BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13131 21. Wahlperiode 19.06.18 Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Alexander Wolf, Prof. Dr. Jörn Kruse, Detlef Ehlebracht, Harald Feineis und Peter Lorkowski (AfD) vom 22.05.18 und Antwort des Senats Betr.: Verlaufsentwicklung von Gewaltvorfällen an Hamburger Schulen Gewalt an Schulen jedweder Form stellt für Kinder, Lehrer und Eltern eine schwere Belastung dar und kann zu Entwicklungsstörungen sowie zu langfristigen gesundheitlichen Schäden führen. In den letzten Jahren ist an deutschen Schulen eine Zunahme verbaler und körperlicher Gewalt zu verzeichnen . Das belegen in quantitativ-qualitativer Hinsicht die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage des forsa-Institutes im Auftrag des Verbandes Bildung und Erziehung, amtliche Kriminalstatistiken sowie die Aussagen hochrangiger Lehrerfunktionäre und die Berichte von betroffenen Lehrern, die Opfer von Gewalt an Schulen wurden. Im Folgenden sollen zunächst einige wichtige Umfrageergebnisse, Statistiken und Aussagen zu der Problematik zusammengefasst werden: 1) Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Hans-Peter Meidinger, berichtet in einem Interview vom 29.03.2018 mit dem Bayerischen Rundfunk über die Zunahme an Gewalttaten an Brennpunktschulen und in Ballungsgebieten: „Was wir brauchen, ist eine schonungslose Bestandsaufnahme . Wir haben leider auch Brennpunktschulen, insbesondere in Ballungsgebieten, mit einer ungünstigen sozialen Zusammensetzung und einem hohen Migrationsanteil. Dort haben wir in den letzten Jahren eine deutliche Zunahme an Gewalttaten. Wir haben hier eine explosive Mischung, eine Perspektivenlosigkeit der Schüler, die sich dann in Aggressionen umsetzt. Wir haben Konflikte innerhalb der Schüler. Derzeit auch zwischen türkischen und kurdischen Schülern. Und wir haben Konflikte, die religiös bedingt sind.“1 2) Nach einer forsa-Umfrage, die der Verband Bildung und Erziehung in Auftrag gab, sind an etwa jeder dritten Grundschule in Deutschland Lehrkräfte in den vergangenen fünf Jahren körperlich angegriffen worden . Über alle Schulformen hinweg schildert jede vierte Schulleitung Fälle körperlicher Gewalt gegen Lehrkräfte. Die Häufigkeit von beobachteten Gewaltvorfällen stieg in der Wahrnehmung von Lehrkräften und Schulleitungen im Vergleich zu 2016 von 21 Prozent auf 26 Prozent (2018) an. Der Vorsitzende der Lehrergewerkschaft, Udo Beckmann, fordert die Kultusministerien auf, sich des Themas endlich anzunehmen und öffentliche Statistiken einzuführen: „Nur wenn das Ausmaß für die 1 https://www.br.de/nachrichten/gewalt-an-schulen-hans-peter-meidinger-politik-hat-oftweggeschaut -100.html (abgerufen am: 02.05.2018). Drucksache 21/13131 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Ministerien greifbar wird, werden sie die angemessenen Maßnahmen umsetzen, um Lehrkräfte besser zu schützen“.2 3) Der Gymnasiallehrer, Buchautor und Anti-Mobbing-Ausbilder, Wolfgang Kindler, äußert sich in einem WDR-Interview mit Blick auf die Ergebnisse der forsa-Umfrage zu den Ursachen steigender Gewalt gegen Lehrer: „Natürlich gibt es bestimmte Gruppen, aber da haben wir große Schwierigkeiten , die einfach zu benennen. Ein Beispiel ist die Rütli-Grundschule in