BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13132 21. Wahlperiode 29.05.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Heike Sudmann (DIE LINKE) vom 22.05.18 und Antwort des Senats Betr.: City-Hof und Kontorhausviertel: Welterbefest am 3. Juni 2018, Rolle des Denkmalschutzes in Hamburg und Täuschungsmanöver In der Ankündigung der Behörde für Kultur und Medien zum Welterbefest am 3. Juni 2018 heißt es: „Ziel des UNESCO-Welterbetages ist es, die deutschen Welterbestätten … als Orte besonders sorgfältiger Denkmalpflege ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken.“ Im Gegensatz dazu wird mit dem „Heritage Impact Assessment“ (HIA), das die Behörde für Kultur und Medien zum geplanten City-Hof-Abriss an die UNESCO geschickt hat, offensichtlich das Ziel verfolgt, einen Denkmalabriss in der Welterbe-Pufferzone gegenüber der UNESCO zu rechtfertigen, der zudem nicht durch das Hamburger Denkmalschutzgesetz gedeckt ist. Das Denkmalgesetz erlaubt Denkmalabrisse nur, wenn übergeordnete öffentliche Belange dies mangels Alternativen zwingend verlangen. Das Bieterverfahren 2014 mit dem wirtschaftlich plausiblen Sanierungsgebot von gmp und Matrix/ HOCHTIEF hatte aber genau eine solche Alternative aufgezeigt. Das HIA bezieht sich in seiner Argumentation zu den Sichtachsen auf den Managementplan des Nominierungsverfahrens. Dort wird unter anderem der Sichtachse 3 (Blick aus der Willy-Brand-Str. auf Meßberghof) hohe Bedeutung beigemessen, weil täglich Tausende Autofahrer/-innen von Westen kommend diesen Blick erleben. Vergleichbares gilt für die Sicht vom Deichtorplatz von Südosten auf den Sprinkenhof, den nicht nur Tausende Autofahrer/-innen, sondern darüber hinaus auch alle Fern-, Regional- und S- Bahn-Reisende bei der Ankunft von Südosten am Hauptbahnhof täglich erleben . Die Vorsitzende des UNESCO-Welterbezentrums Mechthild Rössler hatte am 23. Februar 2017 gegenüber dem „Hamburger Abendblatt“ gefordert , dass ein Neubau am Klosterwall „bestehende Sichtachsen nicht blockiert “. Der geplante Neubau von Aug. Prien verstellt aber genau die Sichtachse aus Richtung Deichtorplatz/Amsinckstraße/Gleisgebiet südlich des Hauptbahnhofs. Der Investor hat zudem Visualisierungen des Neubaus in Umlauf gebracht, die fälschlicherweise suggerieren, dass diese Blickbeziehung weiterhin erhalten bliebe. Fahrlässige Analysen beziehungsweise Falschaussagen im HIA – wie zum Beispiel die unrichtige Behauptung, zwischen den Hochhausscheiben des City-Hofs hindurch bestünden keine Sichtbeziehungen auf die Welterbekernzone , sondern ausschließlich auf das Bartholomayhaus in der Pufferzone – rücken die Hamburger Welterbestätte nicht „als Ort besonders sorgfältiger Denkmalpflege ins Bewusstsein der Öffentlichkeit.“ Drucksache 21/13132 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die frühere Kultursenatorin Prof. Barbara Kisseler hatte mehrfach auch gegen Widerstände innerhalb des Senats ihr Engagement für den Erhalt des City-Hofs öffentlich gemacht, so zum Beispiel in einem RTL-Interview am 27. Mai 2015 anlässlich des Hamburg-Besuchs der damaligen Vorsitzenden des UNESCO-Welterbekomitees Prof. Dr. Maria Böhmer sowie gegenüber dem „Hamburger Abendblatt“ am 5. April 2016. Der amtierende Senator für Kultur und Medien Dr. Carsten Brosda äußerte dagegen im NDR-Interview am 14. Juli 2017, eine Stadt müsse aushalten, dass Entscheidungen bei „Symbolimmobilien “ wie dem City-Hof „mal so und mal so“ ausgingen. Dass beim Senatsbeschluss zum Abriss des denkmalgeschützten Metallwalzwerks Billbrookdeich für ein ECE-Logistikzentrum kein Plädoyer des Senators für den Denkmalerhalt bekannt geworden ist, obwohl es auch hier sicher Alternativen zum Abriss gegeben hätte, ist in diesem Zusammenhang allerdings auch erwähnenswert. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Rolle spielt der Denkmalschutz aktuell in der Kulturpolitik der Freien und Hansestadt Hamburg? 2. Hält der Senat ein engagiertes Eintreten für die ihm im Interesse der Allgemeinheit anvertrauten Kulturgüter auch gegen widerstreitende Interessen für einen unzeitgemäßen Politikstil? Das Denkmalschutzgesetz aus dem Jahr 2013 macht deutlich, dass dem Schutz und der Vermittlung des kulturellen Erbes eine hohe Bedeutung zukommt, und es legt Grundlagen und Maßstäbe fest. Unabhängig von der Denkmalwürdigkeit sind Entscheidungen über den Denkmalschutz grundsätzlich Einzelfallentscheidungen, die verlässlich nach einer sorgfältigen und verantwortungsvollen Interessenabwägung erfolgen. 