BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12956 21. Wahlperiode 15.05.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein und Ewald Aukes (FDP) vom 07.05.18 und Antwort des Senats Betr.: Fall einer Vergewaltigung in St. Georg Nach Presseberichten war der wegen einer Vergewaltigung in St. Georg festgenommene Mann bereits seit 1995 Insasse des offenen Maßregelvollzugs . Seit drei Jahren habe der Mann im offenen Vollzug gelebt. Immer wieder hatte er Freigang erhalten und im Rahmen des letzten soll er in St. Georg eine Vergewaltigung begangen haben. Nunmehr ist er in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen worden. Mehrfach sei gegen ihn in Zusammenhang mit Vergewaltigung und Tötungsdelikten in den vergangenen Jahren ermittelt worden. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die Person ist seit 1995 aufgrund gerichtlicher Anordnung nach § 63 StGB in der Hamburger Maßregelvollzugseinrichtung untergebracht. Der Anordnung liegen zwei Verurteilungen aus den Jahren 1995 (Landgericht Hamburg wegen Totschlags) und 1998 (Landgericht Kiel wegen einer Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung , Tatzeit: Oktober 1994) zugrunde. Die Gesamtfreiheitsstrafe wurde auf 14 Jahre festgelegt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Informationen der Asklepios Klinik Nord wie folgt: 1. Wegen welcher Strafdelikte wurde gegen den Festgenommenen bisher ermittelt (bitte nach Jahr und Delikt darstellen)? Im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und die gesetzlichen Wertungen des Bundeszentralregistergesetzes sieht der Senat davon ab, etwaige Ermittlungsverfahren mitzuteilen, die durch einen Freispruch oder eine Einstellung beendet worden sind. Dasselbe gilt für Ermittlungsverfahren, die zu einem Abschluss geführt haben, der entweder nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen oder nach den Tilgungsvorschriften des Bundeszentralregistergesetzes nicht mehr zu berücksichtigen ist. Die Auskünfte des Bundeszentralregisters vom 30. April 2018 enthalten folgende Eintragungen: - Urteil des AG Hann. Münden vom 13. März 1984 wegen versuchter Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten mit Bewährung; - Urteil des LG Lübeck vom 22. Dezember 1986 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, Raub, Freiheitsberaubung und versuchter Vergewaltigung unter Einbeziehung des vorgenannten Urteils zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren; In den Urteilen aus den Jahren 1986, 1995 und 1998 (siehe auch Vorbemerkung) wurde die Unterbringung in einem Psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Drucksache 21/12956 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Seit wann genau und für welchen Zeitraum hat er seinen letzten Freigang erhalten? In Abstimmung mit der zuständigen Vollstreckungsbehörde (Staatsanwaltschaft Kiel) waren ab April 2013 regelmäßige begleitete Ausgänge und ab Oktober 2015 unbegleitete Ausgänge genehmigt worden. Im März 2018 ist der Patient in Übereinstimmung mit der Gutachtenempfehlung des von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hamburg beauftragten externen Sachverständigen aus dem Januar 2018 in den offenen Rehabilitationsbereich der Maßregelvollzugseinrichtung verlegt worden. Der Patient hatte zuletzt regelmäßige Ausgänge im Rahmen der beruflichen Rehabilitation , zu familiären und sozialen Kontakten und zur Freizeitgestaltung. Der letzte unbegleitete Ausgang erfolgte am 27. April 2018. 3. Welche zuständige Stelle hat den Freigang aus welchen Gründen genehmigt? Nach § 5 HmbMVollzG wird die Vollzugseinrichtung von einer Ärztin beziehungsweise einem Arzt geleitet, die beziehungsweise der die Verantwortung für die Durchführung des Maßregelvollzugs im Bereich dieser Einrichtung trägt. Der Leiterin beziehungsweise dem Leiter der Vollzugseinrichtung sind unter anderem Entscheidungen über Vollzugslockerungen, Verlegung in den offenen Vollzug und Urlaub (§§ 23 bis 25 HmbMVollzG) vorbehalten. Gemäß § 26 HmbPsychKG ist die zuständige Vollstreckungsbehörde (Staatsanwaltschaft) zu beteiligen. § 23 HmbMVollzG bestimmt, dass das Maß des