BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13049 21. Wahlperiode 22.05.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Thilo Kleibauer (CDU) vom 15.05.18 und Antwort des Senats Betr.: Zinssatz für Steuernachforderungen – Welchen Handlungsbedarf sieht der Senat nach den klaren Worten des BFH? Seit Jahrzehnten beträgt der an die Finanzämter zu entrichtende Zinssatz für Steuernachzahlungen 6 Prozent. Auch für Steuererstattungen gilt dieser Zinssatz. Der Zinssatz und die Regelung der Verzinsung ergibt sich aus § 233a i.V.m. § 238 Abgabenordnung (AO). Demnach sind Steuernachforderungen und -erstattungen grundsätzlich ab 15 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, mit 0,5 Prozent pro Monat zu verzinsen. Da es in vielen Fällen, zum Beispiel bei steuerlichen Betriebsprüfungen , mehrere Jahre bis zur endgültigen Steuerfestsetzung dauert, erreichen die Zinsen auf Steuernachzahlungen häufig signifikante Größenordnungen und übersteigen den Liquiditätsvorteil der Steuerpflichtigen deutlich . Angesichts der massiven und nachhaltigen Abweichung dieses Zinssatzes von den Marktzinsen gab es in den letzten Jahren bereits mehrfach Diskussionen und Initiativen, diesen Zinssatz entsprechend zu reduzieren. In einem jetzt veröffentlichten aktuellen Beschluss hat nun auch der Bundesfinanzhof (BFH) erstmals „schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 233a AO i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO“ für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015 geäußert (BFH-Beschluss vom 25.04.2018, IX B 21/18). Der BFH verweist dabei auf eine realitätsferne Bemessung der Zinshöhe , für den es keine sachliche Rechtfertigung geben würde. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie hoch war das Zinsaufkommen nach § 233a AO jeweils in den Jahren 2015, 2016 und 2017 für den Hamburger Haushalt? 2. Wie hoch waren dabei in den Jahren 2015, 2016 und 2017 jeweils der Betrag aus Nachforderungszinsen in den einzelnen Steuerarten sowie die gezahlten Erstattungszinsen in den einzelnen Steuerarten? Siehe Anlage. 3. Wie beurteilen der Senat oder die zuständige Behörde die Angemessenheit sowie den Änderungsbedarf der Zinshöhe gemäß § 238 AO? Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 9. November 2017 (Az. III R 10/16) entschieden, dass die Zinshöhe bei einer umfassenden Betrachtung der Anlage- und Finanzierungsmöglichkeiten als angemessen anzusehen ist. Noch im Jahr 2013 haben sich die Zinssätze für kurz- und langfristige Einlagen und Kredite zwischen 0,15 Prozent und 14,70 Prozent bewegt, sodass der Zinssatz für Steuernachforderungen noch als realitätsnah anzusehen ist. Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Drucksache 21/13049 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Entsprechende Betrachtungen musste der BFH in seiner neueren Entscheidung für einen jüngeren Zinszeitraum nicht anstellen, da es sich hier um eine Eilentscheidung im einstweiligen Rechtsschutz handelt. 4. Werden sich der Senat oder der Präses der Finanzbehörde auf Bundesebene dafür einsetzen, die in § 238 AO festgelegte Zinshöhe zu reduzieren ? Wenn ja, wie sind derzeit die diesbezüglichen Überlegungen? Wenn nein, warum nicht? Da das Bundesverfassungsgericht anlässlich zweier Verfassungsbeschwerden (1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17) die Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe zu bewerten hat, wird der Senat die hierzu ergehenden Entscheidungen sowie Erörterungen auf Bund-Länder-Ebene abwarten. Sollten die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Veranlassung für eine Gesetzesänderung geben, wird sich der Senat dafür einsetzen, dass die Neuregelung technisch umsetzbar ist und Steuerpflichtige und Verwaltung nicht unangemessen belastet. Im Übrigen hat sich der Senat mit der aktuellen Entscheidung des BFH vom 25. April 2018 bisher nicht befasst. Zinsen nach § 233a AO 2015 2016 2017 Einkommensteuer Nachforderung 59.019.830,20 40.559.923,15 28.064.189,42 Erstattung 39.966.367,33 39.290.753,79 36.458.347,74 19.053.462,87 1.269.169,36 -8.394.158,32 Umsatzsteuer Nachforderung 31.593.823,43 18.853.009,61 20.826.966,06 Erstattung 33.239.478,42 14.517.531,96 11.952.868,76 -1.645.654,99 4.335.477,65 8.874.097,30 Körperschaftsteuer Nachforderung 88.647.306,26 79.390.618,51 56.043.370,43 Erstattung 27.041.097,98 29.961.916,99 28.552.289,11 61.606.208,28 49.428.701,52 27.491.081,32 Vermögensteuer Nachforderung 0,00 0,00 0,00 Erstattung 0,00 111.578,00 0,00 0,00 -111.578,00 0,00 Gewerbesteuer Nachforderung 68.509.835,95 53.334.246,83 60.200.665,36 Erstattung 63.432.051,90 44.306.776,94 39.645.831,33 5.077.784,05 9.027.469,89 20.554.834,03 Gesamtsumme 84.091.800,21 63.949.240,42 48.525.854,33 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13049 3 Anlage 13049ska_Text 13049ska_Anlage