BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13014 21. Wahlperiode 22.05.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 14.05.18 und Antwort des Senats Betr.: Aktuelle Lehrämter In der Diskussion um die Lehrerbildung in Hamburg wurde seitens der Wissenschaftsbehörde mehrfach betont, dass das Lehramt der Grund- und Mittelstufe sowie das Lehramt für Gymnasium bereits jetzt gemeinsam unterrichtet werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Universität Hamburg (UHH) wie folgt: 1. In welchem Semester werden welche Kurse für das LA Grund- und Mittelstufe sowie für das gymnasiale Lehramt gemeinsam unterrichtet? Bitte für die letzten sechs Semester die Seminarthemen, Semesterstundenzahl und Zahl der Studenten tabellarisch darstellen. Das Lehrangebot der UHH setzt sich ganz überwiegend aus polyvalenten Lehrveranstaltungen zusammen, die für Studierende der fachwissenschaftlichen Studiengängen genauso geöffnet werden wie für die Studierenden der 26 Lehramts-Teilstudiengänge. Die Curricula der Lehramts-Teilstudiengänge in den verschiedenen Fakultäten (MIN, GW, EW, WISO, PB) unterscheiden sich stark voneinander. In der MIN-Fakultät gibt es beispielsweise die gesamte Bandbreite von Fächern, die kaum oder keine Unterscheidung zwischen Lehramtsstudiengängen und fachlichen Studiengängen vornehmen (Informatik, Geographie), bis hin zu Fächern mit einer Vielzahl von lehramtsspezifischen Lehrveranstaltungen (zum Beispiel Mathematik, Biologie, Chemie) für einige oder alle Lehramtsstudiengänge. Semester Anzahl Veranstaltungen (UHH Gesamt) Anzahl der von LAGym- Studierenden belegen Veranstaltungen Anzahl der von LAPS Studierenden belegten Veranstaltungen WiSe 15/16 4966 964 771 SoSe 16 4556 864 746 WiSe 16/17 4954 971 784 SoSe 17 4565 894 728 WiSe 17/18 4991 901 746 SoSe 18 4405 888 748 Eine rein auf die Lehramtsstudiengänge spezifizierte Darstellung und Auswertung aller Veranstaltungen und Teilnehmerdaten ist aufgrund der Komplexität der Fragestellung und der großen Anzahl der Lehrveranstaltungen, die von Lehramtsstudierenden und Studierenden der Fachwissenschaften gemeinsam besucht werden, ebenso wenig leistbar wie eine nach Lehramtstyp (LAPS/LAGym) differenzierte Darstellung hinsichtlich gemeinsam oder getrennt genutzter Lehrveranstaltungen. Drucksache 21/13014 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Wie werden diese Angebote gemeinsamer Kurse inhaltlich und organisatorisch begründet? Gibt es hierzu Evaluationsergebnisse beziehungsweise wissenschaftlich rechtfertigende Untersuchungen? Bitte für die zuständige Behörde entscheidungsrelevante Ergebnisse zusammenfassen und Fundstellen angeben. Gemeinsame Lehrangebote für Studierende unterschiedlicher Lehramtsstudiengänge (zum Beispiel Lehramt der Primarstufe und Sekundarstufe I und Lehramt an Gymnasien ) sind an der UHH seit Jahrzehnten üblich. Da es weder zu Zeiten der Staatsexamensstudiengänge noch seit der Etablierung des gestuften Studiensystems Kritik an dieser Praxis gegeben hat, die eine Rechtfertigung erforderlich gemacht hätte, wurden zu diesem Thema bisher weder (interne) Evaluationsstudien noch andere wissenschaftliche Studien durchgeführt. Die Durchführung gemeinsamer Veranstaltungen für Studierende unterschiedlicher Lehramtstypen lässt sich nicht zuletzt aus der Struktur der durch die Kultusministerkonferenz (KMK) formulierten Fachstandards ableiten. Diese Standards legen für die Mehrzahl der Fächer Inhalte für die Sekundarstufe I fest und geben zudem an, durch welche Studieninhalte das Fachstudium für die Sekundarstufe II erweitert werden soll. Diese Struktur impliziert, dass die grundlegenden Inhalte sowohl für die Sekundarstufe I als auch für die Sekundarstufe II erforderlich sind. Diesem Gedanken folgt die Studienstruktur der meisten Fächer an der UHH. Es gibt gemeinsame Veranstaltungen für beide Lehrämter und zusätzliche Vertiefungen für Studierende des gymnasialen Lehramts entsprechend dem erweiterten Studienumfang von derzeit 85 zu 65 Leistungspunkten . An diesen Veranstaltungen nehmen in der