BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/12987 21. Wahlperiode 15.05.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 08.05.18 und Antwort des Senats Betr.: Gender-Forschung an Universitäten und Hochschulen in Hamburg Im Jahr 1994 wurde Artikel 3 Absatz 2 GG geändert. Der Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ wurde um „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“ ergänzt. Durch den Vertrag von Amsterdam wurde im Jahr 1999 die staatliche Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau für die Mitgliedsländer der Europäischen Union in Artikel 2 und Artikel 3 vereinbart. Wie die Professorin für Neuere deutsche Literaturwissenschaft/Genderforschung , Prof. Dr. Andrea Geier, ausführt, geht die Forschung im Bereich der „gender studies“ davon aus, dass es neben den beiden biologischen Geschlechtern („sex“) auch ein soziales Geschlecht („gender“) gäbe. Dieses sei unabhängig vom biologischen Geschlecht; es seien mehr als zwei verschiedene Geschlechter denkbar und im Laufe des Lebens könne auch grundsätzlich mehr als ein Geschlecht individuell angenommen werden.1 Da die Definition des Begriffs „Gender“ durch die Wissenschaft offenbar erheblich von denjenigen der der Europäischen Union und der des Grundgesetzes abweicht – die wissenschaftliche Forschung im Bereich der „gender studies“ jedoch vorwiegend durch Steuermittel finanziert wird – lohnt sich eine Evaluation der mit der entsprechenden Forschung und Lehre befassten Fakultäten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der staatlichen Hamburger Hochschulen wie folgt: 1. Beziehen sich die Universitäten und Hochschulen der Freien und Hansestadt Hamburg bei der Definition des Gender-Mainstreaming auch auf die in der Einleitung erwähnten, individuell angenommenen und im Laufe des Lebens grundsätzlich mehrfach wechselbaren sozialen Geschlechter ? Bitte umfassend erläutern und alle bisher bekannten sozialen Geschlechter, die darunter fallen, auflisten. Die Universität Hamburg (UHH) bezieht sich in ihrer seit 2016 geltenden Gleichstellungsrichtlinie und dem am 26. April 2018 im Akademischen Senat verabschiedeten „Zentralen Gleichstellungsplan 2018-2023“ auf die Gleichstellung der Geschlechter in 1 Geier, Andrea: Gender als Analysekategorie – Entwicklungen und Tendenzen in den Gender Studies in: Forschung & Lehre: alles was die Wissenschaft bewegt. – 21 (2014), 11, Seiten 884 – 886. Drucksache 21/12987 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Forschung, Lehre und Bildung. In dem Maße folgen die Gleichstellungsrichtlinie und der Zentrale Gleichstellungsplan der UHH den Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vom 14. August 2006. Gender Mainstreaming bezieht sich auf den Amsterdamer Vertrag aus 1999 und wird innerhalb der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) als Arbeitsbegriff für eine politische Strategie des Einbezugs von Genderaspekten in hochschulpolitische Entscheidungsprozesse verstanden. Eine Auflistung von Geschlechtsidentitäten wird nicht verwendet. Insofern bezieht sich die HAW Hamburg in der Gleichstellungspraxis hauptsächlich auf Männer und Frauen entsprechend dem HmbHG. Die Hochschule für bildende Künste (HFBK) versteht soziale Geschlechter nicht als aufzulistende Kategorien. Geschlechtervielfalt und -identität sind ein gesellschaftliches Phänomen, das in künstlerisch/wissenschaftlichen Arbeiten und Prozessen eine wichtige Rolle spielt. Jedoch nicht im Sinne einer quantifizierbaren Menge, sondern als qualitative Frage und Problemstellung. Die Technische Universität Hamburg-Harburg (TUHH), die HafenCity Universität (HCU) und die Hochschule für Musik und Theater (HfMT) beziehen sich derzeit auf zwei Geschlechter. 2. An welchen Universitäten und Hochschulen der Freien und Hansestadt Hamburg existieren Lehrstühle mit dem Lehr- und/oder Forschungsschwerpunkt „Gender“ (bitte aufschlüsseln nach Anzahl, Geschlecht des Lehrstuhlinhabers, Besoldungsgruppe, zugeordneter Fakultät und zeitlicher Einrichtung des Lehrstuhls nach Jahr)? UHH Professuren mit Teildenomination Geschlecht Bes.- gruppe* Fakultät Einrichtung der Professur (Jahr) 1 weiblich Wirtschaft und Sozialwissenschaften 2012 1 weiblich Wirtschaft und Sozialwissenschaften 2002 1 weiblich Geisteswissenschaften 2005 2 weiblich Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften IN 2004 * gesamt: drei C3- und zwei W3-Professuren An der TUHH gibt es eine Arbeitsgruppe „Arbeit-Gender-Technik“. Die Leitung der Arbeitsgruppe hat eine Professorin der Besoldungsgruppe C3 inne. Die Arbeitsgruppe ist dem Studiendekanat Maschinenbau zugeordnet. Die Arbeitsgruppe wurde 2003 eingerichtet. Im Übrigen bestehen keine solchen Lehrstühle. 