BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12981 21. Wahlperiode 15.05.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Jens Wolf (CDU) vom 08.05.18 und Antwort des Senats Betr.: Verwahrlosung von Wohnungen in den Bezirken Immer wieder werden Fälle von Vermüllung und Verwahrlosung von Wohnraum bekannt. Die betroffenen Menschen haben oftmals durch Krankheiten oder Drogenmissbrauch nicht mehr die Kraft, elementare Regeln der Haushaltsführung einzuhalten. Teilweise wird in diesen Fällen auch das Kindeswohl massiv gefährdet. Vermüllung und Verwahrlosung verstoßen zudem häufig gegen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme, wenn andere Hausbewohner beispielsweise durch Geruchsbelästigung in ihrer eigenen Wohnungsnutzung stark eingeschränkt werden. Der Staat kann seiner Pflicht zum Einschreiten oftmals nur unzureichend nachkommen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat (mit der Bitte, die Antworten jeweils nach Bezirken und Jahren aufzugliedern): 1. Wie viele Fälle der Verwahrlosung beziehungsweise Vermüllung von Wohnraum sind in den Jahren 2015, 2016, 2017 und bislang im Jahr 2018 jeweils in den unterschiedlichen Bezirken bekannt geworden? Jahr Bezirk 2015 2016 2017 2018 bislang Hamburg- Mitte 64 55 70 17 Altona 0 11 16 2 Eimsbüttel 0 8 16 12 Hamburg- Nord 25 22 25 7 Wandsbek 12 3 1 1 Bergedorf 1 3 4 0 Harburg 7 7 18 6 Gesamt 109 Wohneinheiten 109 Wohneinheiten 150 Wohneinheiten 45 Wohneinheiten Der Sozialpsychiatrische Dienst des Gesundheitsamts erhält regelmäßig Meldungen über vermüllte Wohnungen durch die Polizei, besorgte Anwohnerinnen und Anwohner sowie die Hausverwaltungen. Auch wird er in einigen Fällen bei verhaltensbedingten Wohnungsräumungen durch die Gerichtsvollzieher miteinbezogen. Dies betrifft unter anderem psychisch Kranke, Suchtkranke und auch ältere Menschen. Auch bei Anfragen zu potenziellen Kindeswohlgefährdungen spielen teilweise auch Vermüllung oder Verwahrlosung der Wohnungen eine Rolle. 2. In wie vielen Fällen handelte es sich jeweils um Haushalte mit Kindern und welche Maßnahmen wurden jeweils ergriffen, um das Kindeswohl sicherzustellen? Drucksache 21/12981 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Jahr Bezirk 2015 2016 2017 2018 bislang Hamburg- Mitte -* -* -* -* Altona 0 0 0 0 Eimsbüttel -* -* -* -* Hamburg- Nord -* -* -* -* Wandsbek 0 0 0 0 Bergedorf 0 0 0 0 Harburg 0 1 0 0 *) Die erforderlichen Daten werden nicht gesondert erfasst und können nicht ermittelt werden. In solchen Fällen benachrichtigen die Wohnraumschutzdienststellen der Bezirksämter sofort das Jugendamt, gegebenenfalls auch den Kinder- und Jugendnotdienst. Die Fachkräfte der Jugendhilfe prüfen, ob ein gewichtiger Anhaltspunkt für eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) nimmt eine aktuelle Gefährdungseinschätzung nach den Standards des § 8a SGB VIII vor. Je nach Ergebnis der Einschätzung und Möglichkeit werden gemeinsam mit der Familie Unterstützungs - und Schutzmaßnahmen ergriffen, beispielsweise ein Haushaltskonsolidierungstraining (HKT) absolviert und eine entsprechende Schutzvereinbarung mit den Personensorgeberechtigten getroffen. Gegebenenfalls wird das Familiengericht eingeschaltet . Es werden entsprechende Maßnahmen zum Kinderschutz ergriffen, beispielsweise kann die gesamte Familie den Aufenthaltsort wechseln. Wenn eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, die mit anderen Maßnahmen nicht abgewendet werden kann, und die Personensorgeberechtigten nicht mitwirken, ergreift das Jugendamt Schutzmaßnahmen, bringt die Kinder beispielsweise vorübergehend oder langfristig ohne ihre Eltern in einer Maßnahme der Hilfe zur Erziehung unter (Inobhutnahme). 3. In wie vielen Fällen handelte es sich jeweils um Wohnungen von Senioren ? 4. In wie vielen Fällen lag jeweils bekannter Missbrauch von Alkohol oder anderen Drogen vor? Darüber liegen in den zuständigen Bezirksämtern keine statistischen Daten vor. Hierzu wäre eine gesonderte Einzelauswertung einer unbekannten Anzahl aller infrage kommenden Akten erforderlich, die in der für eine Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehender Zeit nicht leistbar ist. 5. Wie viele Wohnungen mussten jeweils geräumt werden a) aufgrund von Zwangsräumung? b) aufgrund von polizeibehördlicher Anordnung der Verwaltung? c) aufgrund freiwilligen Auszugs nach Einwirkung durch die Mitarbeiter des Sozialamtes? In Fällen von Verwahrlosung wird durch die Wohnraumschutzdienststellen regelmäßig keine Räumung der Bewohnerinnen und Bewohner durchgeführt, sondern die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustands der Wohnung veranlasst. Der Grund einer Räumung wird durch das Amtsgericht statistisch nicht erfasst. Daher wäre eine händische Auswertung der Verfahrensakten nötig. Eine händische Auswertung ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich, da es allein im Jahr 2017 insgesamt 1.223 durchgeführte Räumungen gab. Die Polizei wird bei Zwangsräumungen im Sinne der Fragestellungen nur tätig, wenn sie von den zuständigen Stellen um Amtshilfe gebeten wird. Statistiken hierzu werden bei der Polizei nicht geführt. Zur Benennung der Anzahl der von der Polizei unterstützen Zwangsräumungen wäre eine Durchsicht aller Hand- und Ermittlungsakten des erfragten Zeitraums bei der Polizei erforderlich. Die Auswertung von mehreren Hun- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12981 3 derttausend Akten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Jahr 2017 wurde im Bezirk Wandsbek eine Wohnung nach Bekanntwerden einer Verwahrlosung durch den Vermieter geräumt. Im Übrigen wurden Anordnungen nach § 8 HmbWoSchG (Benutzung) in dem nachfolgend genannten Umfang erteilt, genannt ist jeweils die Anzahl der betroffenen Wohneinheiten: Jahr Bezirk 2015 2016 2017 2018 bislang Hamburg-Mitte 5 0 2 1 Altona 0 4 9 0 Eimsbüttel 0 0 1 0 Hamburg-Nord 6* 7 0 0 Wandsbek 0 0 1 0 Bergedorf Keine Angabe 2 0 0 Harburg 2 3 1 1 Gesamt 13 16 14 2 *) Die Wohnraumschutzbilanz 2015 ist insoweit zu korrigieren. 6. Handelte es sich bei den geräumten Wohnungen um solche im sozialen oder im freien Wohnungsbau? Im Bezirk Hamburg-Mitte betreffen die in der Antwort zu 5. genannten Anordnungen frei finanzierten Wohnraum. Im Übrigen ist dies den zuständigen Bezirksämtern nicht bekannt. 7. In wie vielen Fällen konnten die Bewohner jeweils nach der Räumung dort wieder einziehen? Sind die Kinder jeweils wieder mit eingezogen? In dem in der Antwort zu 5. genannten Fall erfolgte keine Rückkehr in die Wohnung. Im Übrigen siehe Antwort zu 5. Die Aufgaben der Wohnraumschutzdienststellen enden mit der Wiederherstellung ordnungsgemäßer Zustände. Die weitere Wohnnutzung wird zivilrechtlich zwischen Mieter und Vermieter geklärt. Aus der Praxis des Jugendamtes sind Fälle bekannt, in denen die Kinder mit ihren Eltern wieder in die Wohnungen zurückziehen konnten, in denen eine andere dauerhafte Wohnsituation gefunden werden konnte und in denen Kinder in einer Unterbringung ohne die Eltern verblieben sind. 8. In wie vielen Fällen war der (verwahrloste) Zustand der Wohnungen jeweils dem Bezirksamt bereits vor der Räumung bekannt? Die Wohnraumschutzdienststellen nehmen schnellstmöglich nach Bekanntwerden eines möglichen Verstoßes gegen das Hamburger Wohnraumschutzgesetz (Hmb- WoSchG) eine Ortsbesichtigung vor und ergreifen unmittelbar danach die erforderlichen Maßnahmen. In Einzelfällen, zum Beispiel bei einer Ursächlichkeit von Erkrankungen , wird in Zusammenarbeit mit dem Vermieter und beziehungsweise oder Betreuer eine gemeinsame Lösung erarbeitet. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 9. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, nachdem der Zustand der Wohnungen bekannt geworden war? 10. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um eine erneute Verwahrlosung zu verhindern? Nach Feststellung einer Verwahrlosung wird dem Verantwortlichen die Möglichkeit zur freiwilligen Abhilfe eingeräumt (§ 14 Absatz 1 HmbWoSchG). Je nach Sachverhalt wird im Einzelfall gegebenenfalls zum Vermieter oder Verwalter Kontakt aufgenommen . In Kooperation mit anderen zuständigen Dienststellen des Bezirksamtes (Fachstelle für Wohnungsnotfälle, Wohnungsangelegenheiten; Fachamt für Grundsicherung und Drucksache 21/12981 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Soziales; Dienststelle für Wohnraumschutz) wird in diesen Fällen darauf hingewirkt, eine wirksame, individuelle Hilfe zu etablieren, um die Lebensbedingungen der Betroffenen zu verbessern und drohenden Zwangsmaßnahmen entgegen zu wirken. Häufig werden bei diesen Klienten aufgrund der Meldungen Hausbesuche durchgeführt , beispielsweise durch die Fachstelle für Wohnungsnotfälle. Je nach Einzelfall sind außer den Wohnraumschutzdienststellen auch der Allgemeine Soziale Dienst, die Seniorenberatung, die Familienhilfe oder der Sozialpsychiatrische Dienst beteiligt. Der Sozialpsychiatrische Dienst ermittelt beispielsweise bei einem Verdacht auf eine psychische Erkrankung oder seelische Behinderung und leitet bei deren Vorliegen einen Hilfeprozess ein. Sollte der Betroffene sich dem Kontakt und der Hilfe verweigern, erwägt der Sozialpsychiatrische Dienst gegebenenfalls die Anregung einer gesetzlichen Betreuung. Erfolgt keine freiwillige Auflösung der Verwahrlosung, wird gegenüber dem Verfügungs - oder dem Nutzungsberechtigten eine Anordnung zur Wiederherstellung ordnungsgemäßer Zustände erlassen (§ 8 Absatz 2 HmbWoSchG). Wird eine solche Anordnung gegenüber dem Verfügungsberechtigten erlassen, wird gegebenenfalls gegenüber dem Nutzungsberechtigten eine Duldungsanordnung erlassen (§ 13a Absatz 3 HmbWoSchG).