Regel auch Studierende aus Studiengängen teil, die nicht zum Lehramt führen. In der Praxis hat es sich in einzelnen naturwissenschaftlichen Fächern als sinnvoll erwiesen, gesonderte Veranstaltungen für Studierende des Lehramts der Primarstufe und Sekundarstufe I anzubieten, um den Lernvoraussetzungen dieser Gruppe gerecht zu werden (zum Beispiel Mathematik und Chemie). Solche Angebote sind jedoch ressourcenabhängig und in der Regel nur in Studiengängen möglich, in denen eine große Anzahl Lehramtsstudierende eingeschrieben ist. Für polyvalente Lehrveranstaltungen spricht außerdem, dass eine Durchmischung der Studierendengruppen auch einem Interessensausgleich dient. Niveauunterschiede können gerade zu Beginn des Studiums durch gemeinsame Grundmodule ausgeglichen werden. Im Gegenzug gilt, dass aufgrund des ähnlichen Niveaus zu Studienbeginn insbesondere Anfängervorlesungen noch gemeinsam durchgeführt werden können . Hierdurch wird verhindert, dass zu früh eine Abkopplung von grundständiger fachwissenschaftlicher Lehre erfolgt. Gemeinsame Lehrveranstaltungen von LAGym- und LAPS-Studierenden bieten außerdem den Vorteil eines vereinfachten Wechsels in einen anderen Lehramtsstudiengang . Gemeinsame Lehrveranstaltungen mit Fachstudierenden erleichtern zudem den Wechsel in den jeweiligen Fachstudiengang. 3. In welchem Semester wurden welche Kurse für die LA Grund- und Mittelstufe sowie für das gymnasiale Lehramt nach Lehrämtern getrennt unterrichtet? Bitte für die letzten sechs Semester die Seminarthemen, Semesterstundenzahl und Zahl der Studenten tabellarisch darstellen. Siehe Antwort zu 1. 4. Wie stellen die beteiligten Behörden sicher, dass in der 1. Phase der Lehrerbildung hinreichende Vorkenntnisse erworben werden, sodass in der 2. Phase (Referendariat) auch der schnelle Einstieg in den unbetreuten bedarfsdeckenden Unterricht gelingen kann? Die zu vermittelnden Inhalte und Kompetenzen der 1. Phase der Lehrerausbildung sind in den Beschlüssen der Kultusministerkonferenz (KMK) „Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung“ (Beschluss der KMK vom 16.10.2008 i.d.F. vom 12.10.2017) und „Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften“ (Beschluss der KMK vom 16.12.2004 i.d.F. vom 12.06.2014) festgeschrieben. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13014 3 Die UHH hat die Einhaltung dieser Beschlüsse im Rahmen einer Teilsystemakkreditierung der Lehramtsstudiengänge im Jahr 2017 nachgewiesen. Zur Sicherung der staatlichen Verantwortung für die inhaltlichen Anforderungen der Lehrerausbildung wirkt eine Vertreterin/ein Vertreter der Behörde für Schule und Berufsbildung im Akkreditierungsverfahren mit, wobei die Akkreditierung des jeweiligen Studiengangs ihrer/seiner Zustimmung bedarf. Darüber hinaus sind im Lehramtsstudium schulpraktische Studienanteile im Umfang von 38 Leistungspunkten vorgesehen, in denen erste Unterrichtserfahrungen und Erfahrungen im System Schule erarbeitet werden. 5. Wie wird der fachliche Austausch zwischen den Lehrern der beiden Phasen sichergestellt? Bitte Organisationsformen und Ergebnisse angeben . Ein phasenübergreifender Austausch der Lehrenden erfolgt institutionell über die Fachsozietäten. Diese Gremien bestehen aus Vertretungen der Fachwissenschaft, der Fachdidaktik, des Vorbereitungsdienstes, der Lehrerfortbildung sowie der Fachreferate . Sozietäten haben beratenden Charakter, sie dienen der phasenübergreifenden Abstimmung der Curricula, der teilstudiengangübergreifenden Beratung der Curricula zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik, der Beteiligung an der Qualitätssicherung der Teilstudiengänge – insbesondere hinsichtlich der Anwendung der KMK- Fachstandards auf die fachspezifischen Bedingungen – und der Befassung mit einschlägigen Evaluationsergebnissen. Darüber hinaus liegt das Kernpraktikum im Masterstudium in gemeinsamer Verantwortung der Lehrenden der UHH (Fachdidaktik) und des Landesinstituts (Fachseminarleitungen ). Die Lehrenden eines jeweiligen Unterrichtsfaches planen seminaristische Anteile gemeinsam und führen Seminare weitestgehend getrennt jedoch in gegenseitiger Bezugnahme durch. Es folgt regelhaft eine gemeinsame Evaluation der Seminare. 