BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13093 21. Wahlperiode 25.05.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Boeddinghaus und Mehmet Yildiz (DIE LINKE) vom 17.05.18 und Antwort des Senats Betr.: Clearingstelle in Langenhorn: Wirklich eine zweite Chance für Jugendliche und Jungerwachsene? In der Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/11704 fragten wir nach der Clearingstelle 3 in der Hammer Straße. Dort befindet sich die Erstversorgung für unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA). Zum damaligen Zeitpunkt gab es dort ebenfalls das Angebot „2. Chance“ mit neun Plätzen für UMA, die sich laut Bericht „in den Regeleinrichtungen der Jugendhilfe nicht haben integrieren können und durch negativ auffälliges Verhalten dort nicht weiter betreut werden können.“ Der Standort für dieses Angebot soll jetzt zum 30.06.18 aufgegeben und in den Jugendparkweg 58 nach Langenhorn in den Bezirk Nord verlagert werden. In einem Schreiben an den Bezirk Nord wird dieses Vorgehen angekündigt und um Unterstützung durch den Bezirk gebeten . Konzeptionell ist nach unserem Informationsstand die Zielgruppe geändert worden. Dieses Angebot richtet sich jetzt an alle männlichen Jugendlichen im Alter von 14 – 17 Jahren und an junge Volljährige bis 21 Jahren. Außerdem wurde in der Antwort auf die oben genannte Anfrage Drs. 21/11704 deutlich, dass die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) beabsichtigt, dass der Landesbetrieb Erziehung und Beratung (LEB) den Betrieb am Standort Bullerdeich mit einer veränderten Nutzung weiterführt und als Clearingstelle 2 erneut nutzten möchte. Zum damaligen Zeitpunkt der Anfrage waren die Planungen hierzu nicht abgeschlossen. Die Einrichtung war im März 2015 im Zuge des ständig steigenden Zugangs unbegleiteter, minderjähriger Flüchtlinge entstanden. Der ursprüngliche Zweck ist nach Aussage der Fachbehörde mittlerweile weggefallen und die Einrichtung wurde im April 2017 stillgelegt. Nun soll die Einrichtung auf neuer konzeptioneller Grundlage ihren Betrieb wieder aufnehmen. Hierzu ist eine Reaktivierung der „Clearingstelle 2“ mit zehn Plätzen vorgesehen. In einem Schreiben an den Bezirk Mitte wurden Eckpunkte benannt. Die dort geplante „Clearingstelle“ soll laut dem Schreiben eine Unterbringung von Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren ermöglichen und es sollen Jugendliche aus dem Kinder- und Jugendnotdienst aufgenommen werden, die dort andere schutzsuchende Jugendliche gefährden und einer Betreuung und Perspektiventwicklung ausweichen. In Antwort auf unsere Anfrage erklärte die Fachbehörde , dass es sich um einige wenige Jugendliche beim KJND und dem Familieninterventionsteam (FIT) handelt, die für dieses Angebot zum damaligen Zeitpunkt infrage kämen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: I. Zur Einrichtung 2. Chance Drucksache 21/13093 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. In der Hammer Straße fand bis jetzt die Erstversorgung von UMA statt. Wird die Erstversorgung der UMA dort fortgeführt? Wenn ja, mit wie vielen Plätzen? 2. Der jetzige Standort der Einrichtung 2. Chance soll aufgegeben werden. Was sind die Gründe dafür? 3. Die neue Ausrichtung der Konzeption der Einrichtung nennt als Zielgruppe alle männlichen Jugendlichen und Jungerwachsenen. Führt diese Änderung auch zu weiteren Änderungen der Konzeption? Wenn ja, zu welchen? Wenn nein, warum sind aus Sicht der Fachbehörde beziehungsweise des Senates keine weiteren Änderungen notwendig? 4. Was sind die Eckpunkte der Konzeption dieses Angebots? Wenn eine neue Konzeption vorliegt, bitte als Anlage beifügen. Der Betrieb am Standort Hammer Straße wird vollständig eingestellt. Die Einrichtung „2.Chance“ wird mit unverändertem Konzept auf dem Gelände Jugendparkweg 58 fortgeführt. Im Übrigen siehe Drs. 21/13056. 5. Bleibt es bei dem Begriff Clearing für die Einrichtung 2. Chance? Ja. 6. Was ist die Rechtsgrundlage für diese Einrichtung? 7. Sind dort freiheitsentziehende Maßnahmen vorgesehen? 