Berlin, die Sicherheitskräfte eingefordert hat. Derselbe Sicherheitsdienst ist schon an acht anderen Grundschulen in Neu-Kölln in Berlin tätig, und das sind immer Schulen mit einem hohen Migrationsanteil. Wir haben das Problem, dass Kinder aus Migrationszusammenhängen häufig körperlich gewalttätiger sind als andere. Das Problem ist, dass es öffentlich zu wenig diskutiert wird, wie man damit umgehen kann. Ähnlich auch bei Eltern. Wir haben körperliche Übergriffe, das beschreiben die Berliner Schulen, in erster Linie von Eltern aus Migrationszusammenhängen .“ Und weiter: „Es gibt in Deutschland bestimmte Tabus. Wenn ich so was öffentlich thematisiere, gelte ich gleich als rechtsradikal , oder als Nationalist oder als Rassist. Wir haben ja eine bestimmte schlimme Tradition. Und jedes Erwähnen von fremden Gruppen etwa gilt schon als Rassismus. Wir haben auch in der Öffentlichkeit ein großes Problem, das so zu benennen, weil – jetzt bin ich mal sehr böse – die politischen Parteien es sehr lange versäumt haben, offen zu solchen Problemen zu diskutieren.“3 4) Eine Auswertung des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen belegt, dass die Zahl der Straftaten an NRW-Schulen im Jahr 2017 gegenüber dem Vorjahr um fast 5 Prozent gestiegen ist; die Anzahl der Körperverletzungsdelikte stieg sogar um 11 Prozent. Insgesamt wurden an den Schulen gut 1.000 Straftaten mehr als 2016 begangen. Der NRW- Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Stefan Behlau, sagt zu der Entwicklung: „Über das Tabuthema Gewalt und Straftaten an Schulen muss mehr geredet werden“. Die GEW-Landesvorsitzende Dorothea Schäfer pflichtet bei: „Gewalt an Schulen ist für uns ein Riesenthema “.4 5) Das Kollegium einer Saarbrücker Gemeinschaftsschule berichtet in einem Brandbrief an Saar-Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD) und Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) von schwersten Beleidigungen, Gewalt, Drogen- und Alkoholmissbrauch im Schulalltag: Lehrer würden zunehmend beleidigt und bedroht und es komme immer wieder zu Gewaltausübung. So habe es mehrere Übergriffe mit einem Messer gegeben, einmal sei Pfefferspray eingesetzt worden. Einem Schüler wurde der Arm gebrochen. Auch Eltern seien gewalttätig geworden. Eine Mutter habe Kollegen bedroht und eine Scheibe eingeschlagen, weil sie mit einem Konferenzbeschluss nicht einverstanden war. Viele Lehrer hätten Angst, bestimmte Schüler zu unterrichten. Die Lehrer weisen darauf hin, dass sich der Anteil der Kinder und Jugendlichen nicht deutscher Herkunft an der Schule inzwischen auf 86 Prozent erhöht habe. Zudem habe etwa jeder siebte Schüler sonderpädagogischen Förderbedarf.5 2 https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2018-05/gewalt-schulen-grundschueler-uebergriffelehrer -gymnasium (abgerufen am: 05.05.2018). 3 https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-morgenecho-interview/audio-gewaltgegen -lehrer-dramatisch-entwickelt-und-gesteigert-100.html (abgerufen am: 05.05.2018). 4 http://www.rp-online.de/nrw/panorama/zahl-der-straftaten-an-nrw-schulen-gestiegen-wirbrauchen -eine-breite-offensive-gegen-gewalt-aid-1.7516649 (abgerufen am: 06.05.2018). 5 https://www.saarbruecker-zeitung.de/politik/themen/dramatischer-hilferuf-von-saarbrueckerlehrern _aid-6939844 (abgerufen am 03.05.2018). Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13131 3 6) Eine Grundschule aus Hannover geriet in die Schlagzeilen, nachdem Eltern Protokolle über Gewaltvorfälle veröffentlichten. Die Vorfälle reichten von Tritten, Schlägen, Beleidigungen über offene Drohungen gegenüber Mitschülern und Lehrern bis hin zu Bandenkriegen auf dem Schulhof . Immer wieder komme es an der Schule zu Polizeieinsätzen. 90 Prozent der 410 Schüler sind Migranten aus 30 Nationen, vor allem Bulgaren , Rumänen. Die meisten Schüler sprechen kaum Deutsch.6 7) Im baden-württembergischen Teningen verletzte ein gerade einmal sieben Jahre alter Schüler seine Lehrerin mit einem Messer. In der Sendung „sternTV“ erhob die Grundschullehrerin schwere Vorwürfe: Der Vorfall werde verharmlost. Am 6. März 2018 unterrichtete Christine B. wie immer ihre zweite Klasse im Fach Deutsch. Einer der Schüler hatte seine Hausaufgaben nicht erledigt, worauf ihn Christine B. auf einen speziellen Platz setzte, an dem er die versäumten Schularbeiten nachholen konnte. Als sie ihn nach einer Weile ansprach, hatte der Junge plötzlich ein Messer in der Hand. Was dann genau geschah, ist unklar. Christine B. berichtete: „Ich lag auf dem Boden, dachte ich verblute und keiner merkt es.“ Ein anderer Schüler fand sie schließlich und rief den Notarzt. Ohnmächtig kam die Lehrerin ins Krankenhaus. Bis heute ist sie krankgeschrieben.7 8) Eine Grundschullehrerin aus Berlin berichtet, wie unter der Zunahme von immer mehr sozial- und verhaltensauffälligen Schülern in den Klassen die Unterrichtsqualität leide: Lehrer fühlten sich mehr als Sozialarbeiter denn als Lehrer und die Hauptenergie flösse in das Erziehen der Kinder, um überhaupt unterrichten zu können.8 9) An Hamburger Schulen scheint es ein neues Problem zu geben – Islamismus: Die Linksfraktion berichtet in einem Bürgerschaftsantrag: „Dschihadistische und salafistische Gruppierungen werben gezielt an öffentlichen Orten, auch an Schulen und vor allem in digitalen Räumen der Alltags- und Lebenswelt von Schülern, um Anhänger für ihre extremen Überzeugungen. (…) Eine generelle Zunahme der Identifizierung mit ausgrenzenden, fundamentalen Überzeugungen, die bereits das Ausmaß einer „Jugendsubkultur“ angenommen haben, sowie der immer frühere und raschere Zuspruch zu gewaltbereiter religiöser Radikalisierung unter Jugendlichen belegen diese Tendenzen.“9 So gibt es bereits 58 Fälle von dokumentiertem Islamismus an Schulen in Hamburg. Die Dunkelziffer dürfte hingegen viel höher liegen. Gesammelte Zahlen zu den Fällen religiöser Radikalisierung von Schülern scheint der Senat derzeit allerdings nicht vorlegen zu wollen oder zu können. Auf eine Anfrage des AfD-Fraktionsvorsitzenden Prof. Dr. Jörn Kruse, wie viele Schüler zuletzt durch übersteigertes religiöses Verhalten aufgefallen seien , antworte er, der „Terminus übersteigertes religiöses Verhalten“ sei ihm „nicht bekannt“.10 10) Im Jahr 2015 kam es an der Nelson-Mandela-Schule Hamburg zu einem Mord an einem Mitschüler durch Anwendung einer Machete. Der jugendliche Täter stach im Klassenzimmer so lange auf einen Mitschüler ein, 6 https://www.bild.de/regional/hannover/unterricht/unterricht-ist-nicht-mehr-moeglich- 51821092.bild.html (abgerufen am: 02.05.2018). 