6. Wie wird in welchem Semester die Stufenbezogenheit, zum Beispiel zu den Fachdidaktiken, hergestellt? Welche organisatorische beziehungsweise fachliche Grundlage besteht hierfür? Stufenbezogene Studienangebote sind im Kernpraktikum, das im zweiten und dritten Semester der Masterstudiengänge durchgeführt wird, vorgesehen. Studierende der Studiengänge „Lehramt der Primarstufe und Sekundarstufe I“ und „Lehramt an Gymnasien “ absolvieren den ersten Teil des Kernpraktikums in einem ihrer Unterrichtsfächer in der Sekundarstufe I (Stadtteilschulen und Gymnasien). Der zweite Teil des Kernpraktikums findet für die Studierenden des „Lehramts der Primarstufe und Sekundarstufe I“ an Grundschulen statt, während die Studierenden des „Lehramts an Gymnasien“ diesen Teil des Kernpraktikums in ihrem zweiten Unterrichtsfach in der gymnasialen Oberstufe (Stadtteilschulen und Gymnasien) ableisten. Die Praktika werden durch entsprechende fachdidaktische Begleitseminare betreut. 7. Die folgenden Fragen beziehen sich auf den Stand der Perspektivplanung und Folgenabschätzung der beteiligten Behörden für den Fall der Einführung eines einheitlichen Lehramtes für die Sek I und Sek II der Stadteilschulen und der Gymnasien. a. Erkennen und planen die zuständigen Behörden für das vorgesehene einheitliche, gymnasial orientierte Lehramt für die Sek I und II für die 1. Phase auch spezifische Ausbildungsangebote, die auf die spezifischen Bedürfnisse der Lernenden der Sek I mit der Perspektive des Erreichens des mittleren Abschlusses zugeschnitten sind? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Die Überlegungen zur Umsetzung der Rahmenvorgaben durch die Drs. 21/11562 sind noch nicht abgeschlossen. Drucksache 21/13014 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 b. Planen die zuständigen Behörden entsprechend auch für die 2. Phase die für die realen Bedürfnisse der Sek I der Stadteilschulen notwendigen inhaltlichen Erweiterungen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Für die Anpassung der 2. Phase der Lehrerausbildung (Vorbereitungsdienst) müssen zunächst die Überlegungen zur Gestaltung der 1. Phase abgeschlossen sein und entsprechende Ergebnisse vorliegen. Da mit den ersten Absolventinnen und Absolventen der reformierten Lehramtsstudiengänge voraussichtlich im Jahr 2024/2025 zu rechnen ist, wird die Anpassung der Ausbildung in der 2. Phase erst zu diesem Zeitpunkt relevant. Insofern sind die Überlegungen der zuständigen Behörde zur Anpassung des Vorbereitungsdienstes an die Rahmenvorgaben durch die Drs. 21/11562 noch nicht abgeschlossen. Dennoch erfolgt bereits jetzt eine Orientierung in der 2. Phase an den Rahmenvorgaben . Mit der derzeitigen Ausbildung der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst im gymnasialen Lehramt ist bereits eine tragfähige Grundlage geschaffen. Die aktuelle Ausbildung im gymnasialen Lehramt erfolgt schon seit vielen Jahren sowohl an Gymnasien als auch an Stadtteilschulen. Sie bereitet entsprechend auch auf das Unterrichten, Diagnostizieren und Bewerten, Erziehen und Beraten sowie die Arbeit insgesamt in Stadtteilschulen, auch in multiprofessionellen Teams, vor. Die Weiterentwicklung der inhaltlichen Ausbildungsarbeit erfolgt laufend in Anpassung an die realen Anforderungen von Schule und Gesellschaft. Ein vorrangiges Thema in allen Lehrämtern im Vorbereitungsdienst ist der Umgang mit Heterogenität. Dies wird auch zukünftig Bestand haben und in der Ausgestaltung weiterentwickelt werden. c. Stimmen die zuständigen Behörden der Erwartung von Schulpraktikern zu, dass solche Erweiterungen nicht mit dem gegenwärtigen Umfang des unangeleiteten, bedarfsdeckenden Unterrichts vereinbar sein werden? Wenn nein, warum nicht? Nein, denn bereits heute werden Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst im gymnasialen Lehramt auch an Stadtteilschulen erfolgreich ausgebildet. Im Übrigen siehe Antwort zu 7. b.