8. In der bisherigen Einrichtung 2. Chance waren Security-Kräfte in der Konzeption vorgesehen. Sie sollten bei der Durchsetzung der Hausordnung tätig werden. Wird das nach der Standortverlagerung auch so sein? Ist das auch weiterhin konzeptionell geregelt? Siehe Drs. 21/13056. 9. Vor diesem Hintergrund: Wie viele stationäre Jugendhilfeeinrichtungen in Hamburg setzten einen Security-Dienst ein? Wenn es andere Einrichtungen in Hamburg gibt, bitte Einrichtungen nennen und den jeweiligen Zeitpunkt der Einführung zuordnen und Gesamtzahl aller Einrichtungen nennen. 10. Wie viele dieser Einrichtungen sind Einrichtungen des LEB? In folgenden 16 Einrichtungen des Landesbetriebes Erziehung und Beratung (LEB) wird ein Sicherheitsdienst eingesetzt: Feuerbergstraße 43 - KJND Kinder- und Jugendnotdienst Auf dem Königslande 92 Betreute Einrichtung für Flüchtlinge Bötelkamp 32 Betreute Einrichtung für Flüchtlinge Cuxhavener Straße 188 a-c Betreute Einrichtung für Flüchtlinge Haldesdorfer Straße 111 Betreute Einrichtung für Flüchtlinge Hammer Straße 124 Clearingstelle „2.Chance“ Oehleckerring 20 Betreute Einrichtung für Flüchtlinge Stargarder Straße 62 Betreute Einrichtung für Flüchtlinge Tannenweg 11 Erstversorgungseinrichtung Hohe Liedt 67 Zentrum für Alleinerziehende Berner Chaussee 32 Zentrum für Alleinerziehende Kathenkoppel 27 Ambulant Betreutes Wohnen Billhorner Kanalstraße 52a Ambulant Betreutes Wohnen Billwerder Billdeich 648 a Ambulant Betreutes Wohnen Brandshofer Deich 64/66 Ambulant Betreutes Wohnen Diagonalstraße 18 Jugendwohnung Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13093 3 Zurzeit wird bei keinem weiteren Träger der Jugendhilfe ein Sicherheitsdienst eingesetzt . 11. Wird der jeweilige Einsatz von solchen „Mitarbeitern/-innen“ ebenfalls in den Konzeptionen dieser Einrichtungen geregelt? 12. Gibt es Kriterien für den Einsatz von Security-Kräften (zum Beispiel Zuweisung von Jugendlichen aus dem KJND)? 13. Muss der Einsatz eines Security-Dienstes der Heimaufsicht oder einer anderen behördlichen Stelle gemeldet werden? 14. Wenn es einen verstärkten Trend zum Einsatz von Security-Kräften in Hamburger Jugendhilfeeinrichtungen gibt, wie erklärt sich die Fachbehörde den Anstieg des Einsatzes von Security-Kräften? 15. Gibt es eine Altersuntergrenze bei den Betreuten beim Einsatz von Security-Kräften? 16. Gibt es eine fachliche Kontrolle des Einsatzes von Security-Kräften? 17. Erhält die Heimaufsicht oder eine andere Stelle der Behörde Meldung über besondere Vorkommnisse im Zusammenhang mit Security -Kräften? 18. Mit welcher Ausrüstung sind die Security Kräfte ausgestattet? Wenn ja, über welche Ausstattung verfügen diese Mitarbeiter/- innen? Haben die beim LEB eingesetzten Security-Kräfte zum Beispiel Schlagstöcke, Klettbänder, Handschellen oder Pfefferspray bei sich? 19. Mit welcher Ausstattung sind die Sicherheitdienste in anderen Einrichtungen ausgestattet? Gibt es einen einheitlichen Standard? Wenn ja, wie sieht der aus? Der Einsatz von Sicherheitsdiensten bezieht sich hauptsächlich auf die im Rahmen der Flüchtlingsbetreuung zum Teil notwendig gewordenen größeren Einrichtungen. Damit soll der Schutz von Bewohnerinnen und Bewohnern und des pädagogischen Personals sichergestellt werden. Dieses Vorgehen wird seit Längerem praktiziert und hat sich bewährt. Dabei bestimmt sich der Einsatz eines Sicherheitsdienstes nach der von einer zu betreuenden Zielgruppe ausgehenden Selbst- und Fremdgefährdungen oder, insbesondere bei großen Einrichtungen, nach dem Bedarf an Ordnung des Zugangs und des Geschehens in der Einrichtung in der Nacht. Auch bei Einzelbetreuungen in besonders schwierigen Falllagen kann ein Einsatz eines Sicherheitsdienstes die Einrichtung unterstützen. Die Rolle des Sicherheitsdienstes wird in der Konzeption klar von der des pädagogischen Personals abgegrenzt und auf Aufsicht und Schutz sowie Unterstützung des pädagogischen Personals in gewaltbesetzten Situationen beschränkt. Dieses Konzept muss der Trägeraufsicht der zuständigen Behörde im Rahmen des Betriebserlaubnisverfahrens vorgelegt werden. Zudem erhält die Trägeraufsicht über alle