de/quellen). Genau an dieser Stelle ist aus unserer Sicht Neutralität gegenüber Pluralismus nicht möglich, weil eine antidemokratische und rassistische Gesinnung unserem Bildungsauftrag, unserem Leitbild als Schule und dem Fundament unserer Gesellschaft widerspricht.“ Vor die Wahl gestellt, entweder Abgeordnete aller Fraktionen teilnehmen zu lassen, oder die Veranstaltung gänzlich abzusagen, entschied sich die Schule für eine Absage. Daraufhin intervenierte die zuständige Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) mit dem Ergebnis, dass die Diskussionsrunde nun doch stattfand. Ich frage den Senat: Bei der DialogP-Reihe handelt es sich um eine Dialogveranstaltung, in deren Rahmen Abgeordnete aller in der Hamburgischen Bürgerschaft vertretenen Parteien den Schulunterricht besuchen und mit Schülergruppen in die Diskussion treten (siehe https://www.hamburgische-buergerschaft.de/dialog-p/). Neutralität gegenüber allen nicht durch das Bundesverfassungsgericht verbotenen Parteien ist ein Wesensmerkmal aller Verwaltungsarbeit im demokratischen Rechtsstaat . Junge Menschen können nur dann ein selbständiges und an der Erkenntnis der eigenen Interessen und der tatsächlichen gesellschaftlichen Verhältnisse orientiertes Urteil in wichtigen politischen Fragen finden, wenn sie sich mit der ganzen Bandbreite des Parteiensystems auseinandersetzen. Dementsprechend sieht die geltende und zuletzt im Juni 2017 den Schulen erläuterte Dienstanweisung (Geschäftsordnungsbe- Drucksache 21/12878 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 stimmung 14 der Behörde für Bildung und Sport (SchulRHH Ziffer 5.11.2)) vor, dass bei schulischen Veranstaltungen mit Repräsentanten politischer Parteien stets allen in der Bürgerschaft vertretenen Parteien Gelegenheit zur Teilnahme gegeben werden muss. Nach Artikel 7 Grundgesetz steht das Schulwesen unter staatlicher Aufsicht. Diese Aufsicht wird durch die zuständige Behörde gewährleistet. § 85 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG) erlaubt der zuständigen Behörde, rechtswidrige Zustände an einer Schule jederzeit durch dienstliche Weisung zu korrigieren. Für solche Weisungen bestehen keine Formvorschriften, sie können mündlich, fernmündlich oder schriftlich ergehen. Im Übrigen haben alle staatlichen Schulen den Rahmen der allgemeinen Gesetze zu beachten. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie genau sah die Intervention der zuständigen Behörde in dem oben beschriebenen Vorgang aus? (Bitte im Einzelnen erläutern.) Die zuständige Behörde hatte Kenntnis darüber erlangt, dass die Schulleitung der Staatlichen Gewerbeschule für Bautechnik (BS 08) einen Beschluss der Lehrerkonferenz vom 25.04.2018 umsetzen wollte, der rechtswidrig war, indem er darauf abzielte, eine bereits geplante Veranstaltung mit Vertretern aller in der Bürgerschaft vertretenen Parteien nur zuzulassen, wenn die AfD nicht teilnehmen dürfte. Die Schulleitung beabsichtigte, die Veranstaltung auf der Grundlage eines Beschlusses der Lehrerkonferenz abzusagen. Die zuständige Behörde erteilte der Schulleitung der BS 08 daraufhin telefonisch die dienstliche Weisung, die Veranstaltung durchführen zu lassen . 2. Geschah das Veto der zuständigen Behörde in Form einer Dienstanweisung ? Wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage und mit welcher sachlichen Begründung? (Bitte genau darlegen und Rechtsgrundlage als Datei anfügen.) 3. Wenn das in Frage 3. erwähnte Veto der zuständigen Behörde nicht in Form einer Dienstanweisung erfolgt sein sollte, in welcher sonstigen Form erfolgte das Einschreiten der zuständigen Behörde dann, etwa per Telefonat/per Brief? Von wem an wen genau? (Bitte entsprechend dokumentieren und rechtlich begründen sowie betreffende Rechtsgrundlage als Datei anfügen.) Siehe Vorbemerkung und Antwort zu 1. 4. Im Rahmen der selbstverantworten/selbstverwalteten Schule ist der einzelnen Schule ein hohes Maß an eigener Schulautonomie zugesprochen und zugebilligt worden. Die zuständige Behörde beruft sich in fast allen schulischen Belangen stets auf diese Eigenverantwortung der Hamburger Schulstandorte. Wie ist es vor diesem Hintergrund zu erklären, dass ein Lehrerkonferenzbeschluss durch Einspruch der zuständigen Behörde als null und nichtig erklärt werden kann? (Bitte sachlich, fachlich und juristisch erläutern sowie betreffende Rechtsgrundlage als Datei anfügen .) 5. Die Paragrafen 1 und 2 des Hamburgischen Schulgesetzes (HmbSG, § 1 Recht auf schulische Bildung und § 2 Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule, hier: http://www.hamburg.de/contentblob/1995414/ 1cfc294a96f6c576aa557e75adfac732/data/schulgesetzdownload.pdf;jse ssionid=C804EB4732E0FC9C44A17C22B6660D1F.liveWorker2) geben den Schulen einen rechtlichen Rahmen, der es ihnen ermöglicht, eigene autonome Regeln zur Organisation und Ausgestaltung des Schullebens entsprechend festzulegen. Wie rechtfertigt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde ihr „Korrigieren“ des von der Lehrerkonferenz gefällten Beschlusses? (Bitte rechtlich argumentieren und betreffende Rechtsgrundlage der korrektiven behördenseitigen Intervention als Datei anfügen.) Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12878 3 Der Beschluss der Lehrerkonferenz war rechtswidrig. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Antwort zu 1.