Freiheitsentzugs sich nach der psychischen Erkrankung der untergebrachten Person und den Gefährdungen der Allgemeinheit , die von der untergebrachten Person ausgehen können, richtet. Der Vollzug der Maßregel soll gelockert werden, sobald zu erwarten ist, dass dadurch die Ziele des Maßregelvollzugs gefördert werden und nach allen aus der bisherigen Behandlung gewonnenen Erkenntnissen davon auszugehen ist, dass die untergebrachte Person die ihr eingeräumten Möglichkeiten nicht missbrauchen, insbesondere die Allgemeinheit nicht durch rechtswidrige Taten gefährden wird. Regelmäßige begleitete Ausgänge wurden ab April 2013 nach Zustimmung durch den forensisch erfahrenen Chefarzt der IV. Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll sowie den Leiter der Maßregelvollzugseinrichtung gewährt. Unbegleitete Ausgänge begannen im November 2015 nach externer sachverständiger Untersuchung und Befürwortung und Zustimmung durch den Ärztlichen Direktor Psychiatrie der Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll sowie den Leiter der Maßregelvollzugseinrichtung , unter Beteiligung der zuständigen Staatsanwaltschaft. 4. Zeigten sich Auffälligkeiten in dem Verhalten des festgenommenen Mannes? Wenn ja, seit wann und durch wen wurden diese dokumentiert? Nein. 5. Welche Gespräche haben zu dem Fall des festgenommenen Mannes mit wem stattgefunden (bitte nach Zeitpunkten und Teilnehmern der zuständigen Stellen des Senats darstellen)? Das im Landeskriminalamt zuständige Fachkommissariat Sexualdelikte (LKA 42) hat mit Bekanntwerden der Personalie des Beschuldigten die Staatsanwaltschaft Hamburg umfassend über den Sachstand informiert und die weiteren Ermittlungsschritte abgestimmt. Wie vorgeschrieben hat die Maßregelvollzugseinrichtung die für die Aufsicht über den Maßregelvollzug zuständige Behörde am Abend des 27. April 2018 telefonisch über das Besondere Vorkommnis informiert. Seitdem sind anlassbezogen Gespräche zwischen Maßregelvollzugseinrichtung und Aufsichtsbehörde geführt worden. Zudem haben Gespräche zwischen den ermittelnden Behörden und der Maßregelvollzugseinrichtung stattgefunden. 6. Inwieweit wurden Therapien für den Mann angeordnet und wer hat dann welche Ergebnisse dokumentiert? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12956 3 Die Anordnung zur Unterbringung nach § 63 StGB erfolgt durch das zuständige Gericht. Entscheidungen über den Therapieverlauf trifft die ärztliche Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung nach den Maßgaben der §§ 2, 5 und 6, 9 bis 13 HmbM- VollzG, die gemäß § 7 HmbMVollzG zu dokumentieren sind. 7. Wie ist der aktuelle Stand der Umstände des Hergangs nach den bisherigen Erkenntnissen des Senats und der Ermittlungen? Der Senat sieht davon ab, im laufenden Ermittlungsverfahren Einzelheiten zur Sache mitzuteilen, die über den Inhalt der Presseerklärung vom 30. April 2018 (siehe https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/6337/3931019) hinausgehen, zumal hierdurch der Ermittlungserfolg gefährdet wäre. 8. Welche Konsequenzen zieht der Senat aus dem Fall beziehungsweise welche Maßnahmen werden nun auf den Weg gebracht? Die Maßregelvollzugseinrichtung nimmt im Rahmen der Qualitätssicherung eine Analyse des Therapieverlaufs und des Risikomanagements vor. Diese Aufarbeitung und die polizeilichen Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, sodass deren Ergebnisse noch ausstehen. 9. Wie viele und welche vergleichbaren Fälle hat es in den Jahren 2011 bis 2018 in Hamburg gegeben (bitte Angaben nach Jahren und nach den Straftaten)? Vergleichbare Fälle sind nicht bekannt. Statistiken im Sinne der Fragestellung werden bei der Polizei nicht geführt. In der Polizeilichen Kriminalstatistik werden bei der Erfassung von Tatverdächtigen die Merkmale „psychisch krank“ und „Freigänger“ nicht erhoben. Zur Beantwortung der Frage wäre eine manuelle Durchsicht sämtlicher Hand- und Ermittlungsakten des erfragten Zeitraums bei der Kriminalpolizei erforderlich. Eine Auswertung mehrerer Hunderttausend Vorgänge ist in der für die Beantwortung Parlamentarischer Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.