Vorkommnisse nach den festgelegten Meldekriterien eine Meldung über ein besonderes Vorkommnis . In ein solches Vorkommnis kann auch der Sicherheitsdienst involviert sein. Die Anforderungen an das Sicherheitspersonal ist darüber hinaus in einem Vertrag zwischen dem LEB und dem Sicherheitsdienstleister definiert. Auch wird der Einsatz in einer mit dem LEB abgestimmten Dienstanweisung des Sicherheitsdienstleisters geregelt. Während der Auftraggeber die Tätigkeit des Sicherheitsdienstes und die Qualität des Personals nach den vereinbarten Kriterien kontrolliert, ist der Auftragnehmer zur Selbstkontrolle verpflichtet. Das Sicherheitsdienstpersonal versieht den Dienst in der Dienstkleidung. Waffen oder Gegenstände zur Verteidigung oder zum Fixieren von Betreuten dürfen nicht mitgeführt werden. Im Übrigen siehe Antwort zu 9. und 10. Drucksache 21/13093 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 II. Zur Einrichtung Bullerdeich 6 20. In einem Schreiben der BASFI an den Bezirk Mitte vom 13.9.17 wird berichtet, dass der LEB in einer Clearingstelle Bullerdeich 6 Jugendliche aufnehmen möchte, die beim Kinder- und Jugendnotdienst (KJND) dadurch auffallen, dass sie „andere, schutzsuchende Jugendliche gefährden“ und selbst „einer Betreuung und Perspektiventwicklung ausweichen“. Wie ist der jetzige Stand der Planung für diese Einrichtung? Wenn es weitere Planungen gibt, bitte Planungen und gegebenenfalls Eröffnungsdatum nennen. 21. Sieht die BASFI vor dem Hintergrund der Verlagerung und Zielgruppenänderung der Einrichtung 2 Chance überhaupt weitere Bedarfe für eine solche Einrichtung? Wenn ja, welche Bedarfe werden gesehen? 22. In der Anfrage 21/11704 erklärt der Senat beziehungsweise die Fachbehörde in Antwort auf Frage 14., dass die „pädagogische Arbeit“ der Einrichtung gleichwohl „ressourcenorientiert“ erfolgt. Worin besteht die ressourcenorientierte Arbeit? 23. In der Anfrage 21/11704 verweigerte der Senat die Antworten auf einige unserer Fragen mit dem Hinweis darauf, dass die „konzeptionellen Überlegungen und Planungen“ derzeit noch nicht abgeschlossen seien. Gibt es über das Schreiben an den Bezirk Mitte hinaus inzwischen konzeptionelle Überlegungen der BASFI und des LEB zu dieser geplanten Einrichtung Bullerdeich 6? Wenn ja, welche sind das? Wenn eine Konzeption vorliegt, bitte als Anlage beifügen. Wenn keine Konzeption vorliegt, bitten wir um die Beantwortung folgender Fragen: a. Werden die betreuten Jugendlichen in Containern schlafen? b. Dürfen die betreuten Jugendlichen jederzeit die Aufenthaltsund Essensräume betreten? c. Was ist unter „Personal mit pädagogischer Basiskompetenz“ zu verstehen? d. Welche Möglichkeiten der Folgeunterbringung sieht die zuständige Behörde für diese Jugendlichen? e. Welche Aufgaben und Kompetenzen haben die Sicherheitskräfte ? Wer verantwortet den Einsatz der Sicherheitskräfte in dieser Einrichtung? f. Dürfen die Sicherheitskräfte Betreute mit Polizeigriffen zu Boden bringen? g. Sind freiheitsentziehende Maßnahmen vorgesehen? h. Was soll der Betrieb der Einrichtung Bullerdeich 6 kosten? In welchem Haushaltstitel wird der Betrieb einer solchen Einrichtung finanziert? Der LEB hat als Träger der öffentlichen Jugendhilfe und als Betreiber des Kinder- und Jugendnotdienstes die Aufgabe, durch eine ausreichende Kapazität die Unterbringung von Minderjährigen sicherzustellen, wenn sich diese in einer Gefährdungslage befinden und in Obhut genommen werden müssen. Dies bezieht sich auch auf ältere Jugendliche, die selbst als gefährdend in Erscheinung treten und daher im familiären Kontext oder in einer Einrichtung der Jugendhilfe nicht mehr gehalten werden können. Daher ist für sie ein spezielles pädagogisches Setting erforderlich, das sich von dem Konzept „2.Chance“ wesentlich durch seine Niedrigschwelligkeit in der pädagogischen Ansprache unterscheidet. Der Bedarf für eine solche Einrichtung ist weiterhin gegeben . Die Planungen zum Standort Bullerdeich 6 wurden eingestellt. Darüber hinaus sind die Planungen noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen: entfällt.