7 https://de.nachrichten.yahoo.com/gewalt-schulen-niedergestochene-lehrerin-sprichterstmals -im-tv-050305164.html?guccounter=1 (abgerufen am 03.05.2018). 8 https://www.focus.de/familie/schule/chaos-an-deutschen-schulen-eine-lehrerin-schlaegtalarm -ich-komme-mit-den-kindern-nicht-mehr-zum-lernen_id_6750798.html (abgerufen am: 02.05.2018). 9 https://www.abendblatt.de/hamburg/article213324525/An-Hamburger-Schulen-wird- Islamismus-zum-Problem.html (abgerufen am: 03.05.2018). 10 Ebenda (abgerufen am: 03.05.2018). Drucksache 21/13131 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 bis dieser tot war. Beide Jugendliche stammten aus Afghanistan.11 Ein ähnlicher Fall ereignete sich zuletzt in Lünen, bei dem an der Käthe- Kollwitz-Gesamtschule ein 15-jähriger Schüler mit Migrationshintergrund einen 14-jährigen Mitschüler auf dem Schulflur mit Messerstichen tötete .12 Die Umfrageergebnisse, Daten der Kriminalstatistik, Berichte und Aussagen von Lehrern und Lehrerverbänden sowie spezifische Gewaltvorfälle indizieren einerseits einen Zusammenhang zwischen der Zunahme von verbaler und körperlicher Gewalt an deutschen Schulen und einem hohen Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund an Schulen in zumeist sozialen Brennpunkten . Andererseits wird von den Lehrerfunktionären vehement eingefordert , das Problem offen und ohne Tabus zu diskutieren sowie das Ausmaß von Gewaltvorfällen statistisch zu erfassen, um angemessene Maßnahmen entwickeln zu können, um Lehrkräfte und Schüler zukünftig besser zu schützen . Es ist davon auszugehen, dass sich insbesondere auch an Hamburger Schulen in sozialen Brennpunkten vergleichbare Entwicklungen, wie sie sich in ganz Deutschland zeigen, vollziehen. Eine umfassende Bestandsaufnahme über die Verlaufsentwicklung derartiger Vorfälle ist die Intention dieser Großen Anfrage. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Hamburgs Schulen achten sorgfältig darauf, Gewalt zu unterbinden und die Schülerinnen und Schüler zu einem friedlichen Miteinander zu erziehen. Dafür sind die Schulen gut vorbereitet: Alle Schulen haben schuleigene Beratungslehrkräfte, die Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen in Konfliktfragen sind. Zahlreiche Schulen verfügen darüber hinaus über zusätzliche Pädagoginnen und Pädagogen für die schulinterne Sozialarbeit. Zudem arbeiten an den meisten Schulen multiprofessionelle Kollegien mit unterschiedlichen , pädagogischen Professionen wie zum Beispiel Lehrkräfte für allgemeine Schulen, Lehrkräfte für Sonderpädagogik, Erzieherinnen und Erzieher sowie Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen eng zusammen. Mit den Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ) stehen darüber hinaus allen Eltern, Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften kompetente Beratungskräfte zur Seite. Ein eigenes Referat zur Gewaltprävention in der für Bildung zuständigen Behörde unterstützt die Schulen mit speziell ausgebildeten Fachleuten in Krisensituationen. Zudem verfügen die Schulen über umfassende pädagogische Erfahrung und Unterrichtmodelle zum Erlernen eines gewaltfreien Miteinanders. Hier seien stellvertretend für viele ähnliche Initiativen exemplarisch die Projekte „Streitschlichter“ oder „Anti-Mobbing-Koffer“ genannt. Mit der „Richtlinie zur Meldung und Bearbeitung von Gewaltvorfällen in Schulen“ wurde die Grundlage für eine verbindliche Meldepflicht von Gewaltkriminalitätsdelikten gelegt. Die für Bildung zuständige Behörde hat im Jahr 2008 begonnen, schulische Gewaltvorfälle für alle Hamburger Schulen zu dokumentieren. Das bis zum Schuljahr 2014/2015 geltende Meldeverfahren für Gewaltvorfälle an Schulen mit einer Einteilung der Vorfälle in die Deliktkategorien 1 und 2 hatte sich nicht bewährt, weil sich die Erst- 11 https://www.n-tv.de/panorama/Schueler-ersticht-Mitschueler-in-Hamburgarticle 14897266.html (abgerufen am: 03.05.2018). 12 http://www.rp-online.de/nrw/panorama/bluttat-in-luenen-tatverdaechtiger-soll-im-unterrichtauffaellig -gewesen-sein-aid-1.7345242 (abgerufen am: 03.05.2018). Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13131 5 beurteilungen durch pädagogische Kräfte in den Schulen oft erheblich von den Ergebnissen der polizeilichen Ermittlungen unterschieden haben und in vielen Fällen als übertrieben eingestuft werden mussten. Eine überbehördliche Expertengruppe (Schulleitungen, ReBBZ, Beratungsstelle Gewaltprävention, Polizei Hamburg, Justizbehörde, Staatsanwaltschaft, BASFI) hatte daher der für Bildung zuständigen Behörde vorgeschlagen, sich bei den Meldungen von Gewaltvorfällen stärker auf objektivierbare Kriterien zu stützen und sich deshalb auf überprüfbare, feststellbare Straftaten im Kontext der Gewaltkriminalität zu konzentrieren . Aufgrund dieser Empfehlungen erfolgte in der für Bildung zuständigen Behörde eine Überarbeitung der Richtlinie zur Meldung und Bearbeitung von Gewaltvorfällen an Schulen und des Meldebogens. Zum Schuljahr 2015/2016 ist die überarbeitete Richtlinie in Kraft getreten und seitdem sind gegenüber der für Bildung zuständigen Behörde folgende Vorfälle meldepflichtig und gegenüber der Polizei Hamburg anzeigepflichtig: Straftaten gegen das Leben, Sexualdelikte, Raub/Erpressung und gefährliche Körperverletzung. Über die letzten fünf Jahre zeigten sich Schwankungen bei den gefährlichen Körperverletzungen ; im Schuljahr 2016/2017 wurden Vorfälle auf dem Durchschnittsniveau der gesamten Datenlage verzeichnet. Bei den Raubtaten (beziehungsweise Erpressungsdelikten ) wurden in den Schuljahren 2013/2014 und 2014/2015 höhere Werte dokumentiert, aber auch diese sanken in den letzten zwei Jahren deutlich ab. Somit kann die für Bildung zuständige Behörde darauf verweisen, dass eine Datenlage für die Hamburger Schulen seit zehn Jahren existiert (siehe auch Antwort 1.). Empirische Studien zur Entwicklung der Jugendgewalt in Deutschland (zum Beispiel Dunkelfeldstudien) und die Polizeilichen Kriminalstatistiken verweisen seit geraumer Zeit auf die deutlichen Rückgänge der Jugendgewalt in diesem Kontext: Baier, D., Pfeiffer, C. et al. (2010): Kinder und Jugendliche in Deutschland: Gewalterfahrungen, Integration, Medienkonsum. Zweiter Bericht zum gemeinsamen Forschungsprojekt des Bundesministeriums des Innern und des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen e.V. (KFN). Kammigan, I. & Enzmann D. (2017): Erklärung und Prävention von Jugendkriminalität . Ergebnisse der Befragung an Hamburger Schulen im Jahr 