BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13012 21. Wahlperiode 22.05.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Detlef Ehlebracht (AfD) vom 14.05.18 und Antwort des Senats Betr.: Diesel-Fahrverbote in Hamburg In der Frage der Stickoxidbelastung an Hauptverkehrsstraßen hat die Verkehrsministerkonferenz in ihrer letzten Sitzung am 19./20. April 2018 in Nürnberg eine Überprüfung der Messstationen beschlossen. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 23.04.2018 wird Bundesminister Scheuer mit den Worten zitiert: „Ich freue mich, dass in der Verkehrsministerkonferenz eine Mehrheit für die Überprüfung der Messstationen gefunden wurde – ob die nach diesen Vorgaben auch richtig angebracht sind“, sagte Scheuer. Denn wenn man zu Maßnahmen greifen müsse, müssten diese „auch rechtssicher sein“. (Zitatende). Es geht dabei um Messstationen an Hauptverkehrsstraßen. Nur an solchen Stationen wird der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) noch überschritten. In Hamburg sind dies vier Stationen: Max-Brauerallee 92, Stresemannstraße 95, Habichtstraße 59 und Kieler Straße 13. In Hamburg sollen die geplanten Durchfahrtsbeschränkungen in der Max- Brauer-Allee und der Stresemannstraße nach Pfingsten in Kraft gesetzt werden . Nach einer Mitteilung der zuständigen Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation ist Grundlage für die straßenverkehrsrechtliche Anordnung die im Luftreinhalteplan Hamburgs getroffene Gesamtabwägung. Die Messwerte einzelner Stationen hält die Behörde diesbezüglich für unerheblich. Bezüglich dieser Auffassung kann auch eine andere Argumentation vorgetragen werden, denn eine Gesamtabwägung wäre ohne Bezug auf die Messwerte einzelner Station gar nicht möglich. Für die Gesamtabwägung sind die Messwerte einzelner Stationen deshalb sehr wohl maßgebend. So wird es offenbar auch im Luftreinhalteplan gesehen. Dort wurden die Modellergebnisse für betroffene Straßenabschnitte nachträglich auf der Grundlage einzelner Messwerte korrigiert. So kann die Auffassung vertreten werden, dass die Aufstellungsorte der verkehrsnahen Messstationen zumindest bezüglich dem Jahresmittelwert von NO2 nicht konform mit der 39. BImSchV, Anlage 3 B gewählt worden. Dort wird gefordert, Messstationen so aufzustellen, dass Werte gemessen werden , „denen die Bevölkerung wahrscheinlich direkt oder indirekt über einen Zeitraum ausgesetzt sein wird, der im Vergleich zum Mittelungszeitraum der betreffenden Immissionsgrenzwerte signifikant ist“. Drucksache 21/13012 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 In Hamburg wurde laut Luftreinhalteplan angenommen, dass alle Anwohner eines Straßenabschnitts mit einer Konzentration von Stickstoffdioxid (NO2), die im Jahresmittel den Grenzwert überschreitet, selbst über dem Grenzwert belastet sind. Diese Annahme wurde aber offenbar nicht durch Messungen überprüft. Der Luftreinhalteplan macht dazu jedenfalls keine Angaben. Messungen in einem Gebäude an der Straße „Am Neckartor“ in Stuttgart sprechen dagegen, dass diese Annahme gerechtfertigt ist. Dort wurde im Jahresmittel 2016 mit 82 μg/m3 die höchste NO2-Konzentration in Deutschland gemessen. Im direkt angrenzenden Gebäude des Amtsgerichts wurden hingegen stichprobenweise nur Werte im Bereich von 20 bis 30 Mikrogramm gemessen, also Werte, die den gesetzlich zulässigen Jahresmittelgrenzwert von 40 μg/m3 deutlich unterschreiten. Darüber wurde in der Anhörung vor dem Abgasuntersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages berichtet. Da sich direkt an der Straße niemand lange genug aufhält, um der dort gemessenen NO2-Konzentration im Jahresmittel ausgesetzt zu sein, stellt sich die Frage, wer dann überhaupt noch einer verkehrsnah gemessenen Überschreitung des Jahresmittelgrenzwertes von NO2 ausgesetzt ist, wenn offenbar auch die Anwohner eines betroffenen Straßenabschnitts keiner grenzwertüberschreitenden NO2-Belastung ausgesetzt sind. Dies vorausgeschickt frage ich den Senat: Gemäß 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes – Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (BImSchV) Anlage 3 sind Probenahmestellen (Luftmessstationen) so zu positionieren, dass Luftqualitätsdaten über Bereiche gewonnen werden, in denen die höchsten Werte auftreten , denen die Bevölkerung wahrscheinlich direkt oder indirekt über einen Zeitraum ausgesetzt sein wird, der im Vergleich zum Mittelungszeitraum der betreffenden Immissionsgrenzwerte signifikant ist. Zur Untersuchung der Repräsentativität der festgelegten Probenahmestellen wurden unter anderem sogenannte Passivsammlermessungen im Umfeld der verkehrsnahen Luftmessstationen durchgeführt, siehe hierzu 2. Fortschreibung des Luftreinhalteplans (LRP) für Hamburg: http://www.hamburg.de/contentblob/9024022/ 7dde37bb04244521442fab91910fa39c/data/d-lrp-2017.pdf. Die Ergebnisse zeigen, dass die Luftschadstoffverteilung aufgrund verschiedenster Faktoren äußerst komplex ist und dass bereits auf kleinstem Raum erhebliche Unterschiede im Konzentrationsniveau auftreten können. Gleichwohl ist den Ergebnissen der Messreihen zu entnehmen, dass die verkehrsnahen Luftmessstationen entsprechend den vorgenannten Anforderungen der 39. BImSchV korrekt verortet sind. Ebenso stützen die gutachterlichen Modellierungsergebnisse der NO2-Immissionsbelastung , die die Grundlage der 2. Fortschreibung des LRP für Hamburg sind, die Repräsentativität der gewählten Positionierung der verkehrsnahen Luftmessstationen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wird der Senat mit der Umsetzung der geplanten Durchfahrtsbeschränkungen warten, bis die genannten Messstationen überprüft worden sind und die Überprüfung keine Beanstandungen ergeben hat? Falls nein, warum nicht? Nein. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Wird der Senat unabhängige Fachleute mit der Überprüfung beauftragen ? Falls nein, warum nicht? Wie wird die Unabhängigkeit sichergestellt? Nein. Das für die Messungen beauftragte Institut für Hygiene und Umwelt ist von der Deutschen Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS) akkreditiert. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13012 3 3. Wenn sich bestätigt, dass niemand im Jahresmittel von einer NO2- Grenzwertüberschreitung betroffen ist, sind die geplanten Durchfahrtsbeschränkungen dann nicht eine unverhältnismäßige Maßnahme zur Luftreinhaltung und deshalb nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts unzulässig? Der NO2-Jahresmittelgrenzwertüberschreitung wird an den verkehrsnahen Luftmessstationen überschritten. Daher ist nach § 47 Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) ein LRP aufzustellen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.