3. Wie gedenkt der Senat, angesichts des beschlossenen Denkmalabrisses die Welterbestätte Kontorhausviertel „als Ort besonders sorgfältiger Denkmalpflege ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken“? Mit der Einstellung eines Welterbekoordinators und der geplanten Einrichtung eines Welterbe-Informationszentrums werden wesentliche Voraussetzungen für das Erreichen dieses Ziels erfüllt. Einen digitalen Zugang bietet „Speicherstadt digital“ mit einem vielfältigen Angebot: Besucherinnen und Besuchern können sich vor Ort die historischen Dimensionen des Ensembles bildlich und in Hörspielen vergegenwärtigen , früher und heute durch Augmented Reality vergleichen und mehr über Geschichte (n) erfahren (www.speicherstadt-digital.de). In diesem Jahr werden auch das Welterbefest auf dem St. Annenplatz (www.welterbefest.hamburg) und die Eröffnung des Welterbe-Info-Points Hamburg am 3. Juni 2018 die besondere Bedeutung des Kontorhausviertels hervorheben: Diese Gebäude setzten Maßstäbe für die Entwicklung der modernen Bürohausarchitektur der 1920er- und 1930er-Jahre und zählen auch im internationalen Vergleich zu den bedeutendsten Leistungen der Baugattung Bürohaus nach dem Ersten Weltkrieg. 4. Wie wird der Senat nach Abriss des denkmalgeschützten City-Hofs künftig Begehrlichkeiten von Investoren/-innen begegnen, wenn unter Berufung auf diesen Präzedenzfall Denkmalabrisse in der Welterbepufferzone und an anderen Stellen der Stadt mit der Begründung der Gleichbehandlung juristisch eingefordert werden? Zu Einzelfallentscheidungen siehe Antwort zu 1. und 2. Der Grundsatz der Gleichbehandlung kann, sofern vergleichbare Voraussetzungen vorliegen, Bestandteil des Abwägungsprozesses sein. 5. Welche maßgeblichen Veränderungen an den Denkmälern der Kernzone und der Pufferzone des jetzigen Welterbes Kontorhausviertel waren in den letzten zehn Jahren beantragt worden (Aufstockungen, Zubauten, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13132 3 Umbauten wie zum Beispiel die Schließung der Arkaden am Pressehaus )? a. Welche wurden genehmigt? Bitte Begründungen jeweils angeben. b. Welche wurden abgelehnt? Bitte Begründungen jeweils angeben. Das Welterbe Kontorhausviertel inklusive der Pufferzone umfasst in etwa das Denkmal -Ensemble Kontorhausviertel zuzüglich der Deichtorhallen, des City-Hofs und des ehemaligen Spiegel-Gebäudes. Für diesen Bereich sind seit 2008 129 Vorgänge zum Genehmigungsvorbehalt der zuständigen Behörde für Veränderungen von Denkmälern abgelegt. Der größte Teil betrifft untergeordnete Maßnahmen wie zum Beispiel den Umbau von Büro- oder Ladenflächen oder Werbung. In einigen Fällen gibt es Hinweise auf Maßnahmen im Sinne der Fragestellung. Dazu zählen der Hotelneubau neben dem alten Spiegelgebäude (Dovenfleet 5), ein Vorbescheid zur Errichtung eines Staffelgeschosses (Schopenstehl 15), der Neubau einer Parkgarage (Steinstraße 5 – 7), die „Revitalisierung eines Bürogebäudes“ (Steinstraße 27), den Umbau der Arkade und eine Änderung der „Fassadenpositionen“ sowie eine „Dachterrasse“ (beides Speersort 1), einen „Wintergarten im Hof“ (Mohlenhofstraße 3) und den Umbau mit Sanierung des Bartholomay -Hauses. Diese Maßnahmen liegen in der Pufferzone und wurden alle genehmigt. Die abschließende Sichtung, Auswertung und Beurteilung aller Anträge im Sinne der Fragestellung ist in der für die Bearbeitung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 6. Welche Rolle spielt die Sicht von Osten und Südosten auf Sprinkenhof und Chilehaus, die sich, vergleichbar mit der wichtigen Sichtachse 3 von Westen, heute Tausenden Autofahrern/-innen und darüber hinaus jeder/m Bahnreisenden bei der Ankunft am Hauptbahnhof bietet, für die visuelle Erlebbarkeit und die touristische Erschließung der Welterbestätte ? Keine. Relevant sind nur die definierten Sichtachsen gemäß der von der UNESCO anerkannten Kartierung zum Welterbe. 7. Wie wird der Senat das Täuschungsmanöver des Investors Prien, über Visualisierungen ein fälschliches Weiterbestehen zerstörter Blickbeziehungen zu suggerieren, sanktionieren? 8. Wird der Senat für eine richtige Darstellung für die Öffentlichkeit sorgen? Falls es weder Sanktionen noch Richtigstellungen geben soll: weshalb nicht? Siehe Antwort zu 6.