2015. Universität Hamburg. Pfeiffer, C., Baier, D. & Kliem, S. (2018): Zur Entwicklung der Gewalt in Deutschland . Schwerpunkte: Jugendliche und Flüchtlinge als Täter und Opfer. KFN. Die Freie und Hansestadt Hamburg setzt seit vielen Jahren bei der Bekämpfung der Jugendgewalt einerseits auf die behördenübergreifende Zusammenarbeit (siehe Drs. 18/7296, 19/8174, 20/5972), andererseits erhalten die Hamburger Schulen umfangreiche Unterstützungsleistungen in der Fortbildung und zur Prävention durch die Schulaufsicht , die ReBBZ beziehungsweise das Beratungszentrum Berufliche Schulen (BZBS) sowie die Beratungsstelle Gewaltprävention (siehe auch Drs. 21/425, 21/1917, 21/5677). Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie entwickelte sich für den Zeitraum der letzten fünf abgeschlossenen Schuljahre die Anzahl der verbalen und körperlichen Gewaltvorfälle an den Hamburger Grund- und Stadtteilschulen, den Gymnasien sowie an den Berufsschulen? Bitte hierzu eine Abfrage an allen Hamburger Grund- und Stadtteilschulen, Gymnasien sowie Berufsschulen durchführen und mittels Auswertung der Protokolle der Disziplinar/Ordnungsmaßnahmenkonferenzen sowie der betreffenden Schülerakten nach folgenden Kriterien aufschlüsseln: a) Datum des Vorfalls b) Art des Vorfalls (Bitte nach folgenden Kategorien ordnen: Beleidigung , Bedrohung, körperlicher Angriff.) Drucksache 21/13131 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 c) Status des Opfers/Geschädigten (Bitte nach folgenden Kategorien ordnen: Schüler, Lehrer.) d) Status des verursachenden Schülers (Deutscher/Ausländer; Migrationshintergrund /Nicht-Migrationshintergrund) e) Gesamtzahl der Vorfälle pro Schuljahr pro Schule f) Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund pro Schule pro Schuljahr Bitte übergeordnet auch die Gesamtzahl der Vorfälle pro Schuljahr pro Schulform sowie die Gesamtzahl der Vorfälle pro Schuljahr für alle Schulformen angeben. Die Auswertung der schulischen Gewaltmeldungen erfolgt aufgrund des damit verbundenen Aufwandes jeweils nach Abschluss eines Schuljahres. Unterjährige Auswertungen werden von der für Bildung zuständigen Behörde nicht vorgenommen. Zur Auswertung der schulischen Gewaltmeldungen siehe Drs. 20/9125, 20/12882, 21/1599, 21/5677 und Drs. 21/10344. Die Gesamtzahl der Vorfälle, getrennt nach Tatverdächtigen und Betroffenen (Schüler , Schülerin, Bedienstete), nach Schulformen, nach Deliktarten, nach Geschlecht und Alter sind darin enthalten. Der Migrationshintergrund wird nicht erfasst. Das Bereitschaftsteam der Beratungsstelle Gewaltprävention leistet Unterstützung für allgemeinbildende Schulen bei allgemeinen Schadensereignissen und schulinternen Krisensituationen, sofern von der Schulleitung eine Unterstützung angefordert wird. 2. Wie entwickelte sich der Krankenstand der Lehrer und wie entwickelten sich die Zahlen der Frühpensionierungen/-verrentungen von Lehrern in den letzten fünf Jahren? Bitte hierzu die Gesamtzahlen differenziert nach Jahr und Schulform entsprechend der Dauer der Krankenstände und der Anzahl der Frühpensionierungen/-verrentungen angeben. Die zuständige Behörde spricht nicht von Krankenständen, sondern von Fehltagen, die sich pro Schulform in den letzten fünf Jahren wie folgt darstellen: Gesamtübersicht