3. An welchen Universitäten und Hochschulen der Freien und Hansestadt Hamburg existieren Lehrstühle, welche sich zum Teil mit dem Thema „Gender“ in Forschung und/oder Lehre befassen (bitte aufschlüsseln nach Anzahl, Geschlecht des Lehrstuhlinhabers, Besoldungsgruppe, zugeordneter Fakultät und zeitlicher Einrichtung des Lehrstuhls nach Jahr)? An der UHH ist bei Ausschreibungen von Professuren der Einbezug der Genderthematik in der Berufungsordnung geregelt. Dort ist die „Fähigkeit, die Gender-Thematik in Forschung und Lehre zu berücksichtigen“ als zusätzliches Auswahlkriterium benannt. Inwieweit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihren Forschungsarbeiten dauerhaft oder punktuell in besonderer Weise das Thema Gender zum Gegenstand machen, wird zentral nicht erfasst. An der HAW bestehen folgende Lehrstühle mit Genderbezug: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/12987 3 Professuren mit Teildenomination Geschlecht Bes.- gruppe Fakultät Einrichtung der Professur (Jahr) 1 weiblich Design Medien & Information* 2004 1 weiblich Life Sciences* 2002 3 weiblich Wirtschaft und Soziales 2006, 2009 und 2016 * keine Angaben (aus datenschutzrechtlichen Gründen wegen eindeutiger Zuordnung) An der HFBK und HfMT bestehen folgende Professuren mit Genderbezug: Professur HFBK Geschlecht Bes.- gruppe Fakultät Einrichtung der Professur (Jahr) 1 weiblich C 3 entfällt 2004 Professur HfMT Geschlecht Bes.- gruppe Fakultät Einrichtung der Professur (Jahr) 1 weiblich W 2 entfällt 2002 Für die TUHH siehe Antwort zu 2. 4. An welchen Universitäten und Hochschulen der Freien und Hansestadt Hamburg sind wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt, welche sich ausschließlich oder in anderen Fachgebieten zum Teil mit dem Thema „Gender“ befassen (bitte aufschlüsseln nach Anzahl, Geschlecht, Besoldungsgruppe , zugeordneter Fakultät und Einrichtung der Stelle nach Jahr)? Eine Übersicht über wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der UHH, die Lehrveranstaltungen mit Gender- und Diversity-Bezug anbieten, findet sich im Lehrtableau, das alle Angebote aller Hamburger Hochschulen erfasst: http://www.zentrum-genderwissen.de/wp-content/uploads/2018/03/tableau-sose- 2018.pdf. Eine Übersicht über Forschungsprojekte mit Gender- und Diversity-Bezug findet sich auf der Homepage der Stabsstelle Gleichstellung: https://www.uni-hamburg.de/gleichstellung/gleichstellung/forschung-und-lehre.html. HCU Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter Geschlecht Bes.- gruppe Fakultät Einrichtung der Stelle (Jahr) 0,5 VZÄ weiblich E 13 entfällt 2017 HfMT Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter Geschlecht Bes.- gruppe Fakultät Einrichtung der Stelle (Jahr) 3 weiblich E 13, Teilzeit entfällt 1 in 2002 2 in 2005 Befristete Stellen, überwiegend drittmittelfinanziert TUHH Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter im Geschlecht Bes.- gruppe Fakultät Einrichtung der Stelle (Jahr) 1 weiblich E 13 entfällt 1 in 2002 2 in 2005 5. Welche Forschungsprojekte mit „Gender-Bezug“ wurden im Zeitraum von Beginn der aktuellen Legislaturperiode bis einschließlich heute von der Freien und Hansestadt Hamburg gefördert (aufgeschlüsselt nach Höhe der Förderung, Verwendungszweck und Haushaltstitel)? Drucksache 21/12987 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Das „Forschungsprojekt Musik und Gender im Internet“ wird jährlich mit 10.000 Euro aus dem Globalbudget der HfMT gefördert. Die TUHH finanziert die Stellen und Sachmittel der Arbeitsgruppe „Arbeit-Gender- Technik“ aus ihrem Wirtschaftsplan. Zentrales Forschungsfeld der Arbeitsgruppe war in den letzten Jahren das Thema „Soziale Reproduktion in der Krise – Care zentrierte Ökonomie als Perspektive“. 6. Welche Forschungsprojekte mit „Gender-Bezug“ konnten im Zeitraum von Beginn der aktuellen Legislaturperiode bis einschließlich heute Drittmittel generieren (aufgeschlüsselt nach Höhe der Förderung, Verwendungszweck und Drittmittelgeber)? Das „Forschungsprojekt Musik und Gender im Internet“ an der HfMT wird jährlich mit 40.000 Euro durch die Steegmann Foundation gefördert. Ferner wurde dieses Forschungsprojekt in 2016 einmalig mit 162.249 Euro durch das Förderprogramm Chancengleichheit des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. An der TUHH konnte die Arbeitsgruppe „Arbeit-Gender-Technik“ in der laufenden Legislaturperiode circa 50.000 Euro Drittmittel durch die Stiftung der freien Wirtschaft einwerben.