BSB/HIBB (Lehrkräfte) hier: Bezahlte Fehltage mit Vollkräftebereinigung 2012/13 2013/14 2014/15 2015/16 2016/17 Grundschulen 6,8% 6,4% 6,6% 6,8% 6,9% Sonderschulen 7,2% 7,4% 7,8% 7,7% 7,3% Gymnasien 4,6% 4,5% 4,7% 4,7% 4,7% Stadtteilschulen 5,9% 5,5% 6,0% 6,2% 6,4% Berufliche Schulen 5,6% 4,7% 5,2% 5,4% 5,6% alle Schulen 5,9% 5,5% 5,8% 6,0% 6,1% Quelle: Sonderauswertung Zentrale Personaldienste der Freie und Hansestadt Hamburg. Die folgende Tabelle stellt die Anzahl der Dienstunfähigen im Vergleich zu allen Lehrkräften dar. Aktive Beschäftigte pro Schulform und prozentualer Anteil an Dienstunfähigen (DU) 2012/13 2013/14 2014/15 2015/16 2016/17 Schulform Aktive DU DU in % Aktive DU DU in % Aktive DU DU in % Aktive DU DU in % Aktive DU DU in % Grundschulen 4.362 31 0,7% 4.413 32 0,7% 4.491 28 0,6% 4.535 26 0,6% 4.787 21 0,4% Sonderschulen 974 9 0,9% 908 13 1,4% 877 10 1,1% 849 6 0,7% 816 3 0,4% Gymnasien 3.962 24 0,6% 4.003 17 0,4% 3.950 30 0,8% 4.004 21 0,5% 4.109 9 0,2% Stadtteilschulen 4.970 25 0,5% 5.207 24 0,5% 5.169 19 0,4% 5.325 11 0,2% 5.443 12 0,2% Berufliche Schulen 2.766 19 0,7% 2.685 16 0,6% 2.525 16 0,6% 2.548 15 0,6% 2.638 15 0,6% gesamt 17.034 108 0,6% 17.216 102 0,6% 17.012 103 0,6% 17.261 79 0,5% 17.793 60 0,3% Quelle: Aktive aus Paisy, Dienstunfähigkeiten aus einer Anschreibung des Personalärztlichen Dienstes. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13131 7 Ein Kausalzusammenhang zwischen Fehltagen/Dienstunfähigkeiten von Lehrkräften und Gewaltenvorfällen an Schulen besteht nicht. Im Übrigen liegt die Fehlzeitenquote für Lehrkräfte, siehe Antwort zu 2., unter der Durchschnittsquote für den übrigen Bereich des öffentlichen Dienstes, siehe Drs. 21/10200. 3. Welche Krankheiten (bitte in Oberkategorien angeben) sind für die Krankenstände und die Frühpensionierungen/-verrentungen in den letzten fünf Jahren in welchem Ausmaß verantwortlich? Die Fehltage (Krankenstände) werden hinsichtlich der zugrundeliegenden Krankheiten weder durch den Personalärztlichen Dienst noch durch die Behörde für Schule und Berufsbildung ausgewertet. Eine Auswertung durch die für Bildung zuständige Behörde ist aus Datenschutzgründen zudem nicht zulässig. Im Kontext der Dienstunfähigkeiten (Frühpensionierungen) stellt der Personalärztliche Dienst der Behörde seine Diagnose in Oberkategorien zur Verfügung. Ausgewählte Diagnosen ( >5 %) bei Dienstunfähigkeiten (DU) 2012/13 2013/14 2014/15 2015/16 2016/17 Diagnose des PÄD DU DU in % DU DU in % DU DU in % DU DU in % DU DU in % Neubildungen (Tumore) 7 5,6% 7 5,4% 11 8,9% 7 7,5% 4 6,2% Psychische und Verhaltensstörungen 84 66,7% 81 62,3% 77 62,1% 56 59,6 % 45 69,2% Krankheiten des Kreislaufsystems 7 5,6% 7 5,4% 8 6,5% 9 9,6% 4 6,2% Krankheiten des Muskel-Skelett- Systems 7 5,6% 8 6,2% 10 8,1% 10 10,6 % 2 3,1% Quelle: Dienstunfähigkeiten aus einer Anschreibung des Personalärztlichen Dienstes 4. Welche Erkenntnisse hat die Behörde für Schule und Berufsbildung und das ZPD über einen Zusammenhang von Krankenständen/Frühpensionierungen /-verrentungen und Gewaltvorfällen an Hamburger Schulen? Zusatzfrage: Werden derartige Zusammenhänge in den Krankenakten und darüber hinaus auch in übergeordneten Statistiken erfasst? Wenn nein: warum nicht? Siehe Antwort zu 2.